Ein besonderes Einkaufserlebnis, für manche ein Stück Heimat: Kandeepan Selliah (40) bietet in seinem Laden in der Sinsheimer Pfarrgasse 3, wenige Meter vom Alten Rathaus entfernt, Lebensmittel aus Asien und Afrika in riesiger Vielfalt an. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Der kleine Laden in der Pfarrgasse ist eine Art ewiger Geheimtipp in Sinsheim. Schon bevor Kandeepan Selliah die Geschäfte übernahm, kauften einige wenige Sinsheimer hier ihren Reis, Fischsoße, Agarbatti-Räucherstäbchen oder Gewürze. Der Laden war bei Afrikanern beliebt, die hier Yams-Wurzeln bekamen und Geldtransfers machen konnten, Menschen aus Nahost kauften Tee und für Auslandsgespräche besonders geeignete Handykarten.
Trotzdem dümpelte das Geschäft über die Jahre einigermaßen vor sich hin, kaltes Neonlicht, pudriger Patchouli-Geruch, in der Ecke blinkten Buddha-Lämpchen. Bis Selliah kam und den Ort zum Asia-Laden mit Weltstadtauswahl machte: Fischsoße in verschiedenen Stärke- und Fermentationsgraden. Soja- und Chilisoßen diverser Provenienzen. Gewürze und Curry-Pasten – etwa die vom indisch-englischen Hersteller Patak – außerdem frische Okra-Schoten, diverse namenlose Gurken-, Auberginen- und Kürbisfrüchte. Stolz ist Selliah auf seine Auswahl mit tiefgekühltem Fisch, Tigermakrelen oder verschiedene Knorpelfische, Schwert- und Weißer Thunfisch. Oder auf seine Getränke: Aloe-Saft, Mango-Drinks mit Mark von Pitahaya-Früchten, das obligatorische "Kingfisher"-Bier oder "M150", Südasiens beliebtesten Energy-Drink. Und wenn er durchzählt, dann kommt er auf "über 1200 Artikel", darunter allein "32 Sorten Reis".
Spezialitäten sind in Palmblätter gewickelte Hackfrüchte aus Afrika, besondere Brühen aber auch "Dhoop"- und "Nag Champa"-Räucherwerk, Neem-Öl für die Haarpflege, das besonders starke "Vick’s Vapo Rub" zum Einreiben aus dem Arzneiwerk in Gujarat oder die fast legendäre "Mysore Sandal"-Seife, die weltweit Letzte, in der noch ausschließlich echtes Sandelholz-Öl aus dem indischen Staatsbetrieb verwendet wird.
Ein Foto mit Spitzenkoch Tristan Brandt erinnert an die Zeit im „Opus V“. Foto: privatEinige dieser Produkte, die man auch auf dem europäischen Markt kennt und die es seit den 1960er-Jahren gibt, haben in den afrikanischen oder asiatischen Niederlassungen der Weltfirmen ihren ursprünglichen Charakter besser behalten – wie etwa die winzigen Brühwürfel, die "Cubes", aus dem "Maggi"-Werk an der Elfenbeinküste.
Auch in Frankfurt, Paris oder New York wäre der enge, mit bunter Fremdheit vollgepackte Schlauch nicht falsch aufgehoben. Von dort kennt man das. Von Sinsheim nicht. Inzwischen entwickelt sich das Geschäft im ehemaligen "Samen-Eiermann" zu den angesagten Adressen bei Hobbyköchen und Leuten, die das Besondere suchen. Einer der Orte, an denen das internationale Sinsheim am Schönsten ist und perfekt klappt. "Es kommen immer mehr Kunden", freut sich der 40-Jährige, der oft mit seiner Frau hinter der Kasse steht.
Darunter sind immer mehr Sinsheimer, Deutsche, die den Markt auch wegen seines musealen Charakters schätzen. Ein junger Thailänder und sein Sohn kaufen unterdessen paketweise Mie-Nudeln mit Sauerkohl-Geschmack, "bei uns ein beliebtes Frühstück". Zwei Damen aus den Philippinen holen päckchenweise rote Chilischoten und Zitronengrasstängel ab. Eine junge Frau aus dem Iran tauscht einen traditionellen Tontopf um. Auch Bambuskocher und Gas-Campingöfen bietet Selliah an. Der Thailänder verabschiedet sich schließlich mit einem "Frohes Fescht" im "Sound" des Kraichgaus.
Selliah wusste, was er wollte, als er den versteckten Laden im tiefen Unterbauch der Sinsheimer Innenstadt vor etwa einem Jahr übernahm. Er schaute sich die Region genau an, suchte nach Vergleichbarem und fand heraus, dass es in dem Landstrich "zwischen Wiesloch, Odenwald und auch in Heilbronn"das nicht gab, was er vor hatte. Gleichzeitig fand er in Sinsheim ein gut eingeführtes, wenn auch eher mäßig laufendes Geschäft und wurde sich mit den Betreibern, ebenfalls aus Sri Lanka, schnell einig.
Die Mitbewerber sieht er "in Heidelberg, Stuttgart, Mannheim". Dies auch, weil er mit seinem "TN Golden Asian Afro Foods & Drinks" mehr sein wollte als ein Asia-Laden: Sri Lanka, seine Heimat, Indien, Süd- und Ostasien bis China, den arabischen Raum und Afrika wollte er abdecken und "immer besser werden". Speziell afrikanische Lebensmittel würden stärker nachgefragt, sagt Selliah. Das Sortiment will er ausbauen, und auch für Japan ist er offen. Dass er Kunden hat, die aus einem 60-Kilometer-Umkreis zu ihm kommen, führt Selliah darauf zurück, dass er versucht, "immer ein bisschen günstiger zu sein".
Nur beiläufig erfährt man, wie Selliah sein Handwerkszeug erlernt und seine guten Kontakte aufgebaut hat. Nach dem Abitur in Sri Lanka zog es ihn in die Welt, schildert er in einer Mischung aus Deutsch und Englisch. Wesentlich geprägt habe ihn die Zeit "in Mannheim", sagt er. "Bei Engelhorn. Opus V."
Jetzt fällt der Groschen: Das Restaurant hoch über den Quadraten gilt als eine der besten Adressen in Süddeutschland. Unter Küchenchef Tristan Brandt erreichte es Weltruf, bevor Brandt nach Heidelberg weiterzog. Selliah war Barkeeper im "Opus" mit dessen moderner, asiatisch-europäischer Ausrichtung. Ein Foto zeigt ihn, als er damals zum Mitarbeiter des Jahres ausgezeichnet wurde.