In seiner Freizeit liest Reinhard Hofmann gerne Literatur von Theodor Storm, aber auch in der Kinderliteratur und besonders bei den Märchen kennt sich der „Märchen-Opa“, wie ihn die Kinder nennen, aus. Foto: Karoline Beck
Von Karoline Beck
Siegelsbach. "Vielleicht kommt es daher, dass ich selbst als Kind immer sehr viele Kinder um mich herum hatte", erzählt Reinhard Hoffmann. Voller Kinderstimmen und Lachen sei stets das Elternhaus gewesen, und im großen Garten habe er, zusammen mit der großen Schar von Cousinen und Cousins, viel gespielt und Spaß gehabt. Auch heute noch ist für ihn das Zusammensein mit Kindern die pure Freude und der Wunsch, sie zu unterstützen, eine Herzensangelegenheit.
Seit vielen Jahren bereichert der 79-jährige Siegelsbacher das Leben vieler Kinder, fördert sie und schenkt ihnen freudvolle und unbeschwerte Stunden. "Angefangen hat es eigentlich mit meiner Enkelin", erzählt er. Die kam regelmäßig mit ihrer Freundin, und er habe ihnen dann vorgelesen. Glücklich seien sie gewesen und hätten geradezu die Worte aus seinem Mund herausgesaugt. "Die kannten so etwas gar nicht", erinnert sich Hofmann.
Erstaunt über die Begeisterung der Mädchen, hätten er, seine Frau Erika und ihre Freundin Lilo Riemer darüber gesprochen. "Dann haben wir gedacht, dass es schön wäre, wenn auch andere Kinder so etwas erleben könnten", berichtet er. Bei der Idee allein ist es nicht geblieben, denn seit 2004 gibt es für die Siegelsbacher Grundschüler die "Leseraben". Jeden Donnerstag – außer in den Ferien – sind die Kinder im Haus von Lilo Riemer zum Zuhören eingeladen. Eine halbe Stunde lang wird zeitgenössische Kinderliteratur vorgelesen, und in der zweiten Hälfte der Stunde gibt es Märchen.
Doch bevor es losgeht, wird für eine heimelige Atmosphäre gesorgt. Dann werden die Vorhänge zugezogen, die Kerzen angezündet, und es wird das Glöckchen geläutet. "Die Kinder sitzen um mich herum auf den Sitzkissen und sind dann in einer ganz anderen Welt", berichtet Hofmann. "Es war von Anfang an ein voller Erfolg." Viel Unterstützung gab es vonseiten der Schule, und auch die Eltern seien nach wie vor von dem Projekt begeistert.
Einmal im Jahr – immer im Oktober – gibt es einen besonderen Tag: Dann wird der Leseraben-Geburtstag gefeiert. Dafür engagieren die drei Initiatoren einen professionellen Märchenerzähler, der den Schülern in der Grundschule ein paar märchenhafte Stunden mit Geschichten aus aller Welt beschert.
Aber nicht genug damit. Darüber hinaus engagiert sich Hofmann auch im Helferkreis, der sich zur Betreuung von Flüchtlingen in Siegelsbach zusammengefunden hat. Regelmäßig gibt er dort Frauen aus Syrien, dem Irak und Sri Lanka Deutschunterricht und unterstützt sie bei den Behördengängen. Und einmal in der Woche geht er mit den Flüchtlingskindern in die Sporthalle und spielt mit ihnen Federball. "Es ist ein wahres Glück, die Kinder dann lachen zu hören", erzählt er. "Ich verstehe es gar nicht, dass sich manche Leute über Kinderlärm beschweren. Das ist doch was Schönes."
Dann unterstützt Hofmann die jungen Menschen auch noch, indem er mit ihnen für die Schule übt. Außerdem gehen er und seine Frau regelmäßig mit den Kindern ins Hallenbad und haben schon vielen von ihnen das Schwimmen beigebracht. Einmal in der Woche fährt der Schreinermeister überdies nach Bad Wimpfen ins Hohenstaufen-Gymnasium und gibt den Fünftklässlern Werkunterricht.
Aber nicht nur Schüler hat Hofmann unterrichtet, er hat in seinem Leben schon viele Lehrlinge in seinem eigenen Betrieb zu Schreinern ausgebildet und viele von ihnen zu Meistern ihres Faches gemacht. Gerne übte er selbst den Beruf aus und bezeichnet ihn als den schönsten der Welt. Im Laufe seiner Berufszeit betrieb er in Siegelsbach eine Möbelfabrik und produzierte ökologisch wertvolle Möbel. Als Unternehmer gründete er den Siegelsbacher Gewerbeverein, war zehn Jahre lang Gemeinderatsmitglied und Vorstand bei der Musikschule Unterer Neckar.
Was ihn dazu bewegt, sich so sehr für andere Menschen einzusetzen und so viele ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen? "Ich behandele die Menschen so, wie ich auch selbst gerne behandelt werden möchte", erklärt Reinhard Hofmann. "Alles, was man tut, kommt eines Tages auf einen zurück. Jeder Mensch erschafft sich seinen Himmel und seine Hölle selbst. Und der Umgang mit Kindern ist für mich einfach pures Glück."