Region. (tk/mb) Traktor-Flashmob am Sinsheimer "Kornhaus": Zahlreiche Bauern aus dem Kraichgau und dem Raum Heilbronn sowie Neckar-Odenwald machen zurzeit mit Protestaktionen auf die angespannte Situation in der Landwirtschaft aufmerksam. Ein Zusammenschluss, der sich "Land schafft Verbindung" (LSV) nennt, brachte am Mittwochabend auch an mehreren Orten in der Region Maschinen in Stellung. Zur selben Zeit hatten in Stuttgart Vertreter der Landesregierung, Naturschützer und Bauernverband zu Beratungen über den Chemikalieneinsatz und die Ausweitung von Naturschutzgebieten am runden Tisch verhandelt. Auch in den Niederlanden waren organisierte Landwirte mit ihren Fahrzeugen losgezogen und hatten Straßen und Autobahnen blockiert.
So weit wollte die Gruppe um Detlev Geyer aus Sinsheim-Weiler nicht gehen: Die Voll- und Nebenerwerbslandwirte aus dem Weinbauort am Steinsberg hätten mit ihrem kurzfristig nach dem Aufruf in einer Whatsapp-Gruppe zusammengetrommelten Tross aus acht starken Schleppern die Innenstadt zur "Rushhour" lahmlegen können. "Aber wir wünschen uns den Verbraucher als Freund", sagt Geyer. Die Leute wollten jetzt "Weihnachtseinkäufe machen oder "sich nach der Arbeit auf einen Glühwein oder eine Bratwurst treffen", die wiederum landwirtschaftliche Produkte seien.
Foto: Martin BernhardDurch die Umsetzung des Agrarpaketes fürchte man starke Einschränkungen, steigende Kosten und sinkende Erträge. Die Produktion regionaler Lebensmittel werde erheblich geschwächt – bei steigenden Importen aus Asien und Südamerika, schildern Geyer und seine Mitstreiter. Rund 15.000 Facebook- und etwa 100.000 Whatsapp-Nutzer bildeten derzeit die LSV-Bewegung, die kritisch Stellung bezieht zu den gängigen Entwürfen und Meinungsbildern beim Thema Unkraut- und Insektenschutz sowie zur Düngemittelverordnung. Es kursiere "viel Halbwissen", sagt Geyer. Hierdurch entstünden ideologisch anmutende Gesetzespakete", die "einem Artenschutz das Wort reden" würden, sagt Geyer, "der nicht selten die falschen Studien heranzieht und die Folgen nicht zu Ende denkt".
Das am Mittwoch von der Baden-Württemberger Landesregierung gestoppte Volksbegehren "Rettet die Bienen" ist für ihn ein Schritt in die richtige Richtung. Bei den Themen Ökologie und Artenschutz müssten Wissenschaft, Ökonomie, und soziale Strukturen stärker gewichtet werden. Auch gebe es Zweifel an der Verhandlungsmacht der Interessenvertreter. Bei Gesetzgebungs-Prozessen müssten mehr Praktiker mitverhandeln, hieß es in Sinsheim, "diejenigen, die es betrifft". Tatsächlich saßen bei den Stuttgarter Verhandlungen keine LSV-Vertreter mit am Tisch, wohl aber Bauernpräsident Joachim Rukwied, gebürtiger Heilbronner.
Er wertete die Gespräche am Mittwoch vor Medienvertretern als Teilerfolg: Ein Eckpunktepapier habe ein Komplettverbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten verhindert, welches seiner Ansicht nach das Aus von "tausenden Betrieben" bedeutet hätte. Detlev Geyer klingt da weniger optimistisch: Er glaubt, dass das Mehr an Bürokratie, welches auf die Bauern künftig könnte, "die Anstellung eines Hofmanagers" erfordert.
Auch in Eppingen und Teilen der Brunnenregion um Waibstadt gingen Landwirte mit Schleppern auf die Straße sowie in Walldürn entlang der B27. "Deutschland, willst du deine Bauern noch?" fragten die Protestierer auf einem Plakat. Matthias Herrmann, Organisator der Protestaktion, kündigte an, dass die Landwirte auch im neuen Jahr mit Aktionen auf sich aufmerksam machen wollen. "Wir werden dafür sorgen, dass wir mit unseren Anliegen bei der Bevölkerung im Gedächtnis bleiben", sagte er. Auch an der A81 auf Höhe der Anschlussstelle Osterburken waren sechs Traktoren und ihre Fahrer zum stillen Protest zusammengekommen.
Die Sinsheimer LSV-Gruppe hatte in jüngerer Vergangenheit bereits mit einem Mahn-Feuer am Steinsberg sowie mit Infotagen zum Thema Pflanzen- und Insektenschutz auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht.