Who is who? Rechts im Bild, das ist Joachim Löw, der Bundestrainer. Links, das ist Joachim Löw, der Jugendkoordinator der Neckarsulmer Sport-Union. Fotos: privat, dpa
Von Eric Schmidt
Sinsheim. In Frankfurt? Er? Am Montagnachmittag? Ganz bestimmt nicht. Joachim Löw saß vorgestern um 16 Uhr wie üblich im Büro und ging seiner Arbeit als Elektrotechnik-Ingenieur nach. Derjenige, der zeitgleich in der DFB-Zentrale eine Pressekonferenz zur Lage der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gab, war ein anderer Joachim Löw. Joachim Löw, der Bundestrainer.
Nein, es gibt nicht nur einen Joachim Löw. Es gibt zwei, mindestens. Joachim Löw aus Neckarsulm weiß das nur allzu gut. Immer wenn die Nationalelf in den Schlagzeilen steht, wird der Jugendkoordinator der Neckarsulmer Sport-Union besonders häufig auf den anderen Joachim Löw, den Jogi Löw aus Freiburg, angesprochen. Auch die Presse funkt ihn dann gerne an. "Wenn ein Großereignis ansteht, eine EM oder WM, meldet sich schon mal jemand. Oder wenn an Löw rumgesägt wird", sagt der 58-Jährige.
Derzeit wird kräftig gesägt am Stuhl des Bundestrainers. Das 0:6 gegen Spanien, dieser "titanicartige Untergang", wie es die "Süddeutsche Zeitung" beschrieb, hat Wellen geschlagen wie kaum eine andere Niederlage in den vergangenen Jahren. Ist Jogi Löw noch der richtige Mann am richtigen Platz?
Joachim Löw war bis vor kurzem ein Anhänger von Joachim Löw. Doch jetzt, spätestens nach der Pressekonferenz am Montag, ist er nachdenklich geworden. "Vielleicht ist es an der Zeit, neue Wege zu gehen. Mir fehlt ein bisschen der Esprit. Es hat sich in den letzten Jahren doch einiges abgenutzt", sagt Löw. Was er unter anderem nicht versteht: wie stark die Abwehr umgebaut und modernisiert wurde. Es mag ja sein, dass es dem Zeitgeist entspreche, alles zu verjüngen, so Löw. "Aber hinten drin hat man radikal alles ausgeputzt. Da ist richtig viel Erfahrung verloren gegangen. Gegen Spanien hat man das gesehen."
Wie es ist, Trainer zu sein, weiß Joachim Löw aus eigener Erfahrung. Von 1990 bis 1992 und 2007 bis 2013 betreute der ehemalige Kicker der Sportfreunde Neckarsulm und des SC Amorbach Jugendmannschaften bis zur D-Jugend. Den ABC-Schützen das Toreschießen beizubringen, ihnen beim Laufenlernen zuzuschauen, hat ihm sehr viel Spaß gemacht. "Wenn das Training zu Ende ist, muss ein Kind dich fragen: Wann ist das nächste Training? Dann hast du alles richtig gemacht." Weil es die Zeit nicht mehr erlaubte, hat er aufgehört als Coach. Der Joachim Löw aus Neckarsulm hat den Absprung rechtzeitig geschafft. Als Jugendfunktionär kümmert er sich nun in anderer Funktion um den Nachwuchs der Sport-Union. Er ist Koordinator für die Bambini und die E-Junioren.
Klar, einen berühmten Namen zu tragen, der Namensvetter eines Promis zu sein, kann unterhaltsam sein und lustig – aber auch für Irrungen und Wirrungen bei den Mitmenschen sorgen. Manch einer denkt, er wird jetzt veräppelt von diesem angeblichen Joachim Löw. Als er vor neun Jahren in einer Klinik in Bad Herrenalb namentlich begrüßt wurde, rieben sich die Mitpatienten verwundert die Augen. Als einen später Tag dann noch ein Gerd Müller aufkreuzte, war die Aufregung perfekt. "Gerd Müller kam wie ich aus Neckarsulm. Ich wusste, dass es ihn gibt, hatte ihn aber zuvor noch nicht gesehen", erzählt Löw.
Den berühmten Joachim Löw hatte der nicht ganz so prominente Joachim Löw schon eine Weile zuvor kennengelernt. Als Jogi Löw den VfB Stuttgart coachte, wurden die beiden in der Vip-Loge der Mercedes-Benz-Arena miteinander bekannt gemacht. "Ich habe mich vorgestellt, aber ich glaube nicht, dass er es registriert hat. Er hat wahrscheinlich gedacht, ich begrüße ihn, als ich meinen Namen gesagt habe", sagt Joachim Löw. Auch wenn er nicht der große Jogi Löw ist: Wie sein Namensvetter hat er den WM-Pokal von 2014 in der Hand gehabt. 2015 tourte der Pokal im Rahmen der "DFB-Ehrenrunde" durch die ganze Republik, der damalige NSU-Sportdirektor, Marco Merz aus Ittlingen, war wie immer zu Potte gekommen und hatte die Trophäe nach Neckarsulm geholt. Löw war an diesem 16. Juni 2015 ganz nah dran.
Joachim Löw weiß: Er ist nicht der einzige Joachim Löw neben Joachim Löw. Über das Internet hat er vor ein paar Jahren unter anderem einen Joachim Löw aus Hessen ausfindig gemacht. Das Kuriose dabei: Der hessische Löw ist – wie er – mit einer Frau verheiratet ist, die Andrea heißt; er hat außerdem – wie er – zwei Söhne.
Was jetzt noch fehlt? Eine Vollversammlung mit anderen "Bundestrainern". Ganz in der Nähe, beim SV Treschklingen, gibt es einen Stadionsprecher, der Helmut Schön heißt. Vielleicht könnte man mal ein Treffen arrangieren. Vielleicht könnte man dann von irgendwoher noch einen Jupp Derwall, einen Sepp Herberger, einen Berti Vogts, einen Jürgen Klinsmann und einen Franz Beckenbauer auftreiben. Nur bei einem "Double" für Rudi Völler dürfte es schwierig werden. Denn: "Es gibt nur einen Rudi Völler", singen die Fans gerne.