Kritische Töne zum Gutachterausschuss
Nicht alle Gemeinderäte sehen in der Zentralisierung einen Vorteil
Von Berthold Jürriens
Neidenstein. Die Entscheidung ist vor allem für die kommunale Verwaltung von Bedeutung, aber sie betrifft jeden Bürger. Die Rede ist von der Übertragung der Aufgaben des Gutachterausschusses des Gemeindeverwaltungsverbandes (GVV) Waibstadt an die Stadt Sinsheim, über die der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung abzustimmen hatte.
Bisher hatte der Gutachterausschuss des GVV die Werte einzelner Immobilien für die Verbandsgemeinden geschätzt. Daraus sind dann Richtwerte für Kauf- und Bodenpreise ermittelt worden. Das Finanzministerium empfiehlt nun für Gutachterausschüsse eine Richtgröße von 800 bis 1000 Kauffällen pro Jahr, wofür es nach einer statistischen Erhebung des Städtetags Baden-Württemberg aus dem Jahr 2015 eines Gebietes von 80.000 bis 90.000 Einwohnern bedarf. "Wir haben natürlich nicht genügend Fälle", erklärte Bürgermeister Frank Gobernatz. Somit soll laut Verwaltung die Aufgabe zum Ende des Jahres zunächst auf die Gemeinde zurückübertragen werden, um sie dann ab dem 1. Januar 2021 an die Stadt Sinsheim zu übertragen.
Hintergrund
Gutachterausschüsse werden gebildet, um bestimmte Werte zu ermitteln – unter anderem von Grundstücken. In Baden-Württemberg sind für die Bildung der Gutachterausschüsse die Städte und Gemeinden zuständig. Innerhalb eines Landkreises können benachbarte
Gutachterausschüsse werden gebildet, um bestimmte Werte zu ermitteln – unter anderem von Grundstücken. In Baden-Württemberg sind für die Bildung der Gutachterausschüsse die Städte und Gemeinden zuständig. Innerhalb eines Landkreises können benachbarte Gemeinden die Aufgaben übertragen. Im Land sind 677 Gutachterausschüsse tätig (Stand März 2020). Die Ausschüsse sind selbstständig und unabhängig. Neben einem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter bestehen die Ausschüsse aus weiteren ehrenamtlichen Gutachtern, die sich mit der Wertermittlung auskennen.
Ihre Aufgaben sind: die Führung und Auswertung einer Kaufpreissammlung, Erstellung von Verkehrswertgutachten von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie Rechten an Grundstücken, die Ermittlung von Bodenrichtwerten und sonstigen Wertermittlungsdaten wie zum Beispiel von Liegenschaftszinssätzen oder Sachwertfaktoren. Einen Antrag für ein Gutachten darf jeder Eigentümer genauso wie Behörden und Gerichte stellen. Der damit beauftragte Ausschuss muss dann den wahrscheinlichsten zu erzielenden Kaufpreis möglichst zutreffend ermitteln. (bju)
Der Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, die dem Gemeinderat als Entwurf vorlag, sei für die Regelung der gegenseitige Rechte und Pflichten erforderlich. "Eine exakte Kostenentwicklung lässt sich nicht vorhersehen, da weder die Zahl der Transaktionen auf dem Grundstücksmarkt noch die Zahl der zu erstattenden Gutachten feststehen", sagte Gobernatz weiter. Die Verwaltung rechnet mit einem Aufwand von 2,50 bis 3,50 Euro pro Einwohner. "Für die geplante Aufgabenübertragung an Sinsheim spricht auch die Grundsteuerreform, die noch umzusetzen ist", erinnerte der Rathauschef.
Einige Gemeinderatsmitglieder taten sich schwer damit, die Aufgaben des Gutachterausschusses an Sinsheim zu übertragen. Peter Grolms hinterfragte den Sinn der Änderung. "Bisher hat doch alles gut funktioniert." Andrea Volk, die inhaltlich zwar "alles gut" fand, stellte die Frage, warum dem GVV erneut Aufgaben entzogen werden. "Ich habe die Schnauze voll", machte sie deutlich, "und ich frage mich, wofür wir den GVV noch benötigen." Dieser Meinung konnte sich Hans-Dieter Kretzler anschließen, der auch die zukünftige Kostenfrage nicht außer Acht lassen wollte. Denn auf die Frage, wie hoch die Kosten bisher gewesen seien, antwortete Gobernatz, dass die Gutachter vor allem ehrenamtlich tätig gewesen seien.
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Allgemeiner Tenor des Gremiums: Vor allem die kleinen Kommunen werden erneut gezwungen mitzumachen und haben keine andere Wahl. Peter Oehmig sieht in der Übertragung der Aufgaben an den Sinsheimer Gutachterausschuss ein "Mittel zur Effizienz". "Ein eigener Ausschuss wäre einfach zu teuer", ließ Gobernatz wissen. Bei der anschließenden Abstimmung gab es drei Nein-Stimmen, sodass dem Abschluss der Vereinbarung zugestimmt wurde.