Ein Sarg im Freien, die Friedhofsmitarbeiter haben sich zurückgezogen, wenige Hinterbliebene halten Abstand: In der Corona-Krise ist dies ein übliches Bild. Foto: Bestattungshaus Meny
Von Christian Beck
Sinsheim. Von einem Familienmitglied oder Freund Abschied zu nehmen, ist nie leicht. Doch in Zeiten der Corona-Krise ist es für manche besonders schwer. Um die Ansteckungsgefahr so weit wie möglich zu reduzieren, sind Bestattungen momentan nur in sehr kleinem Kreis möglich. Zudem muss auf zahlreiche Rituale verzichtet werden. Die RNZ erkundigte sich vor diesem Hintergrund bei einem Pfarrer sowie einer Fachkraft für Bestattungen, wie es möglich ist, den Hinterbliebenen trotzdem Trost zu spenden.
Maximal zehn Personen dürfen momentan bei einer Beerdigung dabei sein. Zieht man den Pfarrer ab, bleiben neun Angehörige, die sich in dem zurzeit üblichen Abstand am Sarg oder bei der Urne aufhalten dürfen. Und zwar im Freien. Und erst nachdem die Friedhofsmitarbeiter Sarg oder Urne bereits hingetragen und sich wieder zurückgezogen haben. In das Grab herabgelassen wird der Sarg oder auch die Urne erst, nachdem sich wiederum die Angehörigen zurückgezogen haben. Und viele Rituale, beispielsweise Blütenblätter, die aus einer Schale ins Grab geworfen werden, sind gerade ebenfalls nicht gestattet.
"Es ist gerade schwierig" – das sagt Stephanie Pitz, Geschäftsführerin des Bestattungshauses Meny, im Gespräch mit der RNZ immer wieder. Denn sie und ihre Kollegen verstünden sich als Dienstleister für Menschen in einer Ausnahmesituation. Doch momentan "lassen wir die Leute ungewollt mehr allein", bedauert sie. Denn es gebe schlicht viele praktische Herausforderungen. Das fange beim Treffen für ein Trauergespräch an, gehe weiter bei Blumenschmuck, der momentan nur schwer zu bestellen sei, und reiche bis hin zur Frage, wie die Bestattung im Freien gehandhabt wird, wenn das Wetter nicht mehr so mitmacht wie momentan.
Auch für Bestatter sei es momentan schwierig, an Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung zu kommen. Verglichen mit anderen Regionen sei die Lage in Sinsheim aber gerade ruhig: Um rund 20 Verstorbene und deren Angehörige kümmert sich das Bestattungshaus Meny durchschnittlich pro Monat, berichtet Pitz – auch vor der Corona-Krise. Momentan seien es eher weniger. Beim Blick nach Italien – dort transportieren Armee-Lastwagen Särge vom Krankenhaus direkt zum Friedhof – "blutet uns das Herz", sagt Pitz. "Ich hoffe und glaube, dass es bei uns nicht so schlimm wird."
Verschärft sind die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal, wenn ein Mensch am Corona-Virus verstorben ist. Bei einer Person sei dies im Bestattungshaus Meny der Fall gewesen, berichtet Pitz. Hier durfte der Leichnam nicht mehr umgezogen werden, eine Aufbahrung war ebenfalls verboten. Die Angehörigen durften den Leichnam nicht mehr sehen. "Das ist ganz schlimm für den Abschied", sagt Pitz. Sie fragt sich, zu welchen Problemen dies bei den Hinterbliebenen führen könne.
Was das Abschiednehmen anbelangt, hat auch Pfarrer Hendrik Fränkle Außergewöhnliches beobachtet: Enge Angehörige wie Brüder hätten versucht, sich aus zweieinhalb Metern Abstand am Grab der Eltern ihr Beileid auszudrücken. Er findet: "Es ist schwer, Trauer und Gemeinschaft ohne Körperkontakt auszudrücken." Und auch für Pfarrer ergeben sich gerade zusätzliche Herausforderungen: Meist beginnt eine Trauerrede mit der Biografie des Verstorbenen. Wenn aber nur die engsten Angehörigen zur Beerdigung kommen, sei dieser Teil der Rede eigentlich unnötig, berichtet Fränkle. Denn enge Angehörige wüssten dies ohnehin. Den Einstieg in die Ansprache zu finden und so eine gewisse Nähe zu den Trauernden herzustellen, sei deshalb noch schwieriger.
Trotz aller Einschränkungen hätten die Hinterbliebenen viel Verständnis für die momentanen Einschränkungen, sagen sowohl Pitz als auch Fränkle. Im Bestattungshaus versuche man, mit zusätzlichen Angeboten zu reagieren: Da nur wenige Angehörige bei der Beerdigung dabei sein können, seien Ton- oder Videoaufnahmen der Beerdigung möglich. Trauerkarten mit einem Foto der Urne könnten verschickt werden. Zudem hätten manche Hinterbliebene veranlasst, dass die Urne erst nach der Corona-Krise beigesetzt wird.
Thomas Hafner, Dekan der Seelsorgeeinheit Sinsheim-Angelbachtal, erklärt, dass die Kirche telefonische Einzelgespräche anbieten kann. "Auf jeden Fall können wir nach der Corona-Pandemie der Verstorbenen in Trauergottesdiensten gedenken", betont er. Dekanin Christiane Glöckner-Lang findet: "Wir können auch nicht alle Trauerfeiern bis nach der Krise verschieben, keiner weiß ja, wie lange das noch dauert." Dies halte sie auch für "seelsorgerlich nicht gut". Es soll aber wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt einen zentralen Trauergottesdienst geben.