Auch der Corona-Pandemie wegen geht es mit der digitalen Transformation im Kraichgau eher schleppend voran. Wolfgang Binder will das mit dem Netzwerk „Sinsheim digital“ ändern. Foto: Alexander Becker
Sinsheim. (abc) Digitalisierung ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Das gilt auch regional: Hier will das Netzwerk "Sinsheim digital" Entwicklungen vorantreiben. Hinter dem Projekt steht der Innovations- und Technologiemanager der Firma "Binder Elektronik", Wolfgang Binder. Der 73-Jährige möchte den Menschen im Kraichgau die Vorzüge der Digitalisierung näher bringen.
Initialzündung war ihm zufolge ein Spruch, den Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2015 ausgegeben hatte: "Das Gold der Zukunft sind die Daten." Nach einer Tagung zum Thema "Industrie 4.0" bei der Firma "Fischer Werkzeugbau" organisierte der damalige CDU-Vorsitzende erste Treffen in Sinsheim zum gegenseitigen Austausch. "Der Anfang war schwierig", berichtet Binder. Er bedauert, dass der Wandel zur Digitalisierung vor Ort anfangs sehr skeptisch betrachtet worden sei. "Auch heute noch wird das Ganze in Sinsheim teils mit kritischem Auge gesehen. Veränderung bedeutet für viele Menschen immer noch Verschlechterung", bedauert der Unternehmer. Dabei soll die Digitalisierung helfen, das Leben der Menschen komfortabler, sicherer und nachhaltiger zu machen und sie auf dem digitalen Weg in die Zukunft mitnehmen.
Genau das wollte und will Binder im Netzwerk "Sinsheim digital" vermitteln. Verhindert hat das bislang die Corona-Krise: "Schon zweimal musste die Auftaktveranstaltung verschoben werden", bedauert der Initiator die momentane Situation, in der aber immer mehr Menschen die Vorteile schneller Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen digitaler und analoger Welt schätzen lernen. Essen bestellen, weil die Restaurants geschlossen sind, sich krankschreiben lassen, ohne vorher zum Arzt zu müssen, Daten übermitteln, ohne sie vorher auszudrucken, soziale Kontakte virtuell im Netz pflegen, im Homeoffice arbeiten, digitales Homeschooling – all das ist möglich.
Die Leistungsfähigkeit digitaler Prozesse hängt allerdings von der Schnelligkeit der verfügbaren Internetverbindung ab. "Die Glasfaserversorgung hier ist gut, die Infrastruktur für die Digitalisierung steht schon größtenteils", lobt Binder. Allerdings gebe es nach wie vor keine echte Digitalisierungs-Strategie. Doch genau die soll im Netzwerk "Sinsheim digital" gemeinsam erarbeitet werden. "Auch die Mitbürger der Ortsteile müssen mitgenommen werden, nicht nur in der Kernstadt", lautet eine von Binders Forderungen.
Für die flächendeckende Digitalisierung über die kommunale Ebene hinaus müsse allerdings die Politik die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. "Seit 1995 habe ich beruflich viele Forschungsprojekte begleitet und möchte in das Netzwerk ,Sinsheim digital‘ nicht nur dementsprechende Erfahrung einbringen, sondern auch der Gesellschaft dazu etwas zurückgeben", erzählt Binder. Digitalisierung brauche zunächst einmal soziales und kulturelles Vertrauen: Die Menschen müssten davon überzeugt sein, dass sie ihnen Vorteile bringe.
"Das Ziel ist, eine hybride Welt zu schaffen, in der sich das Analoge und das Digitale optimal ergänzen", blickt Binder in die Zukunft. Konkret bedeutet dies, dass die Digitalisierung auf lange Sicht auch den direkten Kontakt der Menschen untereinander optimieren oder auf neuen Wegen ermöglichen soll. "Dazu braucht es digitale Plattformen, gerade auch auf regionaler Ebene", betont Binder. "Das Land Baden-Württemberg hat bereits so etwas geschaffen. Sinsheim muss es nur noch viel stärker nutzen." Dazu führt er auch Gespräche mit Vertretern aus dem Sinsheimer Rathaus, um in Kooperation einen gemeinsamen Weg in die digitale Zukunft zu finden. Die digitale Teilhabe der Sinsheimer wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Sobald die Corona-Pandemie eingedämmt ist, soll endlich auch die Auftaktveranstaltung des Netzwerks "Sinsheim digital" als Präsenzveranstaltung stattfinden.