„Riesengroßer Apparat aufgebaut“: Verlassene Geräte stehen in einem Sinsheimer Fitnessstudio. Foto: Christiane Barth
Von Christiane Barth
Sinsheim. Sie sorgen für Fitness, doch wirtschaftlich sind die Sportstudios zurzeit alles andere als fit. Seit 2. November vergangenen Jahres haben sie geschlossen, wann sie öffnen dürfen, steht in den Sternen. Januar und Februar sind für die Betreiber die wichtigsten Monate, da sie die meisten Verträge einbringen. Zu den zahlreichen Kündigungen wegen des Lockdown drückt der Verlust des Neukundengeschäfts auf die Kassen.
30 Prozent Verluste: Mit dieser Zahl beziffert Jens Wallat, Geschäftsführer des "Venice Beach" den Schaden. Die Kette ist an 33 Standorten vertreten, zwei Mal in Sinsheim, und hat insgesamt rund 5000 Mitglieder. Er bekennt: "In Schieflage sind wir auf jeden Fall", trotzdem werde man "das Ganze überleben".
Das größte Problem sei das fehlende Neukundengeschäft. "Daher schmelzen wir gerade ab", sagt Wallat. Das "Venice Beach" ist Teil der Unternehmensgruppe Pfitzenmeier, die als Muttergesellschaft gerade eine Mail an ihre Mitglieder versandt hat, um zur Situation Stellung zu nehmen. Bemängelt wird, dass die Studios trotz kostspieliger Hygienekonzepte schließen mussten und von den versprochenen staatlichen Leistungen der Bundesregierung bislang noch nichts eingegangen sei. "Wir fühlen uns im Stich gelassen", heißt es in dem Schreiben.
Wallat glaubt nicht, dass die Studios im März wieder öffnen dürfen. Er rechne optimistisch mit April, realistisch sei jedoch Mai: "Doch dann fehlen uns 30 Prozent von den Mitgliedern." Wallat, der die Kette vor 15 Jahren mitgegründet hat, erklärt das Problem: "Wir sind mit dem Markt gewachsen, haben einen riesengroßen Apparat aufgebaut – und von heute auf morgen stagniert alles." Wenn wieder geöffnet werden darf, seien die Kosten die gleichen wie vor einem Jahr. Es beginne dann eine Aufholjagd, die wohl zwei bis drei Jahre dauern werde. Die Unternehmensgruppe hofft nun darauf, die Krise mit den Mitgliedern durchzustehen; gewähre Zeitgutschriften und hänge die verlorenen Monate an die Verträge an: "Kein Beitrag geht verloren."
Camilla Schöller aus Sinsheim, seit vielen Jahren eifrige Nutzerin der Sportanlage in der Lilienthalstraße, zahlt ihre Beiträge weiterhin. "Wenn jetzt jeder kündigt, gibt es vielleicht bald kein Studio mehr in Sinsheim." Um fit zu bleiben, trainiert die 58-Jährige zu Hause mit eigenen Geräten. Ihre Ausdauer fördert sie im Wald. Auch Judith Falkner kann zu Hause trainieren, dennoch sagt sie: "Uns fehlen die Freunde und Bekannten im Studio und vor allem die Sauna." Erschwerend komme hinzu, dass sich jetzt viele Menschen im Homeoffice Probleme im Nacken-Schultern-Bereich zuzögen. Den Vertrag hat sie nicht stillgelegt: "Wir halten die Treue." Christoph Leonhardt lässt seinen Vertrag ruhen, ist aber der Meinung, dass die Fitnessbranche "in die Kategorie systemrelevanter Berufe" gehört: "Es ist kontraproduktiv gegenüber unserer Gesundheit, wenn die Studios geschlossen sind."
Während man im November noch auf Kurzarbeit verzichtet habe, sei dieses Instrument zur Krisenbewältigung inzwischen wichtig, heißt es im Venice Beach. Damit Staatshilfen bewilligt werden, müsse das Unternehmen alle möglichen Sparmaßnahmen umsetzen, sagt Wallat. Mitarbeiter, die durch die Kurzarbeit jedoch existenziell bedroht wären, dürften weiter bei regulärer Arbeitszeit bleiben.
Auch im Gesundheitszentrum Reha-Med ist das Neukundengeschäft auf null: Zwar hat das Studio Einnahmen, da es mit der Physiotherapie auch medizinische Leistungen anbietet. Den Mitgliedern sei man beim ersten Lockdown mit einer Zeitgutschrift zum Verschenken entgegengekommen, berichtet Geschäftsführer David Dellameilleure.
Beim zweiten Lockdown habe man die Beitragszahlung ausgesetzt: "Das ist wirtschaftlich zwar extrem schwierig, wir finanzieren den geschlossenen Studiobereich aber über die Physiotherapie mit." Dellameilleure bedauert ebenfalls, dass von den versprochenen staatlichen Hilfen bislang noch kein Cent angekommen sei. Den Verlust am Gesamtvolumen seines Unternehmens beziffert Dellameilleure auf etwa 30 bis 35 Prozent. Den wirtschaftlichen Schaden müsse man nun durch Darlehen ausgleichen: "Wenn sich der Lockdown noch ein paar Monate hinziehen sollte, dann wird es eng, zumal, wenn die Staatshilfen nicht kommen sollten."