St. Leon-Rot erwirbt katholisches Pfarrhaus mit Pfarrgarten

Kontroverse Diskussion in der jüngsten Gemeinderatssitzung - Erstinvestition von 839.000 Euro - Sanierungskosten noch offen

02.02.2017 UPDATE: 03.02.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 54 Sekunden

Seit neun Jahren wird es allenfalls sporadisch genutzt: Jetzt hat St. Leon-Rots Gemeinderat beschlossen, das St. Leoner Pfarrhaus mit Pfarrgarten zu erwerben. Das denkmalgeschützte Gebäude soll erhalten, saniert und wieder mit Leben gefüllt werden. Foto: Lerche

St. Leon-Rot. (seb) Nach langer, kontroverser Diskussion fiel die Entscheidung denkbar knapp: Mit elf zu zehn Stimmen hat St. Leon-Rots Gemeinderat beschlossen, das katholische Pfarrhaus mit Pfarrgarten in St. Leon zu erwerben. Während für viele Räte noch wichtige Fragen offen waren, fand die Mehrheit das präsentierte Gesamtkonzept überzeugend. Der Kaufpreis für Gebäude und Grundstück beträgt 839.000 Euro.

Zunächst soll das Gebäude, das mitsamt Grundstückmauer denkmalgeschützt ist, bewahrt und saniert werden. Dann sollen der kirchlichen Sozialstation Räume vermietet und eine von Tagesmüttern betreute Krippe eingerichtet werden. Auf dem Grundstück wiederum soll ein Wohnprojekt für Menschen mit und ohne Behinderung entstehen, das der Verein "Smile" initiiert hat (Näheres siehe Artikel unten). Ein generelles Argument für die Investition in Immobilien wurde ebenfalls genannt: die aktuelle Niedrigzinsphase, in der es praktisch keine Erträge für Erspartes gibt.

"Seit neun Jahren machen wir uns Gedanken über die Zukunft des Pfarrhauses": Pfarrer Manfred Woschek, Leiter der Seelsorgeeinheit Walldorf-St. Leon-Rot, erläuterte die Hintergründe. Auch die Kirche müsse kosteneffizient arbeiten, das alte Pfarrhaus sei "nicht zu annehmbaren Kosten" nutzbar, ein kleinerer Neubau soll stattdessen neben der St.-Leo-Kirche entstehen. Der Pfarrgarten werde leider nurmehr vier bis fünf Mal pro Jahr genutzt, so Woschek. "Auch wenn unser Herz dran hängt", sei der Verkauf geboten. Das Grundstück aber gehört der Pfälzer Kirchenschaffnei, die gewisse Bedingungen stellt.

Die wichtigste sei "der soziale Aspekt", mit dem sicher auch die Akzeptanz in der Bevölkerung steige, erklärte Woschek. Reihenhäuser oder Ähnliches sehe man ungern, daher habe man sich an die Gemeinde gewandt anstatt an einen Investor, der gewinnorientiert arbeite. Woschek lobte das von "Smile" vorgestellte Wohnprojekt, das auch "mitten in den Ort" gehöre, nicht "an den Rand gedrängt". Des Weiteren soll ein Grundstückstausch stattfinden, damit der Pfarrpfründestiftung zumindest ein Teil des verkauften Geländes ersetzt wird - mit einem Acker von 2800 Quadratmetern Größe und einem Wert von 8400 Euro war man einverstanden.

Ein Grund, der manche Räte nach Bürgermeister Dr. Alexander Egers Vermutung zögern ließ, waren die Parallelen zur Kramer-Mühle, ebenfalls ein historisches Gebäude mit angrenzendem Grundstück, jetzt in Gemeindebesitz. Ein Bürgerbegehren gegen die bauliche Nutzung der Mühlenwiese wurde gestartet. Noch einmal nach einer erheblichen Investition auf Widerstand aus der Bevölkerung zu stoßen, wollte niemand.

"Wieso sollte die Gemeinde jetzt zugreifen?", fragte Anneliese Runde (Freie Wähler). Ihr sei nicht ersichtlich, dass der Handlungsbedarf bei der Sozialstation oder die Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen aktuell eine solche Investition rechtfertigten. Umbau- und Sanierungskosten seien überdies völlig offen. Das Wohnprojekt von "Smile" könne man unterstützen, jedoch sei noch nicht klar, ob der Pfarrgarten überhaupt bebaubar sei. Man könne sicher ein anderes Areal finden. Dem pflichtete Ferdinand Speckert (CDU) bei: Die Sozialstation wolle auch eine gute Verkehrsanbindung, das sei dort am Pfarrhaus eher schwierig.

"Das Wohnprojekt wäre dort falsch platziert", meinte Achim Schell (Union), der auf die engen Verhältnisse im alten Ortskern verwies. Dem Erwerb von Pfarrhaus und -garten konnte er zustimmen und sah viele Vorteile, wenn die Gemeinde "Herr des Verfahrens" sei. Ein ausgereifteres Nutzungskonzept fürs Pfarrhaus hätte sich Rouven Dittmann (Junge Liste) gewünscht. Außerdem befürchtete er, dass die Gemeinde mit dem denkmalgeschützten Gebäude "ein Fass ohne Boden aufmacht". Das Smile-Wohnprojekt sehe er lieber auf einem anderen Areal.

"Eine neue Nutzung des denkmalgeschützten Pfarrhauses begrüßen wir sehr", so Michael Herling (FDP/SPD). Da das Gebäude in gutem Zustand sei, "machen wir keinen Fehler, wenn wir investieren." Die Nutzung freier Areale innerorts, anstatt Flächen am Rand in Anspruch zu nehmen, habe der Rat eigentlich immer bevorzugt. "Und es wäre toll, so ein inklusives Wohnprojekt zu verwirklichen", so Herling. "Sehr viele Synergieeffekte" sah Norbert Knopf (Grüne) in den Verwaltungsvorschlägen, die man als Gesamtkonzept auffassen müsse. Man bewahre ein denkmalgeschütztes Gebäude mit Mauer, schaffe Kinderbetreuungsplätze, unterstütze die Sozialstation - "und das ist auch eine Geldanlage". Das Gesamtpaket ergebe zu viel Sinn, um es nicht anzunehmen.

Bei elf Mal Ja und zehn Mal nein wurde entschieden, das Pfarrhaus für 150.000 Euro und das Grundstück gemäß dem gängigen Bodenrichtwert für 689.000 Euro zu erwerben. Mit 14 Ja-Stimmen, zwei Mal Nein und fünf Enthaltungen beschloss man, das Pfarrhaus zu sanieren und Sozialstation sowie Tagesmüttern Räume anzubieten. Laut Verwaltung sind die strukturell kritischen Punkte des Gebäudes in gutem Zustand, doch die Sanierungskosten konnten noch nicht beziffert werden. Mit 13 Mal Ja, sechs Enthaltungen und zwei Mal Nein wurde der Vorschlag angenommen, der von "Smile" gegründeten Interessengemeinschaft einen 2000 Quadratmeter großen Teil des Pfarr-Grundstücks für 480.000 Euro zu offerieren.

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