St. Leon-Rot. (seb) Der Verkaufsraum der früheren Metzgerei Speckert und das Schlachthaus dahinter sich völlig verwandelt. Die Gemeinde St. Leon-Rot hat die Gebäude in der Roter Hauptstraße eigentlich im Zug der Ortskern-Umgestaltung erworben. Jetzt aber wird sie für die Flüchtlingsunterbringung und von der Bürgerinitiative Asyl Sankt Leon-Rot als Begegnungsstätte "Bia Salero" genutzt. Der ehemalige Verkaufsraum war voll besetzt, als Gabi Dörflinger für die Bürgerinitiative, Bürgermeister Dr. Alexander Eger sowie Pfarrer Manfred Woschek (katholische Kirchengemeinde Walldorf-St. Leon-Rot) und Pfarrerin Katharina Wendler (evangelische Christusgemeinde) die Begegnungsstätte gemeinsam mit zahlreichen ehrenamtlichen Unterstützern und Flüchtlingen feierlich eröffneten.
Die Festnahme von Terrorverdächtigen, unter anderem im nahen Leimen, sprach Bürgermeister Eger gezielt an, schließlich sei zu erwarten, dass damit Befürchtungen und Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen weiter anwachsen. Er sah "ein großes Versagen der Bundespolitik", die auf die Flüchtlingsbegegnungen generell zu spät reagiert habe und nicht nur in diesem Fall die Identität der Einreisenden eigentlich ermitteln müsse. Man sei diese Aufklärungsarbeit auch den Flüchtlingen schuldig, "die auf ehrliche Art zu uns kommen und vor Krieg und Vertreibung fliehen", so Eger: "Ich bin der Meinung, das ist der überwiegende Teil." Eger sah immerhin einen Anlass zur Hoffnung: Der Informant, der die Pläne der Terrorverdächtigen preisgab, tat dies, weil er sich hier eine Existenz aufgebaut hatte, unsere Werte akzeptierte: weil die Integration gelungen ist.
Und das erhoffte Alexander Eger sich von den kulturellen, sportlichen und Bildungs-Angeboten der Bürgerinitiative Asyl sowie von den vielfältigen sozialen Kontakten, die Flüchtlinge hier in der Begegnungsstätte knüpfen könnten. "Wir sind auf einem tollen Weg", meinte er und dankte der Initiative, dem Team der Flüchtlingsbeauftragen der Gemeinde, Rat, Bauamt und Bauhof, die gemeinsam mit den Ehrenamtlichen viel in Eigenleistung zur Metzgerei-Renovierung beigetragen hätten, sowie allen weiteren bürgerschaftlich Engagierten. Leider, gab Eger zu bedenken, sei die Zeit der Begegnungsstätte begrenzt: Die Gemeinde wolle die Umgestaltung des Roter Ortskerns vorantreiben, gerade an der Kreuzung, an der die ehemalige Metzgerei steht. Im Gewerbegebiet "Schiff II" entsteht ihm zufolge zeitnah eine Unterkunft für rund 38 Flüchtlinge, die auch Platz für Lager und Räume der Begegnung bieten wird.
Mit einem Schmunzeln ergänzte der Bürgermeister, dass er am heutigen Montag nach Berlin fliege, um einen Preis der Immobilienwirtschaft entgegenzunehmen. "Ich wusste gar nicht, dass wir uns beworben hatten." St. Leon-Rot werde für seine Bemühungen in der Flüchtlingsunterbringung ausgezeichnet - fürs Renovieren alter Häuser (zwei zum Beispiel neben der "Bia Salero") und die einhergehende Aufwertung des Ortsbilds, darüber hinaus fürs Herrichten des ehemaligen Grundbuchamts im Rathaus.
"Wir sind längst multikulturell", sagte Gabi Dörflinger zu den Beweggründen der Bürgerinitiative. "Jeder Vierte in Baden-Württemberg hat einen Migrationshintergrund." Jeder wisse doch eigentlich, wie es ist, fremd zu sein, und kenne sicher Erzählungen von Flucht und Vertreibung. Ihr Engagement sei daher "ein gesellschaftspolitisches Statement: Wir alle sind immer wieder gefordert, klare Position zu beziehen". Sie räumte allerdings ein: "Leider stoßen wir mit unserem Engagement nicht immer auf Wohlwollen" und betonte: "Manchmal braucht es zum Helfen Mut."
Danksagungen nahmen den Großteil von Gabi Dörflingers Rede ein, schließlich gebe es so viele, die sich tatkräftig für die zurzeit 30 Flüchtlinge einsetzten. In dem einen Jahr sei die Initiative auf rund 50 "wild entschlossene Ehrenamtliche" angewachsen und könne sich über zahlreiche weitere Unterstützer freuen. Die Gemeinde hat sich ihr zufolge stets entgegenkommend gezeigt, auch das Team der katholischen Kirchengemeinde ist engagiert. Vor allem galt Gabi Dörflingers Dank der evangelischen Christusgemeinde, unter deren Dach die Bürgerinitiative nun aktiv ist: Sie tritt als Mieterin der früheren Metzgerei auf, das senkt besonders bürokratische Hürden. Für ihr Ziel, den Austausch mit Einheimischen anzuregen und den neuen Mitbürgern zu einem guten Start ins Leben hier zu verhelfen, ist die "Bia Salero" laut Gabi Dörflinger ideal, hier mitten im Ort.
Ein helles, freundliches Café lädt zum Verweilen ein, hier können auch Deutsch- oder andere Kurse stattfinden. Die Tür gegenüber dem Eingang führt in die geräumige Küche und zu einem Büro, außerdem ins Treppenhaus zu den beiden Drei-Zimmer-Wohnungen oben, die auch einen eigenen Eingang haben, und weiterhin in den Hof. Das alte Schlachthaus präsentiert sich als großzügiger "Second Hand"-Laden für Kleidung, Bettwäsche, Geschirr und mehr. Alle Bürger sind hier willkommen, nicht nur Flüchtlinge.
Ehe ein fröhliches Fest mit Musik und leckerem Vesper begann, erbaten Pfarrerin Katharina Wendler und Pfarrer Manfred Woschek Gottes Segen für die Räume, die Woschek zudem weihte. Mit dem Bibelzitat "Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat" und einem betonten "Gastfreundschaft ist heilig" lobten sie das hier gezeigte Engagement und das Signale für zwischenmenschliche Solidarität.
Info: www.asyl-st-leon-rot.de