Von Christiane Barth
Sinsheim. Corona-Verordnungen ändern sich schnell. Oft herrscht Verunsicherung, was eigentlich erlaubt ist. Eine knappe Handvoll Einzelhändler in Sinsheim und Steinsfurt dürfen zurzeit ihr Geschäft unter Auflagen öffnen. Ordnungsamtsleiter Werner Schleifer spricht von Anrufen aus dem Handel, die "Hilferufcharakter gehabt" hätten. Die Verwaltung sei hier bereit, auf Basis der Verordnung nach "individuellen Lösungen" zu suchen.
"Wir dürfen öffnen für Kinder bis drei Jahre" steht auf dem Schild vor einem Kinderschuhgeschäft an der Ecke Hauptstraße/Ziegelgasse. In anderen Geschäften ist von großer Verunsicherung die Rede. Unklar ist vielen Ladenbetreibern, was erlaubt ist und was nicht. Einige, die nicht offen haben, vermissen Gleichbehandlung. Wieder andere sehen das "große Ganze" und den "Silberstreif" am Horizont, wenn wenigstens Kollegen in der Innenstadt offen haben.
"Momentan ist wieder alles im Fluss", sagt Oberbürgermeister Jörg Albrecht, er bekomme "manchmal nachts um 1 Uhr Verordnungen zugeschickt", die morgens gelten würden. Zuständig für den Einzelhandel ist das Ordnungsamt. Annika Eisele und Werner Schleifer verraten Genaueres: Jene Corona-Verordnung, die seit Mitte Dezember in Kraft ist, besagt, dass "Produkte des täglichen Bedarfs" verkauft werden dürfen. Dies betrifft Lebensmittelläden, Wochenmärkte, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz- und Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Poststellen, Reinigungen, Waschsalons, Zeitungskioske, Tierbedarfsläden und Futtermittelmärkte. Und Hundefriseure – richtig gehört: Spezielle Hunderassen sind auf fachkundige Fellpflege angewiesen.
Seit 11. Januar dürfen vorbestellte Produkte in den Geschäften abgeholt werden – wie man hört mit mäßigem Zuspruch. Handwerksbetriebe, die keine "körpernahen" Dienstleistungen anbieten, dürfen ihrer Arbeit nachgehen. Öffnen können auch Geschäfte mit einem Mischsortiment, sofern sie mindestens 60 Prozent Produkte des täglichen Bedarfs anbieten. Um diese Regelung umzusetzen, hätten einige Geschäfte "aktiv Umbauarbeiten erledigt und Sortimente neu aufgestellt", um wieder mehr Umsatz machen zu können, wie Schleifer schildert. Sollte die Palette an Produkten des täglichen Bedarfs kleiner als 60 Prozent sein, müsse deren Bereich vom Rest "klar abgegrenzt" werden. Überwiege diese Ware mit mehr als 60 Prozent, könnten Geschäfte unter Hygiene-Auflagen öffnen, dürften aber Produkte außerhalb dieser Kategorie nicht verkaufen. Die Regel gilt im ganzen Landkreis.
Kurz nach den Lockdown-Verschärfungen seien die Rufe aus dem Einzelhandel nach einer zumindest teilweisen Öffnung lauter geworden: Es handele sich um "Einzelfallgeschichten" und man müsse jedes Geschäft genau prüfen. "Wir hatten etwa sechs Fälle, die wir im Detail untersucht haben", sagt Schleifer. Der Ordnungsamtsleiter spricht von "heißen Eisen", die man nun genauer unter die Lupe haben nehmen müssen. "Wir prüfen dann vor Ort, ob das alles auch so passt", erklärt Schleifer.
Nicht alles wirkt auf Kunden logisch, was allerdings der Verordnung geschuldet ist – und den Spielräumen, die sie zulässt: So darf eine Fachmarkt-Filiale für Kinderschuhe öffnen, ein Laden für Kindermode bleibt zunächst geschlossen. Große Drogerieketten bieten, neben Windeln und Waschmittel, auch Luxus-Körpercremes und Parfum an – während die Parfümerie Werner zurzeit nur online existiert.
Es können aber durchaus auch Vorteile für die "Kleinen" entstehen, wie der Fall bei Klaus und Helga Burkhardt vom gleichnamigen Fotohaus zeigt: Passfotos und ähnliche Auftragsarbeiten zählen zum täglichen Bedarf; zudem ist das Ladengeschäft Mitglied bei der Industrie- und Handelskammer, das Fotostudio jedoch Mitglied der Handwerkskammer. Weil letzterer Geschäftsbereich überwiegt, können sie öffnen. So wollen es die Corona-Bestimmungen. Die Öffnungszeiten sind allerdings begrenzt. Aber: "Es ist ja nicht viel los", sagt Klaus Burkhardt.
Bücher zählen nicht zu den Produkten des täglichen Bedarfs. Petra Fuchs vom Bücherland ist täglich von 10 bis 13 Uhr für Kunden da, sofern diese vorbestellte Ware abholen. Gezahlt wird am Ausgabeschalter. Wählt der Kunde Kartenzahlung, darf er den Laden kurz betreten. Umschauen darf er sich nicht. Fuchs überlegt, wie sie die vielen Jahreskalender an den Mann bringen soll: Ob es erlaubt ist, diese in einem Gitterkorb vor die Tür zu stellen? Fuchs weiß es nicht, weil sich keine Menschentrauben bilden dürfen. Verunsicherung.
"Click and Collect" in streng kontrollierten Zeitfenstern auch in der Buchhandlung Doll. Wäre das Zeitschriftensortiment größer, dürfte Chef Klaus Gaude öffnen. In seiner Funktion als Vorsitzender des Arbeitskreises Handel meint er auch: "Unbefriedigend" sei, wenn etwa Drogeriemärkte beispielsweise Spielwaren verkaufen dürften und ein kleineres Geschäft, das dieses Sortiment auch führt, jedoch keine Produkte des täglichen Bedarfes, keine Spielwaren verkaufen darf. Gaude erklärt nun, Ladenbetreiber müssten jetzt eine konkrete Anfrage ans Ordnungsamt und Gewerbeamt richten, dann werde im Einzelfall geprüft, ob und wie der Laden derzeit betrieben werden darf.