Von Christiane Barth
Sinsheim. Ärzte und Pflegepersonal der GRN-Klinik Sinsheim müssen die Epidemie-Welle auffangen, die Corona-Patienten versorgen – und täglich werden es mehr. Die RNZ sprach mit dem Ärztlichen Direktor und Chefarzt der Inneren Medizin, Dr. Johannes Berentelg.
Wie schafft es das Krankenhaus, die Corona-Patienten zu versorgen?
Geplante Eingriffe werden, wenn sie nicht lebensnotwendig sind, verschoben. Wir konzentrieren uns derzeit voll auf die Covid-19 Infektion. Wir haben eine komplette Etage mit 50 Betten als Infektionsstation eingerichtet. Daneben werden auf der Intensivstation schwere Fälle mit dieser Erkrankung behandelt. Unsere derzeit sechs Beatmungsbetten können wir auf acht Betten aufstocken. Mitarbeiter aller Fachrichtungen werden in diesen Schwerpunktbereichen geschult. Besucher dürfen die Klinik nur in Ausnahmefällen betreten. Alles hat sich grundlegend geändert. Nichts ist mehr so, wie es war. Derzeit werden drei Personen beatmet, ihr Zustand ist stabil. Wir hatten bis gestern zehn bestätigte Fälle, von denen einige bereits entlassen wurden, sowie zehn Verdachtsfälle. Das Alter der betroffenen Patienten im Krankenhaus liegt zwischen 50 und 80 Jahren.
Wie schützen Sie die anderen Patienten vor eine Ansteckung?
Wir haben von Anfang an zwei getrennte Wege für Patienten mit Covid-19 und anderen Erkrankungen eingerichtet. Es besteht eine separate Aufnahme, die Corona-Patienten werden dann sofort auf die Isolationsstation verlegt. Ein Kontakt mit anderen Patienten besteht nicht. Deren Behandlung ist übrigens nach wie vor gewährleistet.
Die Nachfrage nach Corona-Tests steigt, kommen Sie da noch hinterher?
Die Test-Röhrchen sind streng legitimiert und wir testen nur bei einer harten Indikation und im konkreten Verdachtsfall, das heißt, wenn der Patient über typische Symptome wie Fieber oder Husten klagt.
Die Menschen sollen Abstand halten. Ist das im Krankenhaus überhaupt umsetzbar?
Wir versuchen, alle Besprechungen auf das Mindestmaß zu begrenzen und vor allem die Teilnehmerzahl so zu reduzieren, dass der Sicherheitsabstand gewährleistet ist. Zudem arbeiten wir sehr viel mit Telefonkonferenzen.
Was ist für Sie das Besondere der Erkrankung?
Covid-19 ist sehr ansteckend und hat eine eigene Dynamik. Vorwiegend betrifft diese Erkrankung die Lunge im Sinne einer schweren, meist beidseitigen Lungenentzündung. Diese ist aber nicht mit "normalen" Lungenentzündungen zu vergleichen, es gelten hier spezielle Therapieansätze. In Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Heidelberg behandeln wir diese Patienten nach den modernsten Standards, allerdings gibt es ja leider noch kein spezielles Medikament gegen Covid-19.
Ist der Höhepunkt der Epidemie schon erreicht?
Nach meiner Auffassung noch nicht. Wir hatten in den letzten zwei Wochen eine ausgeprägte Häufung der Neuinfektionen. Da die Symptome und die Verschlechterung erst nach einigen Tagen eintreten, wird das Maximum erst in den nächsten Wochen zu erwarten sein. Es ist sehr schwer abzuschätzen, wie sich die Ausbreitung entwickelt. Wichtig ist jetzt, dass der Erkrankungsgipfel abgeflacht wird, damit wir hier und auch die niedergelassenen Ärzte draußen die Flut der Patienten bewältigen können.
Wie reagieren Ärzte und Pflegekräfte auf diese enorme Belastung?
Zunächst gehen wir mit diesem Krankheitsbild professionell um wie mit jeder anderen Erkrankung. Da es aber seine eigene Dynamik hat, sind die Verläufe schwerer abzuschätzen. Ich kann aber sagen, dass wir in der GRN-Klinik Sinsheim sehr gute Strukturen und Teams etabliert haben: alle sind hoch motiviert und engagiert, niemand sagt "damit will ich nichts zu tun haben".
Wie gestresst sind die Mitarbeiter?
Es herrscht keine Hektik, aber professionelle Betriebsamkeit. Viele Dinge müssen neu organisiert werden, hier kann man das Miteinander nur loben. Was vorher nicht durchsetzbar erschien, ist plötzlich möglich. Wir freuen uns auch über die Unterstützung durch die Bevölkerung. Am Wochenende haben wir 50 Pizzen und Nudelgerichte von Sinsheimer Pizzerien bekommen, und auch Kuchen wird reichlich gebracht. Dafür sind wir sehr dankbar.
Haben Sie Angst vor der Erkrankung?
Es gehört zu unserem Beruf, damit professionell umzugehen. Wir reduzieren den Kontakt zu den Patienten auf das Notwendigste und schützen uns sehr gut. Ich erfreue mich bester Gesundheit und bin voll im Einsatz.
Was ist mit den Infizierten des GRN-Personals?
Das bleibt natürlich nicht aus. Wir sind im Krankenhaus ja nicht eine Insel der Glückseligkeit, sondern Teil der Bevölkerung wie alle anderen auch. Die Betroffenen werden natürlich von der Arbeit freigestellt, die Kontaktpersonen bei Symptomen getestet und ebenfalls freigestellt. Ansonsten schützen sie die anderen Patienten und Mitarbeiter durch das Tragen einer Schutzausrüstung.
Was belastet Sie am meisten?
Ein großes Problem ist sicherlich, dass die Schutzkleidung, insbesondere Filtermasken, nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Wir versuchen, auch über die Industrie, Material zu bekommen. Da aber der Hauptlieferant China war, muss die Produktion in unserem Land erst hochgefahren werden. Wir hoffen, dass Nachschub kommt. Leider ist das von der Politik längst zugesagte Material noch nicht bei uns angekommen. Doch die Heidelberger Druckmaschinen AG hat uns aus der Patsche geholfen und 1000 Masken gespendet. Das hilft uns erst einmal sehr.
Können Sie Hilfe von außen brauchen?
Im Moment ist es noch nicht notwendig. Wir wissen aber nicht, wie sich die Pandemie entwickelt. Da wir in den letzten Tagen bereits einige Anfragen von freiwilligen Helfern hatten, die sich gerne bei uns engagieren möchten, sind wir gerade dabei, auf unserer Homepage die Plattform "Helfende Hände" einzurichten, auf der man sich in Kürze mit seinen Kontaktdaten und seinen Fähigkeiten eintragen kann. Auf diese Weise können wir die vielen tollen Hilfsangebote strukturiert verwalten und darauf zurückkommen, wenn’s brennt.
Wie arbeiten Sie mit den niedergelassenen Ärzten und den Institutionen zusammen?
Wir haben ein sehr gutes Netzwerk mit allen Niedergelassenen aufgebaut, zudem sind wir in engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt, dem Universitätsklinikum Heidelberg und den politischen Institutionen wie dem Landkreis und der Stadt.
Glauben Sie, dass der "Spuk" bald vorbei ist?
Das ist schwierig vorherzusagen. Ich denke allerdings nicht, dass solche Zustände wie in Italien auf uns zukommen. Wenn die erste Welle nicht zu heftig ausfällt, können wir mit der Infektion umgehen. Trotzdem wird es weiterhin drastische Einschnitte im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft geben. Wir werden vor allem die älteren Mitbürger schützen müssen. Ich appelliere außerdem dringend an die Menschen, von der sich bereits eingeschlichenen Stigmatisierung der Corona-Infizierten wieder ganz schnell Abstand zu nehmen.