Um die Kramersche Mühle in St. Leon (im Bild unten ist die Roter Straße) drehte sich der Bürgerentscheid am Sonntag, 2. Juli, genauer um die Frage der Bebauung der Wiese (im Bild links) und auch des übrigen Areals (oben, am Bach). Foto: Wolfgang Brandmeier
St. Leon-Rot. (rnz) "Sind Sie dafür, dass das Gelände der Kramer-Mühle nicht mit Wohnhäusern bebaut wird und alle Planungen hierzu gestoppt werden?" So lautet die Frage, über die St. Leon-Rots Bürger am Sonntag, 2. Juli, entscheiden könen. Lautet die Antwort "Ja", widerspricht man damit zumindest teilweise dem einstimmigen Ratsbeschluss vom Dezember 2015: Damals fiel das Votum für ein Gesamtpaket aus: Kauf und Erhalt des Gebäudeensembles, das auf vielfältige Weise genutzt werden soll, auch durch Bebauung der angrenzenden "Mühlenwiese" - damals hieß es noch mit Unterkünften für Flüchtlinge, heute denkt man da auch an finanziell Schwache.
Gegen eine Wohnbebauung des Mühlenareals insgesamt haben sich die Initiatoren eines Bürgerbegehrens gewandt, teilweise aus den Reihen des Vereins "Freundeskreis Kramer-Mühle". Vertrauenspersonen sind Albert Weinlein, Holger Maier und Ralf Keilbach. Sie verweisen auf die historische Bedeutung der über 500 Jahre alten Mühle, die für viele Bürger "ein wichtiges Stück Heimatgeschichte" sei, und wünschen sich ein vielfältig nutzbares "Begegnungs- und Kulturzentrum" - das mit einer benachbarten Wohnbebauung nicht uneingeschränkt realisiert werden könne. Die Vertrauenspersonen gehen davon aus, dass es in St. Leon-Rot durchaus andere Möglichkeiten gibt, Mehrfamilienhäuser zu bauen.
Soll der Bürgerentscheid in ihrem Sinne ausfallen, muss eine Mehrheit mit "Ja" stimmen - und diese Mehrheit muss mindestens 20 Prozent der Abstimmungsberechtigten insgesamt betragen (Abstimmungsquorum), um rechtsgültig zu sein. Ansonsten gelten dieselben Regelungen wie für Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen (alle Abstimmungsberechtigten erhalten eine Wahlbenachrichtigung).
Mit einem mehrheitlichen "Ja", das das Quorum erreicht, würde eine Wohnbebauung der Mühlenwiese verhindert. Die Entscheidung hätte die Wirkung eines endgültigen Gemeinderatsbeschlusses, der innerhalb von drei Jahren nur durch einen erneuten Bürgerentscheid abgeändert werden könnte. Erreichen weder "Ja" noch "Nein" das Abstimmungsquorum, ist der Bürgerentscheid ungültig und der Gemeinderat entscheidet.
Zusammen mit den Wahlbenachrichtigungen wird eine Informationsschrift zum Bürgerentscheid an die Haushalte verteilt. Darin rät Bürgermeister Dr. Alexander Eger: "Nutzen Sie die Chance, am Sonntag, 2. Juli, Ihre Stimme abzugeben und damit direkt über die Bebauung des Wiesengeländes bei der ’Kramer-Mühle’ zu entscheiden."
Die Freien Wähler erklären in ihrer Stellungnahme, dass sie hinter dem Beschluss zum Mühlenkauf und zur Wiesenbebauung stehen. Sie halten es für wichtig, Menschen mit geringerem Einkommen eine Chance auf einem von steigenden Mietpreisen geprägten, angespannten Wohnungsmarkt zu geben. Die Mühlenwiese, so die Freien Wähler weiter, könne ohnehin in dieser Form nicht erhalten bleiben, weil an der Mühle auch Parkplätze benötigt werden. Sie wie auch CDU und Junge Liste heben hervor, dass das Mühlengelände zu Baulandpreisen erworben wurde und ein Verzicht auf Wohnungen dort praktisch einen beträchtlichen finanziellen Verlust für die Gemeinde bedeuten würde. Auch die CDU steht sowohl für die Sanierung der Mühle als auch die Bebauung der Wiese: Wohnungsbau für sozial Schwache sei eine Pflicht für jede Kommune. Die Junge Liste betont, dass alternative Flächen dieser Art in St. Leon-Rot schlicht nicht verfügbar seien. Durch den kommunalen Wohnungsbau mit barrierefreier Gestaltung könne auch die Integration körperlich oder geistig eingeschränkter Mitbürger gefördert werden, so die Junge Liste.
Abzuwarten halten die Grünen für richtig: Erst solle ein umfassendes Nutzungskonzept für Mühle und angrenzendes Areal erstellt werden. Der Bedarf an preiswerten Wohnungen könne anderweitig gedeckt werden, meinen die Grünen. Zu diesem Zeitpunkt sei man, um frei planen zu können, gegen die Bebauung der Wiese.
Weder zielführend noch erforderlich: So bezeichnet die Union eine Wohnbebauung der Mühlenwiese. Die Gesamtanlage solle so erhalten bleiben, Vorbild sei da beispielsweise die "Buhlsche Mühle" in Ettlingen. Klar gegen eine Bebauung der Wiese spricht sich schließlich auch die FDP/SPD-Fraktion aus: Das ortsbildprägende und historische Gesamtensemble müsse bewahrt werden, bauliche "Schnellschüsse" gelte es zu vermeiden, so die FDP/SPD. Den Bedarf an sozialen Wohnkonzepten wolle man erst in Ruhe ermitteln: St. Leon-Rot verfüge noch über ausreichend bebaubare Flächen.
Wie bei allen Wahlen besteht die Möglichkeit der Briefwahl: Der Antrag ist bis spätestens Freitag, 30. Juni, 18 Uhr, im Bürgerbüro des Rathauses zu stellen. Die Stimmunterlagen müssen spätestens am Abstimmungstag um 18 Uhr, wenn auch die Wahllokale schließen, im Rathaus eingegangen sein.
Info: Nähere Informationen auch im Internet unter www.st-leon-rot.de.