Am früheren Platz der Figur klafft eine Lücke. Foto: Stadt Sinsheim
Von Tim Kegel
Sinsheim. Jetzt ist es doch passiert. Lange gab es die Befürchtungen bei der Bevölkerung, dass nächtliche Vandalen sich an den Figuren der "Alltagsmenschen" austoben könnten, die zurzeit in der Innenstadt von Sinsheim aufgestellt sind. Am Freitagmorgen dann der Schock: Einer der Statuen am Karlsplatz wurde übel mitgespielt. Die Stadt Sinsheim hat Anzeige erstattet.
Nach hinten weggesackt saß die Figur, die zu einer Gruppe mit dem Namen "Wartezimmer" gehört, im Gras unter der Trauerweide nah des Elsenzbogens. Der Stuhl, mit dem das Stück im Boden verankert ist, war zusammengebrochen; dessen Lehne abgedrückt, die Beine umgeknickt. "Der Stuhl wurde mutmaßlich mutwillig irreparabel beschädigt", heißt es in einer Mitteilung aus dem Rathaus. Zum Glück heil geblieben ist die Figur. Sie sei "umgesetzt" worden. Auf den freien Platz einer nebenstehenden Bank mit einer weiteren Figur, der eigentlich dafür gedacht war, dass sich Passanten dazwischen setzen können, als Kulisse für ein Fotomotiv.
So wurde die Figur am Freitagmorgen vorgefunden. Foto: Stadt SinsheimFest steht: Es muss spät abends oder nachts passiert sein, wenn sich am Karlsplatz mit dessen Bars und Spielhallen reichlich junges Volk trifft. Die Zerstörung zeugt von großem Kraftaufwand. Der aus Aluprofilen gelötete Stuhl unter der Figur ist stark deformiert, als hätte man dagegen getreten. Die Lehne des Stuhls, ebenfalls aus Metall, ist abgebrochen. Und Oberbürgermeister Jörg Albrecht ist stinksauer.
Den Vorfall nennt er "zutiefst bedauerlich". Dem oder den Verursachern bescheinigt er "maximalen Mangel an Respekt gegenüber der Kunst, der Künstlerin, der Stadt und letztlich der gesamten Bevölkerung Sinsheims", die große Freude an den schönen Figuren habe. Erst vor kurzem war eine weitere Figur leicht beschädigt worden, die Teil einer Gruppe vor der Dr.-Sieber-Halle ist und deren Hand gleich zweimal abgebrochen war. Damals sei der Sachverhalt ein anderer gewesen, sagt Albrecht: Die Figur sei bereits vor ihrer Anlieferung nach Sinsheim im Bereich jener Hand repariert worden, wie Untersuchungen gezeigt hätten. Außerdem fand man in beiden Fällen die neben der Figur liegende Hand. "Ein Versehen, spielende Kinder, jedenfalls keine mutwillige Sachbeschädigung", ist man überzeugt.
Der Stuhl, auf dem sie festgeschraubt war, zeugt von massiver Gewalteinwirkung. Foto: Stadt SinsheimUnd es gibt Erfahrungen in Sinsheim mit der Zerstörung von "Alltagsmenschen": Bei der seit dem Jahr 2011 vor der Volksbank-Hauptfiliale stehenden Gruppe wurden mehrfach Füße abgetreten und einmal sogar ein Kopf. Man weiß, was passieren kann, weshalb die "Alltagsmenschen" mit allerhand Tricks und Kniffen vor dem rauen Alltag geschützt werden: Inzwischen kommen Erdnägel zum Einsatz, Gewindebolzen und Stahlplatten. So manche Figur ist auch im Nachhinein mit dicken Holzscheiten unter den Schuhen auf dem Boden geerdet worden. Damit nichts abbricht, wenn jemand mal darauf steigt.
Was genau passiert ist zwischen Donnerstagabend bis Freitagfrüh, ist unklar. Es war wohl ein ganz normaler Abend im Viertel zwischen Karlsplatz, Allee, Bahnhof und Friedrichstraße. Die Polizei listet keine besonderen Vorkommnisse, mit Ausnahme "einer Körperverletzung zwischen zwei jungen Männern in der Friedrichstraße gegen 21.30 Uhr". Dass die Streithähne mit dem Vandalismusfall zu tun haben, schien eher unwahrscheinlich.
Der Schaden selbst war binnen weniger Stunden wieder instandgesetzt. Und man lasse sich durch derlei Vorkommnisse nichts madig machen: "Die ,Alltagsmenschen’ sind sehr beliebt", betont Albrecht. Seiner Wahrnehmung nach äußerten 80 Prozent der Bevölkerung Gefallen an den Skulpturen. Kritik beschränke sich darauf, dass es sich immer um ältere und untersetzte "Alltagsmenschen" in altmodischer Kleidung handelt. "Das weiß ich auch", sagt Albrecht. Diese Optik liege schlicht und einfach daran, dass die Bildhauerin Christel Lechner mit ihren Skulpturen "ihre eigene Generation" abbilde. Frage geklärt.
Zum halbwegs guten Ende trägt auch die Art und Weise bei, wie Sinsheim die eine oder andere Skulptur ankaufen will: "Wir machen dazu eine schöne Bürgerumfrage", ließ Albrecht durchblicken. Auch in der Bevölkerung gebe es Interessenten. Die Gruppe vor der Stadthalle sei allerdings unverkäuflich.