Von Christian Beck
Sinsheim. Wer schon einmal einen Altbau saniert hat, weiß, dass dabei mit so mancher Überraschung zu rechnen ist. Auch beim rund zwei Millionen Euro teuren Umbau des Amtsgerichts aus dem Jahr 1894 gab es Unvorhergesehenes. Doch manches davon gehörte eher zur positiven Sorte. In einer Feierstunde am Freitag wurde das Gerichtsgebäude offiziell übergeben.
Wer alte Fotos mit dem neu Geschaffenen vergleicht, reibt sich verwundert die Augen: Wo lange Jahre blaues Linoleum verlegt war, finden sich nun helles Stabparkett oder Dielenböden aus frisch lackierter Rotkiefer. Doch hier handelt es sich nicht um einen klassischen Fall der Verschwendung von Steuergeldern. "Das Parkett lag unter dem Linoleum. Wir haben es aber erst im Zuge der Bauarbeiten herausgefunden", berichtet Architekt und Projektleiter Daniel Hofmeister.
So glaubt man Direktorin Susanne Puhl gerne, wenn sie sagt: "Viel von dem Mief und Staub der vergangenen Jahrzehnte wurde einfach beseitigt." Die letzte Renovierung des Gebäudes habe in den 70er-Jahren stattgefunden. Was nun in den letzten 14 Monaten passiert ist, umfasst allerdings mehr als neue Böden und Farbe an den Wänden: So wurde auf der Rückseite des Gebäudes ein Aufzug angebaut, im Inneren trennen Glastüren öffentliche und nicht-öffentliche Bereiche. Sie sollen den Mitarbeitern des Amtsgerichts ein Plus an Sicherheit garantieren - schließlich habe es in den letzten Jahren an deutschen Gerichten zum Teil schwerwiegende Zwischenfälle gegeben, berichtet Susanne Puhl.
Verwandelt hat sich auch das Dachgeschoss: In den 80er-Jahren sei hier noch eine Küche gewesen, in der die Protokollführerin den Direktor und Referendare bekocht habe, erinnert sich Michael Eckert, Vorsitzender des Heidelberger Anwaltsvereins. Dieser Raum sowie eine Hausmeisterwohnung und ein Speicher haben sich mit Hilfe eingebauter Gauben in helle Zimmer verwandelt. In diese soll im nächsten Jahr das Nachlassgericht einziehen.
Von außen hingegen wahrt das Gebäude nach wie vor den Anschein des großherzoglichen Amtsgerichts, dem Denkmalschutz sei Dank. Im Inneren sei nun eine "gute, klare, freundliche und schnörkellose Atmosphäre" entstanden, lobt Susanne Puhl. Zu 100 Prozent sind die Veränderungen noch nicht abgeschlossen, unter anderem warten einige Mitarbeiter noch auf ihre Möbel.
Doch die Direktorin des Amtsgerichts zeigt sich zufrieden mit dem Erreichten, denn der Weg dorthin sei nicht immer leicht gewesen. So habe der Umzug teilweise skurrile Züge angenommen: Der Chef des Umzugsunternehmens habe nach drei Tagen gedroht, die Arbeiten einzustellen, wenn er nicht mehr Geld bekomme, erinnert sich Puhl. Nicht alle Überraschungen können immer nur von der netten Sorte sein.
Neben der baulichen Veränderung kommen auf das Amtsgericht noch weitere zu: Im Laufe des kommenden Jahres werde die Arbeit auf die "elektronische Akte" umgestellt - zunächst in der Familien- und Zivilabteilung, später auch in der Strafabteilung. Wäschekörbe voller Akten gehören dann der Vergangenheit an, Terminabsprachen zwischen Gericht und Anwälten seien außerdem deutlich schneller möglich, lobt Susanne Puhl die Vorzüge der E-Akte.