Spargelernte als Familienausflug – in Helmstadt ist dies einen Versuch wert. Fotos: Christiane Barth
Von Christiane Barth
Helmstadt-Bergen. Not macht erfinderisch. Und hungrig. Die Schwierigkeiten, in Zeiten der Corona-Krise Erntehelfer nach Deutschland zu holen, lassen Landwirt Heiko Junker vom Spargelgut Wasserschluss in Helmstadt neue Wege gehen. Seit Donnerstag können sich hier die Kunden selbst bedienen, ein Messer nehmen und das Feld zum Ernten entern. Eine Waage steht bereit. Die Kasse auch. Die Währung jedoch, auf die es jetzt am meisten ankommt, heißt Vertrauen. Denn der "Deal" funktioniert nur, wenn die Kunden ehrlich sind.
Fünf Hektar Spargelfläche sollen die gesamte Saison hindurch für die Selbstbedienung zur Verfügung stehen. Mindestens. "Wenn aber die Kasse leer bleibt, müssen wir damit wieder aufhören", betont Junker.
Was bislang mit den Erdbeeren gut funktioniert hat, soll nun also auch auf das königliche Gemüse angewandt werden. Das Spargelgut wird seit vielen Jahren von Kunden aus weitem Umkreis angesteuert, die mit Körben, Tupperdosen und Eimern die Erdbeerfelder fluten und sich selbst bedienen. Bezahlt wird an einem kleinen Stand, der während der Erdbeersaison vor den Feldern aufgebaut ist. Doch der Preis für die rote Frucht wird bei einer lebensechten Verkäuferin abgewogen und bei ihr auch bezahlt. Schummeln geht nicht, vom Mundraub einmal abgesehen. Dagegen setzt Junker nun beim Spargel ganz auf Vertrauen und Ehrlichkeit.
Eine Waage für den Grünspargel steht bereit. Foto: Christiane Barth
Das Angebot gilt nur für Grünspargel. "Da kann man nicht viel falsch machen", heißt die Begründung des Landwirts. Dagegen sei die Ernte des Bleichspargels etwas komplizierter. "Wenn man da zu tief schneidet, kann man die Wurzel beschädigen." Eine Anleitung, wie beim Schneiden vorzugehen ist, hängt aus. Appelliert wird auch an Behutsamkeit und die Berücksichtigung der Erntelänge: 25 Zentimeter sind ideal. Als Werkzeuge baumeln kleine Messer am Haken. Nach vollbrachter Tat muss die Ausbeute korrekt gewogen werden. Auch dafür hat der Landwirt gesorgt: Eine Waage ganz einfacher Machart steht bereit, "in der Hoffnung, dass sie korrekt bedient wird", wie Junker sagt. Das Angebot soll kompensieren, was durch den Mangel an Hilfskräften auf der Strecke bleibt. "Es geht nicht anders."
Für die Kunden hat die Selbstbedienung durchaus Vorteile: Das Feld ist rund um die Uhr "geöffnet", Ladenschließzeiten haben hier keine Gültigkeit. Zudem sind die Stangen etwas günstiger als in vielen Läden. Je nach Erntemenge und Qualität seien Preisschwankungen möglich. Junker könne die Selbstschneidevariante günstiger anbieten, da die Kosten für die Ernte nicht einberechnet werden müssten. Er denkt auch darüber nach, weitere Felder zur Selbsternte zur Verfügung zu stellen, falls der Bedarf da ist und die Kunden das Abschneiden in gebückter Haltung nicht scheuen: "Wir passen das Angebot der Nachfrage an", plant Junker. Eine junge Familie, die sich gerade den Wochenendeinkauf auf dem Feld gesichert hat, bestätigt: Die Arbeit ist kinderleicht und schnell erledigt.
Darüber hinaus sei die neue Art des Direktvertriebs auch probates Mittel, seinen Ertrag trotz des Mangels an Hilfskräften abzusetzen. Denn die Spargelflächen wurden noch vor der Corona-Krise angelegt. Nun darf die Ernte trotz allem nicht verkümmern. Den Kunden die Selbstbedienung anzuvertrauen, könne sich als "Win-Win-Situation" erweisen, wenn die Rechnung mit der Kasse aufgeht.