Zwölf Künstler und talentierte junge Leute zwischen zwölf und 30 haben nach einem Street Art Contest die Unterführung am Kallebuckel verschönert. Hintere Reihe (von links): Lia Aberle, CaPe, Marcel Flühr, Luki, Lucky, Force of Nature; vordere Reihe: Paula Dell’Anna, Eliane Flaig, Laura Olbert, Gerhard Wiebe jr. und Johanna Laier. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Sinsheims alternative Kultur hat jetzt auch ganz offiziell ein erstes echtes Aushängeschild - passenderweise in einer der Unterführungen. Nach dem "Street Art Contest" der Mobilen Jugendarbeit Sinsheim, kurz "Jumo", im vergangenen Herbst, konnten sich zwölf junge Künstler und einige talentierte Jugendliche im Durchgang zwischen der Hauptstraße, dem "Kallebuckel" und dem Postgarten nach Lust und Laune verwirklichen. Jetzt fand die Vernissage statt - mit überwältigendem Zuspruch.
Die Flugblätter zur Einladung hätten auch zu einer Großstadt gepasst: viel Botschaft, moderne Schrift und Sprache, viel Weißraum, verwaschene Fotos im Polaroid-Look: "Künstler*innen" und Kreative zwischen zwölf und 30 Jahren haben der tristen Unterführung viel Atmosphäre verpasst, in verschiedenen Stilen und Techniken wie Graffiti, Schablonenkunst oder Fassadenmalerei. Eine "künstlerische Schleuse zur Innenstadt" sei entstanden, wie es heißt, im aufstrebenden Viertel zwischen dem Sanierungsgebiet Wiesental/Innenstadt-Ost, dem Postgarten mit der "alla Hopp-Anlage" und dem täglichen Weg hunderter Schüler und Passanten.
Die "erste Galerie für urbane und temporäre Kunst" im Sinsheimer Straßenraum liege inmitten städtebaulicher Veränderung. Die Gepflogenheiten des Stadtteils, die Nachbarschaft und die "gelebte Jugendbeteiligung" seien bei dem Projekt wichtig gewesen.
Tatsächlich wurde aus der Idee ein Erfolg auf ganzer Linie. Nun wird überlegt, die Bilder der Künstler, ihre Namen und Botschaften als Broschüre zu drucken. Tatsächlich gibt es in der Nachbarschaft zum Beispiel die Praxis einer Zahnärztin, auf deren Parkplätzen die Macher und Maler ihre Autos während der drei kreativen Tage parken durften. Tatsächlich waren es Tage, die die Gestalter im Alter zwischen zwölf und 30 Jahren so schnell nicht vergessen werden.
Im Jugendhaus gab’s einen Platz zum Aufwärmen, Kaffee und Tee. Immer wieder schauten Passanten zu, kamen später noch einmal vorbei, um den Fortschritt zu sehen. Der Bauhof hat die Unterführung im Vorfeld der Aktion sogar desinfizieren müssen, sagt Initiatorin Laura Olbert, Sozialarbeiterin der Jumo Sinsheim. "Spannend" - so beschreibt Oberbürgermeister Jörg Albrecht den Prozess mit Bauwagen im Wiesental und vielen Projektideen für Sinsheims Straßen. Bei der Stadt renne man "offene Türen ein".
Etliche Motive mit Botschaft und Nachdenk-Potenzial finden sich in der einst dunklen, verkritzelten, gemiedenen und nach Urin stinkenden Furt, angefangen beim theatralischen Blauwal "auf der Suche nach dem Mehr" über medien- und konsumkritische Motive bis hin zum - auf kommunalen Flächen durchaus verwegenen - spacigen Pilz, der ins Weltall schießt.
Ein weiteres Motiv spielt auf die Übermacht der Technik an, ein nächstes nimmt die bunte Konsumwelt aufs Korn. Wieder andere Bilder sind kindlich-frische Lachgesichter, Blumen und kleine Tierlein. Knapp 150 Interessierte - in allen Altersschichten und längst nicht nur Stadträte, Verwandte und Freunde der Künstler - schauten sich die Galerie an und hatten viel Spaß an Würstchen, Glühwein und Punsch im Licht einer von der Stadtverwaltung runderneuerten Beleuchtung.
Die Motive in der Unterführung dürfen sich weiterentwickeln und verändern, sagt Laura Olbert, seien als temporäre Kunst zu verstehen, "die lebt und sich verändert". Gerne würde man weitere ähnliche Projekte oder auch ganz andere starten, die Kunst auf Treppen erweitern, die zahlreichen Kaugummiflecken bunt anmalen. "Es wäre traurig, wenn es nur bei den drei Tagen bleiben würde."
Ein großer Wunsch, den Laura Olbert regelmäßig von Straßenkünstlern hört, wären freie Flächen im städtischen Raum für legales Sprühen: Beispiele sind etliche so genannte "Walls of Fame", wie es sie in Heidelberg, Manheim und so gut wie jeder Großstadt gibt. Im Kraichgau erinnern sich viele an die nicht mehr existierende Sprayer-Wand an den Pfeilern der Heilbronner Neckarbrücke - bekannte Leute der Szene haben sich dort verwirklicht.
Vieles sei denkbar, etwa an der Rückwand des Busbahnhofs in Richtung der Gleise; auch dem Duttengässchen beim Freibad würde etwas Street Art guttun: "Nicht einfach", weiß Laura Olbert, wegen der Zuständigkeiten der Bahn.
Jenes Gässchen, sagt Jörg Albrecht, sei kürzlich von städtischen Arbeitern gesäubert, gestrichen "und schon wieder beschmiert" worden. Vor den Motiven am Kallebuckel haben nächtliche Sprüher offenbar Respekt - "bislang war nichts". Einzig der wohl unvermeidliche "Hoffe"-Schriftzug wurde zusätzlich hingesprüht - auf einer frei gebliebenen Fläche. "Man war gut zu uns", lacht Laura Olbert. Der unbekannte Fußballfan hat zum Sprühen ein Silbergrau benutzt, das sich kaum vom Untergrund abhebt.