Sinsheim-Steinsfurt. (tk) "Wie mediterran wird es bei uns?" So lautet eine Frage, die sich Förster im Stadtwald zurzeit stellen, sagt Rüdiger Keller, Revierleiter im Bezirk Sinsheim-Nord, der sich von Steinsfurt über Hoffenheim nach Eschelbach zieht. Die Arbeit am Wald von morgen sei mehr denn je ein Hantieren mit vielen Unbekannten.
Er zeigt Kartenmaterial, bei dem einem angst und bange werden könnte: die Zukunftsprognosen der Buche, der Kraichgauer Hauptbaumart. Grün steht – laienhaft ausgedrückt – für unbedenkliche, Gelb für schwierige, Braun für unhaltbare Wachstumsbedingungen, in Zeitspannen bis in die Jahre 2050, 2070 und 2100. Die Karte stammt von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, der Ausschnitt, den Keller zeigt, stellt den Kraichgau und die Rheinebene dar. Die braunen Buchenstandorte steigen exponentiell – im Jahr 2050 machen sie etwas mehr als die Hälfte aus. 2070 ist nahezu alles braun. "Das ist uns noch nicht so richtig bewusst", sagt Keller.
Treffen im strömenden Regen. "Ein Sauwetter, aber eigentlich ein gutes Wetter", sagt der Eschelbacher; wie viele seiner Kollegen mit Begeisterung Forstmann. Der Regen zeige nur allmählich Wirkung; vieles sei "anders als man es erwarten würde". Bis vor kurzem waren lediglich zehn bis zwölf Zentimeter des Bodens feucht, darunter stießen sie auf staubtrockene Erde. "Die Wege waren schmierig, die Rinnen aber trocken." Die Trockenheit hat zu gravierenden Bestandslücken geführt, zu großen Schadholzmengen, die man nutzt, bevor sie unverwertbar werden. Das alte, gutbekannte Lied im Forst, dutzendfach berichtet.
Zurzeit ist Pflanzzeit, Zehntausende junge Bäume werden seit Dezember mit Hohlspaten und Motorbohrern gesetzt. 12.500 sind es allein in Kellers Beritt; rund 1500 Nachbesserungen gab es im vergangenen Frühjahr. Trotzdem weiß Keller, dass er "nur einen Bruchteil" von dem pflanzen kann, was ausfällt – etwa 2,7 Hektar auf einer betreuten Fläche von 1000 Hektar. Also muss Keller auch die Stellen, an denen sich der Wald von selbst verjüngt, besonders im Auge behalten, Bäume fällen, die der Naturverjüngung Licht nehmen oder deren Wachstum verhindern. Und: Nicht nur dort, wo die Fichten wegfallen, setzt sich Brombeergestrüpp durch: Mehrmals im Jahr braucht es dann Einsätze mit Motorsensen.
Die passenden Bäume, die richtigen Plätze, das optimale Zusammenspiel, der gute Schutz, die richtige Behandlung – hierum geht es. Es hat was von Schachspielen: abschätzen, wie sich eine Lage, ein Bestand, ein Umfeld entwickeln wird – und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Hier lässt Keller eine Reihe Altbäume stehen, auch wenn sie Schäden haben, damit die gesunden Reihen dahinter – oder die Neupflanzungen – vor der Sonne geschützt sind, wenn der nächste lange Trockensommer kommt. Dadurch, dass "das Gerippe stehen bleibt", hofft Keller zum Beispiel, "Rindenbrand verhindern zu können". Am Steinsfurter Hettenberg oder im Galluseck bei Ehrstädt gibt es solche "großen Mengen mit stehendem Totholz".
Dort wiederum lässt Keller Dutzende Fichten fällen, die vom Borkenkäfer beschädigt sind oder denen in Süddeutschland keine gute Zukunft beschieden ist. Und stockt die kahle Fläche neu auf, oft mit Eichen. Oder einem Mix aus Traubeneiche, Elsbeere oder Hainbuche; an besseren Standorten auch Spitzahorn, Kirsche und Winterlinde. Viele der Flächen werden komplett umzäunt, bis die Jungbäume den Rehen "aus dem Äser gewachsen" sind. Der Förster hat eine faszinierende Beobachtung gemacht, nämlich, dass Rehwild "am liebsten Arten frisst, die selten sind".
Die Neupflanzungen sind trotzdem oft heimische Arten: "Wir wissen, dass es wärmer wird", räumt Keller zwar ein, "Aber wie schnell wird es mediterran? Und wird’s überhaupt mediterran?" Anders als die "alten Förster"-Generationen, könne man kaum mehr in 100-Jahres-Schritten planen, weil man nicht einmal wisse, "wie die Pflanzen in 50 Jahren klarkommen". Bei den oft gepriesenen Mittelmeer-Arten sorgt Keller etwa deren Frostempfindlichkeit. Fremdländische Flora und Fauna berge auch das Risiko "neuer Pilze und Krankheiten, mit denen heimische Arten vielleicht nicht zurecht kommen".
Dass man dann den Wald sich selbst überlassen könnte, nach dem Motto "Die Natur wird es schon regeln", weiß auch Keller. Dann würde er entgegnen: "Ja, aber die Natur braucht Zeit."
Kellers Arbeitsplatz im Wald zeigt ihm vieles eindrücklich, etwa dass er spürt, wie der in früheren Sommern oft kühlende Wald "deutlich wärmer geworden" sei. Man müsse sich auch von dem Gedanken verabschieden, dass man vom Wald monetäre Profite erwarte. Zwar brauche man Holz als nachhaltigen Rohstoff. Die Funktion des Walds als Wasserspeicher und Sauerstofflieferant sei der weit bedeutendere Effekt, ist Keller der Ansicht. Nicht nur, weil er zwei Kinder hat.