Die blaue Fläche auf der Karte (links) zeigt das Gebiet unterhalb des Fuchslochrains, wo im Januar Hunderte starke Eschen gefällt werden müssen. Das Wurzelwerk ist vom Hallimasch-Pilz durchzogen, selbst stattliche Exemplare wie jenes, das Dietmar Weiland hier zeigt, fielen einfach um. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim-Dühren. Die Gegend rund um den Dührener See sieht aus wie ein aus der Zeit gefallenes Idyll. Ein von Teichen umgebenes früheres Ausflugslokal, umgeben von Fichten und Tannen, dahinter der typische Bergwald der Ortschaft. Die bei Spaziergängern beliebte Ecke wird ihr Gesicht in kürzester Zeit radikal verändern: Das Eschensterben rast durch den Baumbestand, fast alle Bäume müssen gefällt werden.
Ein Abschiedshauch liegt in der kühlen Morgenluft. Es geht hinauf durch die nassen Schluchten zum Fuchslochrain. Mächtige Bäume stehen hier, "bolzengerade, und fast so, als wären sie gesund" – Dührens stärkste Eschen, teils mit fünf Festmetern bestem Holz am einzelnen Stamm. Doch ein Axthieb ins unterste Stammholz zeigt den wahren Zustand: Morsches Material spritzt regelrecht weg; mit der bloßen Faust kann man einzelne Stellen eindrücken.
Die blaue Fläche auf der Karte (links) zeigt das Gebiet unterhalb des Fuchslochrains, wo im Januar Hunderte starke Eschen gefällt werden müssen. Das Wurzelwerk ist vom Hallimasch-Pilz durchzogen, selbst stattliche Exemplare wie jenes, das Dietmar Weiland hier zeigt, fielen einfach um. Fotos: Tim KegelSo gut wie alle Stämme hier zeigen ein ähnliches Krankheitsbild, sind am Fuß durchzogen von dem weißen, adrigen Geflecht, das schwarz und ledrig wird, wenn es älter ist. Es ist das größte Lebewesen in den heimischen Wäldern, unterirdisch wuchert es über Quadratkilometer: Der Hallimaschpilz hat sich mit Fortschreitendem Eschentriebsterben in den geschwächten Wurzeln eingenistet, und droht, sich die Stämme hinaufzufressen. Ein mittelfristiges Todesurteil: Forstrevierleiter Dietmar Weiland musste die Entscheidung "mit mehr als schwerem Herzen" treffen und den Bestand fällen, solange das Holz noch zu vermarkten ist.
Viele Stunden hat der Förster zuvor in dem entlegenen Gebiet verbracht, die Lage analysiert, und beim Markieren der kranken Eschen den Kopf geschüttelt: "Das kann doch nicht sein." Jetzt heißt es retten, was zu retten ist. Wenn er die rund 100 Jahre alten Bäume fällen muss, denkt Weiland auch an die Förstergenerationen vor ihm, die "viel Mühen in die Bestände gesteckt haben", und an den Hausgarten, in dem man "die Tomaten erntet, damit sie nicht verkommen", sobald ein Stock krank wird.
In Dühren ist nahezu der gesamte Eschenwald krank; so krank, dass vermeintlich gesund wirkende Baumriesen plötzlich umkippten und eines Morgens quer über der Schlucht lagen. Auf drei bis vier Hektar, schätzt Weiland, werden Bäume gefällt werden müssen. Riesige Holzmengen sind zu erwarten, zwischen 300 und 400 Festmeter je Hektar. "Das ist unser Tafelsilber", seufzt Weiland; "außerdem läuft das unserem nachhaltigen Hiebsatz vollkommen zuwider." Zum Vergleich: Normalerweise, schätzt Weiland, würde man sich für einen Einschlag in einem gewissen Bereich und in dieser Größenordnung mindestens acht, eher zehn Jahre Zeit lassen.
Eschenholz ist hart und dauerhaft, hell und daher im Möbelbau und für Sportgeräte gefragt. Trotzdem träfen die anfallenden Mengen auf einen schwierigen Holzmarkt, sagt Weiland, der seit 21 Jahren den Stadtwald und dessen Gefüge wie die Westentasche kennt: "Ums Geld geht es da am wenigsten", sagt er. Umfassende Schäden bei den meisten Kraichgauer Baumarten – im dritten Trockenjahr in Folge – haben das Haushaltsdefizit im Stadtwald fürs kommende Jahr auf 300.000 Euro steigen lassen.
Im Januar soll die Aktion starten. Ein radikales, riesiges Vorhaben und trotzdem von einigen wenigen Profis im Lauf weniger Tage zu erledigen. Und es wird schwierig, die Bevölkerung wird die Maßnahme deutlich spüren. Denn in dem von Gräben und Furchen durchzogenen Gelände geht es steil bergauf. Zudem gibt es nur wenige, teils weit entfernt gelegene Rückegassen, sodass es "stärkste Schlepper" mit drei Achsen und immenser Motorleistung brauchen wird. Ein solches Gefährt muss dann nicht nur Baumriesen bergen, sondern sie auch quer durchs Gelände ziehen, oft über 300 Meter. Hangaufwärts. Sorgen bereitet da auch der nasse Untergrund, sagt Weiland, weil es nach der Aktion mit ziemlicher Sicherheit wie auf einem Schlachtfeld aussehen dürfte. Auf Frost warte man sowieso schon "seit Jahren vergeblich" – trotzdem sei der Januar immer noch die fürs Ökosystem verträglichste Jahreszeit, um die Fällungen zu erledigen.
Schäden werde es zwangsläufig geben: Denn das Waldstück hinter dem Dührener See ist eigentlich ein idealer Eschenstandort und gut geeignet für Mischwald. Auch einige Buchen stehen hier, außerdem Erlen und Bergahorne. Einige der Arten haben sich in den vergangenen Jahren dort ansehnlich verjüngt; ohne Zutun der Förster, ganz so, wie man es sich eigentlich wünscht. Beim Fällen und Rücken der starken Bäume werden Teile dieser Naturverjüngungen jetzt zwangsläufig von fallenden Stämmen und groben Geländereifen zerdrückt. "Ansonsten bräuchte es einen Hubschrauber."
Das Ende der Dührener Eschen ist symptomatisch für den Stadtwald, sagt Weiland. Auch in Hilsbach und Reihen ist Ähnliches zu erwarten oder schon im Gange. Auch wenn Weiland immer mal wieder ein besonders starkes oder halbwegs gesund dastehendes Exemplar – "mit Blick zum Himmel" – zu erhalten versucht, wird die Esche binnen kürzester Zeit im Kraichgau aussterben. Und: "In zehn Jahren haben wir keine Fichten mehr."