Mack mit einem der letzten „Sinsemer“. Foto: C.Barth
Sinsheim-Dühren. (cba) Ist jetzt Hopfen und Malz völlig verloren? Das Heimattage-Bier wurde mit viel Liebe und Kreativität gebraut, gekostet – und dann größtenteils weggeschüttet. Träume sind Schäume, hieß es mit der Absage der Landesveranstaltung.
Die Macher des Festbiers sind enttäuscht über den Flop, der eigentlich top war. Doch die Heimattage wurden zum Großteil gestrichen, das gute "Sinsemer 2020", das eigens für die Großveranstaltung im Braukessel auf die zahlreichen Feste hinreifte, ist nicht ewig haltbar. Der Inhalt von rund 700 Fässern traf nie auf viele durstige Kehlen gleichzeitig. Michael Mack, Chef der "Heidelberger Braukunst" teilt das Schicksal so gut wie aller Brauer im Land, denen die Feste und die Abnehmer in der Gastronomie sprichwörtlich den Hahn abdrehen.
Schmerzlich, auch für die 14 "Braumeister", die – außer einem von ihnen – nicht vom Fach waren und am Projekt mit viel Hingabe getüftelt haben. Dass der Trunk – entstanden aus einem bei gemeinsamen Treffen ersonnenen und schließlich feierlich angesetzten Sud, doch am Ende so derart wenig gewürdigt – ein trauriges Ende durch den Ausguss nahm, stimmt die Marken-Macher traurig. Doch etwas viel Wichtigeres sei beim gemeinsamen kulinarischen Abenteuer eben auch entstanden: Eine tiefe Freundschaft, die nicht nur von Bierdeckeln zusammengehalten wird.
Die Sorte? "Spezieller geht es gar nicht", sagt Geschäftsführer Mack, ein waschechter Dührener. Auch er bedauert den herben Verlust des hellen Bieres, gebraut mit einem ganz speziellen Hopfen, nämlich einem, den das Spechbacher Unternehmen "Eisemann" bereitgestellt hatte.
Mack erinnert sich an den Entstehungsprozess des "Sinsemer": Beworben hat Mack sich bei der Stadt damals für die Ausstattung der Heimattage mit Flüssigem, zunächst nur um die Bierlieferung mit den bereits vorhandenen Produkten. Mack selbst habe jedoch plötzlich die Idee gehabt, ein tatsächlich besonderes Festbier zu erschaffen. Es wurden nicht nur Etiketten getauscht, leibhaftige Sinsheimer sollten es sein, die den Gerstensaft gemeinsam erschaffen. Im November 2018 war dann der hoch motivierte Start.
Über das gesamte Jahr 2019 traf sich die Truppe jeden Monat in Steinsfurt. "Es waren immer alle da", ist Mack stolz. Corona vereitelte dann die geliebten Zusammenkünfte, doch die Gruppe sei weiterhin aktiv, tausche sich über "WhatsApp" aus und könne es kaum erwarten, den Treffpunkt vom Virtuellen endlich wieder auf die Dimensionen eines Stammtisches zu verlegen – in einem der Gastronomiebetriebe in der Kernstadt oder in den Stadtteilen. Doch bei der eigentlichen Mission, ein Heimattagebier zu entwerfen, sei aus den Zutaten Mensch, Humor, Individualität und Zeit noch etwas anderes entstanden: "Ich habe das nie so erwartet, dass nämlich bei diesem Projekt derart verlässliche Freundschaften wachsen", unterstreicht Mack. "Wir hören regelmäßig voneinander. Da hat sich etwas ganz tief Verwurzeltes ergeben."
Darüber hinaus tüftelte die Gruppe das Verhältnis von Hopfen und Malz aus und den Grad der Filtration des Getränks. "Das Besondere war, dass sich Leute, die nicht vom Fach sind, in Brauprozesse eingebracht haben und ein Bier mitgestalten konnten", schwärmt Mack. Vermutlich werde es das in dieser Form wohl auch nicht mehr geben: "Wenn 14 Leute diskutieren und um eine Lösung bemüht sind, ist das nicht zwingend mit einem schnellen Ergebnis verbunden."
Kurz bevor die Corona-Krise Fahrt aufnahm, stellten die Mitglieder des Kreativteams ihr Konzept sogar dem Gemeinderat vor, alle waren alle beseelt von der Mission. "Aber danach ging es ganz schnell bergab", meint Mack mit enttäuschtem Unterton. Auch die Marketingartikel wie Gläser, Bierdeckel und Plakate, die mit dem guten "Sinsemer 2020" werben, sind zwar nicht umsonst gewesen, haben aber ihre eigentliche Bestimmung nie erreicht.
Das Flaschenbier konnte in Sinsheimer Läden weitestgehend verkauft werden. "Aber unser großes Problem war das Fassbier", bedauert Mack. Die Feste und Großveranstaltungen, vom Landesfestumzug bis hin zum 1250. Stadtjubiläum, fielen allesamt aus. Doch fürs erste halbe Veranstaltungsjahr war schon reichlich vorgebraut. Zum Baden-Württemberg-Tag, der für Mai anberaumt gewesen war, hatte man mit 40.000 Gästen gerechnet. Die Feste: gekippt. Das Bier: unberührt im Fass. Und dann weggeschüttet. In enger Absprache mit dem Heidelberger Wasserrechtsamt und dem Zollamt. Die Brauerei blieb auf ihren Aufwendungen sitzen.
Bier ist etwa ein dreiviertel Jahr lang gut haltbar. "Aber wenn es länger lagert, wird es nicht besser", sagt Mack. Ab Juli 2020 wurden noch einmal 150 Fässer eingebraut, in der Hoffnung auf Veranstaltungen. Auch dieses Bier war für den Ausguss. "Da blutet einem das Herz", gesteht Mack, der mit einigen wenigen Flaschen, die er zu Hause noch im Privatkeller hat, Vorlieb nehmen muss. Was bleibt, ist die Freundschaft. Haltbarkeitsdatum? Unbefristet.