Von Tim Kegel
Sinsheim. Das Corona-Virus hat vielen sozialen Initiativen in Sinsheim den Riegel vorgeschoben. Den Tafel-Laden gibt es, wie berichtet, bis auf weiteres nicht mehr. Nächster schwerer Verlust: das beliebte Dreamcenter-Sozialkaufhaus in der Robert-Mayer-Straße. Betroffen auch: die Arbeit im Sam-Café der Sinsheimer Arbeitsgemeinschaft Migration. In beiden Einrichtungen steht nahezu alles still.
Andreas Banse hat’s versucht. Als einer der Köpfe im Sam ist er fit im Umgang mit Antragsformularen. Nach längerem Einlesen in zumindest eines der aktuellen staatlichen Hilfsprogramme sei sein Fazit zunächst "ernüchternd gewesen", sagt Banse: "Wenn du Rücklagen hast, steht dir nichts zu." Und sowohl das Dreamcenter, als auch das Sam, hätten Rücklagen gebildet. Diese seien "mager" und aufgrund laufender Kosten und komplett weggebrochener Einnahmen in absehbarer Zeit aufgebraucht. Banse und Dreamcenter-Chef Andi Kress sorgen sich nun, dass sich dann "ein Zustand einstellt, in dem staatliche Hilfen das Überleben der Einrichtungen nicht mehr sichern können". "Das nützt dir nicht mehr wirklich viel, wenn du durch bist", sagt Banse.
Aufs Entgegenkommen der jeweiligen Vermieter und anderer Partner könne man nicht hoffen: "Denen steht selbst das Wasser bis zum Hals." Am Mittwoch sprach Banse von einem neuen, einfacheren Soforthilfemodell, einem Zuschuss ohne größeren Prüfungsaufwand des Eigenkapitals. Dieses will er nun beantragen. Auch hier ist der Ausgang offen.
Die Betriebswirtschaft ist das eine, der soziale Aspekt das andere: Das Dreamcenter ist erste Anlaufstelle für Menschen mit wenig Geld, etwa wenn es um Haushaltsgeräte, Möbel, Kleidung oder Kindersachen geht. Das Kaufhaus, das mit der Sam-Initiative eng verwoben ist, funktioniert nach einem Prinzip, das in Corona-Zeiten nahezu unmöglich ist: Die Ware wird in Haushalten abgeholt oder von Privatpersonen vorbeigebracht, aufbereitet und im Laden angeboten. Allein die Abholung sei nun kaum machbar, ein Einkauf ebenso schwierig: Man biete nach wie vor einzelne Artikel online über Facebook an; ein Versuch via Ebay habe sich als aufwendiger Flop erwiesen, sagt Banse: Die Kunden wollten die Ware, die "immer gebraucht und oft sperrig" sei in Augenschein nehmen, anfassen, testen und abmessen. "Das Lager ist brechend voll", schildert Kress. "Eine defekte Waschmaschine in einem Haushalt mit geringem Einkommen" könne nun zur mittleren Katastrophe werden.
Im Umfeld der beiden Initiativen seien rund 40 Mitarbeiter und Ehrenamtliche von der Zwangspause betroffen, durch Kurzarbeit, aber auch weil sie zur Untätigkeit gezwungen sind. Etwas weniger schwer betroffen ist das Sam-Café. Die 60 Menschen aus unterschiedlichen Ländern, die es wöchentlich besuchen, seien mit dem Sam-Team "gut vernetzt", sagt Banse. Die Hilfestellungen, die man etwa bei Behördengängen leiste, könne man auch auf diesem Weg geben. Zwei Mal wöchentlich habe das Sam für Einzel-Beratungen nach Vereinbarung geöffnet. "Das geht schon", sagt Banse.
Eine große Ungewissheit drückt auf die Stimmung beider Einrichtungen: Beide finanzieren sich, wie tausende soziale Einrichtungen, überwiegend aus öffentlichen Fördermitteln. Wie diese künftig verteilt werden, sei so ungewiss, wie die Corona-Krise an sich. Für Banse heißt das: "Wir müssen unbedingt Förderanträge stellen."