Die Mehrheit der Autofahrer hatte einen triftigen Grund, auch nach 20 Uhr noch unterwegs zu sein. Foto: Berthold Jürrens
Von Berthold Jürriens
Sinsheim. So still war die Vorweihnachtszeit wohl noch nie. Im harten Lockdown mit der nächtlichen Ausgangssperre war am Donnerstagabend kaum jemand auf der Straße anzutreffen. Die Polizei kontrollierte die wenigen, die doch unterwegs waren, beispielsweise an der Kreuzung Hauptstraße und Friedrichstraße. Hier blitzten blaue und gelbe Warnblinklichter, die auf die Fahrzeugkontrollen aufmerksam machten.
Kurz vor Beginn der Sperrstunde haben dort mehrere Polizeifahrzeuge Stellung bezogen. Rot-weiß gestreifte Verkehrskegel weisen den Weg, Polizisten winken die Fahrzeuge aus dem Verkehr, der schon jetzt überschaubar ist. "Guten Abend, Sie kommen von der Arbeit?", lautet eine der vielen freundlichen Standardansprachen der Polizeibeamten, denn wer zwischen 20 und 5 Uhr auf der Straße anzutreffen ist, muss einen triftigen Grund nennen. Dazu zählt die Landesregierung unter anderem berufliche Tätigkeiten, medizinische und veterinärmedizinische Leistungen oder die Begleitung von Sterbenden. Raus darf auch, wer eine religiöse Veranstaltung besucht oder mit seinem Hund Gassi geht.
"Es geht nicht um Bußgelder, sondern um den Hinweis auf das richtige Verhalten in dieser ernsten Situation", betont Polizeipräsident Andreas Stenger vom Polizeipräsidium Mannheim. Die steigenden Corona-Zahlen und die Berichte aus den Krankenhäusern seien besorgniserregend und bei der Mehrheit omnipräsent. Die Präsenz der Polizeikräfte und die Kontrolldichte seien dabei wesentliche Aspekte. Seine bisherige Erfahrung bei den Kontrollen zur Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen im Rhein-Neckar-Kreis: "Wir erleben eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, auch wenn natürlich nicht jeder mit den Maßnahmen einverstanden ist."
Auch Oberbürgermeister Jörg Albrecht ist an diesem Abend vor Ort und macht sich ein eigenes Bild. "Ich bin der Polizei dankbar, dass sie ihren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie beiträgt. Gerade an dem Tag mit diesen hohen Infektionszahlen in Sinsheim ist das ein gutes Zeichen." Und den Verwaltungschef freut es, dass die große Mehrheit der kontrollierten Fahrzeughalter einen triftigen Grund für ihre Fahrt nach Beginn der Sperrstunde hat.
"Diese nächtlichen Kontrollen finden stationär an wechselnden Örtlichkeiten sowie mobil statt, um sowohl den fließenden Verkehr als auch Fußgänger zu überprüfen", erläutert Christopher Weselek, Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit. Wichtig dabei sei auch, dass die Einsatzkräfte zunächst den Dialog mit den kontrollierten Personen suchen und auf deren Einsicht setzen. "Das klappt meistens ganz gut." Abhängig von der Reaktion der Bürger und den Verstößen werden diese aber auch mit Anzeigen geahndet. Stenger verlässt sich dabei auch auf das "Fingerspitzengefühl" bei den kontrollierenden Polizeibeamten, die einen kommunikativen Ansatz verfolgen und auf das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger bauen.
Mit Polizeirat Adrian Harz, Leiter des Polizeireviers Sinsheim, geht es gegen 21 Uhr auf Streife durch die nächtliche Geisterstadt mit der absolut leeren Fußgängerzone. "Das hätte ich so nicht erwartet", sagt OB Albrecht erstaunt und ist gleichzeitig erfreut, dass die Regeln eingehalten werden. Selbst am "Wächter" tote Hose, hier sei eigentlich immer was los, berichtet Harz. "Das gleiche Bild wie in der Heidelberger Altstadt oder auf den Mannheimer Planken", weiß Stenger zu berichten. Am Bahnhof entdeckt Harz einen Kleintransporter mit auswärtigem Kennzeichen. Nach kurzem Gespräch erfährt er, dass die zwei Insassen einen Kollegen vom Zug zur Arbeit nach Bad Rappenau abholen. In "Ciccio’s Pizza-Service" in der Hauptstraße ist noch geschäftiges Treiben. Dort an der Fußgängerampel werden die Beamten auf zwei junge Männer aufmerksam. "Wir kommen gerade von der Arbeit", lautet die Antwort, nachdem Stenger höflich auf das korrekte Tragen der Maske über die Nase hingewiesen hat. Auch hier: ein kurzes Gespräch, der Nachweis des Arbeitgebers – und alles ist in Ordnung.
Auf der fast autofreien Hauptstraße spiegeln sich gegen 21.30 Uhr nur noch die Weihnachtslichter. Beim Vorbeigehen gibt es von den Angestellten des Pizza-Service ein nettes "Passen Sie auf sich auf" hinterhergerufen. Nicht nur das sorgt für ein Lächeln bei den Polizeibeamten, sondern wohl auch das Ergebnis der Kontrolle, das die oft zitierte "Akzeptanz" unterstreicht. "Von 1240 Personenkontrollen und 830 Pkw-Kontrollen hatten wir 163 Verstöße gegen die Corona-Verordnung", teilt Weselek am nächsten Tag am Telefon mit. "Für diese Verstöße gab es mündliche Ermahnungen, aber keine Anzeige." Drei Anzeigen gab es dennoch – und zwar wegen Alkohol am Steuer und zwei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.