Hatte zwei Rathaus-Reiniger als Anschauungsobjekte mitgebracht: Sinsheims Baudezernent Tobias Schutz (Mitte) zeigte beim Tagesordnungspunkt im Gemeinderat Unterhalterqualitäten. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. "Reinigungsritual" ist ein Wort, das Jahr für Jahr ausgerechnet im Gemeinderat der Großen Kreisstadt Sinsheim eine neue Bedeutung bekommt. Immer dann, wenn die Stadtverwaltung Seifen, Reiniger und Tücher im großen Stil bestellt, ist es gute Sitte, dass der Tagesordnungspunkt besonders tiefenrein aufbereitet wird.
Keiner kann das im Moment besser als Baudezernent Tobias Schutz. Er hat sich in über zehn Jahren in der Wilhelmstraße 14 zu so etwas, wie einem Allzweckreiniger der Stadt entwickelt. Lupenrein formuliert er selbst über Zusammenhänge aus den staubigsten Ecken der Verwaltung – bis in die letzte Pore mit Sofortglanz, ohne Waschmaschinenbeispiele.
Auch am Dienstagabend musste er wieder ran. Ein wahrer "Meister Proper" im Dezernat 2 – und studierter Architekt – der von sich selbst sagt, dass er deshalb immer für die Präsentation auserkoren werde, weil er "daheim in der Küche" abwäscht. Toilettenpapier-Verbrauche waren schon Themen seiner blitzsauberen Betrachtungen. Dieses Mal ging es – wer hätt’s erraten? – um Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
Rund 112.000 Euro gibt die Stadt allein für Reinigungsmittel aus. Tendenz steigend. Eine Summe, die sich gewaschen hat. Sieben Firmen hätten bei der Ausschreibung der Stadt mit gerührt, doch nur eine habe ein Angebot abgegeben, ließ Schutz wissen. Der Markt der professionellen Reinigung habe sich in all den Jahren wohl "selbst geklärt", und nur die Saubersten der Branche habe der Wettbewerb nicht hinweggespült. "Es gibt nicht viele Anbieter." Den Zuschlag bekam ein Lieferant aus Bruchsal.
Im Schleudergang ging’s durch die Posten: Rund 110 Personen – eingedampft auf "knapp 60 Vollzeitstellen" – kümmerten sich ums Sauberhalten der städtischen Immobilien. Die meiste Zeit mit Reinemachen werde in Bädern und Kindergärten verbracht; am wenigsten Schrubben müsse man in mancher Leichenhalle. Der Frauenanteil in diesen Jobs sei immer noch hoch, sagt Schutz, inzwischen verwässert von "einem steigenden Prozentsatz an Männern".
Immer ähnlich: der Schulungsaufwand. Tatsächlich werde "der Umgang mit diesen Mitteln" dem Personal in jährlichen Schulungen eingetrichtert. Schnell sei sonst das eine oder andere über- oder unterdosiert. Die genauen Mischungen müsse man sich merken, denn: "Zu dick aufgetragene Tenside werden klebrig", was sich in den Vergangenen Jahren herauskristallisiert habe. Ganz zu schweigen von drohenden Gefahren eines Säure-Lauge-Mix.
"Weniger Chemie" sei das Credo insgesamt. Das diene dem Umwelt-, aber auch dem Arbeitsschutz. Schutz stellte zwei Produkte des Herstellers "Ecolab" auf den Ratstisch, die seien kennzeichnungsfrei "ohne die Warnhinweise mit toten Fischen und verätzten Fingern", kämen aber durchaus an Produkte mit "blauem Umweltengel heran".
Alles Gold, was glänzt, sei hier aber auch nicht: Inzwischen achte man im Rathaus "auf Recyclingmaterial bei Kannen und Kanistern" und überlege sich zwei- oder gar dreimal, ob nun "zwei- oder dreilagiges Toilettenpapier" angeschafft wird.
Ganz kritisch ist offenbar auch Mikrofaser. Wie Eingaben von Grünen-Rätin Anja Fürstenberger in der Sitzung zeigten, gibt es inzwischen Kommunen, die ihre Kläranlagen deswegen um eine vierte Reinigungsstufe aufrüsten. Während Sinsheim gerade an der Dritten baut.
Schutz setzt aufs Effizienzprogramm, denn bei aller Liebe müsse Gebäudereinigung auch rentabel bleiben. Man baue schließlich "jetzt schon auf Recycling-Baumwolle" beim Putztuch. Essigreiniger und das Zweilagige auf dem Lokus könnten in der Summe "einen Anstieg der Personalkosten bedeuten", weil Putzen dann länger dauert. 28 Millionen Euro insgesamt kosten die städtischen Mitarbeiter jetzt schon.
Und wie so oft geht es auch um das, was hinten rauskommt: "An Schulen", wusch Schutz dem Gremium den Kopf, überlege man gar den Kauf "selbstreinigender Toiletten".
Denn von der Sonderschule bis zur gymnasialen Oberstufe und selbst an der Gemeinschaftsschule beobachte man in Sinsheim nämlich, dass die Jugend hinterher "immer weniger spült". Kuschelweich endete der Tagesordnungspunkt dennoch: Einstimmig wurde der Reinigungsmittel-Kauf beschlossen.