Verhangener Himmel über Sinsheim: Corona-bedingt kommt es zu einem deutlichen Rückgang bei den Gewerbesteuer- und Einkommensteuereinnahmen. Die Spielräume für große Projekte werden deutlich kleiner. Foto: Tim Kegel
Von Christian Beck
Sinsheim. Die Zahl der Corona-Infizierten im Rhein-Neckar-Kreis steigt. Und die Aussichten werden schlechter: Dem städtischen Haushalt fehlen Millionen Euro, sagt Oberbürgermeister Jörg Albrecht. Dass große Projekte geschoben oder gestrichen werden müssen, gilt als wahrscheinlich. Doch der wohl stark verschlankte Haushalt kann offenbar ohnehin nicht in diesem Jahr verabschiedet werden. Denn der Gemeinderat wollte im Rahmen einer Klausurtagung an diesem Freitag ausführlich darüber beraten. Diese wurde am Donnerstag abgesagt – um Vorbildfunktion auszuüben, heißt es aus dem Rathaus.
Realschule-Sanierung, Neubau des Feuerwehrgerätehauses: Dies sind nur zwei Projekte von vielen. Beide kosten mehrere Millionen Euro. Und beide Vorhaben wurden schon einmal verschoben. Ob das ein weiteres Mal der Fall sein wird, muss der Gemeinderat entscheiden. Doch die Spielräume werden wohl deutlich kleiner. Für diese und für weitere Vorhaben. Denn die Finanzlage ist laut OB "katastrophal", die Rückgänge bei der Gewerbe- und Einkommenssteuer enorm. "Und ich glaube nicht, dass sich die Lage schnell bessert", fügt Albrecht hinzu. So werde sich der Faktor Kurzarbeitergeld wohl erst im kommenden Jahr so richtig bemerkbar machen. Die finanziell besonders kritische Phase sieht der OB für das Jahr 2022/23.
Der Gürtel muss also enger geschnallt werden. Doch wo? Eine Prioritätenliste gibt es laut Albrecht nicht. Beachtet würden aber Aspekte wie: Gibt es Zuschüsse? Läuft ein Sanierungsgebiet aus? Wie weit sind die Planungen? Über welchen Zeitraum erstreckt sich das Projekt? Und wie viele Emotionen stecken in einem Vorhaben? Mithilfe dieser und weiterer Kriterien soll "ein breiter Konsens" im Gemeinderat geschaffen werden, wofür das Geld, das noch bleibt, ausgegeben wird. Doch Enttäuschungen werde es auf jeden Fall geben.
Dass der Gemeinderat am kommenden Dienstag zusammenkommt, gilt, Stand Donnerstagabend, als wahrscheinlich. Denn das Gremium sei wichtig für die Aufrechterhaltung der Betriebsabläufe. Doch mittlerweile scheint man an einem Punkt angekommen zu sein, an dem wieder vieles hinterfragt wird. Die Verwaltungsspitze in Form von sämtlichen Amtsleitern wäre komplett bei der Klausurtagung vertreten gewesen – zu gefährlich, sagt Albrecht. Bei einer Erkrankung wäre das Rathaus lahmgelegt. Und der OB legt Wert darauf, dass ein städtischen Treffen nicht dazu beiträgt, dass sich noch mehr Leute anstecken.
Wie es bezüglich der Corona-Erkrankungszahl in und rund um Sinsheim weitergeht, wird täglich neu diskutiert. Der Krisenstab, dem auch Klinikleitung, Polizei, Feuerwehr und spezifische Experten angehören, tagt mehrmals pro Woche. Dass Großveranstaltungen nicht wie geplant stattfinden können, sei möglich. Denn Albrecht geht stark davon aus, dass der Wert von 35 Infizierten auf 100.000 Einwohner in Kürze überschritten wird. Dass dann auch hier strengere Regeln gelten, "schließe ich nicht aus", sagt Albrecht.
Doch wie geht es weiter? Neben der Sorge vor einer Erkrankung geht es bei einigen Gewerbetreibenden schlicht um die Existenz. Nach der Schließung im Frühjahr und finanziellen Einbußen in den zurückliegenden Monaten sehnen viele Besserung herbei und fürchten doch, dass das öffentliche Leben erneut heruntergefahren wird. Doch Albrecht glaubt: "Dass es einen Lockdown in diesem Ausmaß gibt, glaube ich nicht mehr." Er appelliert, die Vorgaben einzuhalten, auch im privaten Bereich, beispielsweise bei Feiern: "Wir müssen uns alle bemühen, dass es nicht soweit kommt."