Die Tische vor dem „Roma“ waren am Samstag so gut belegt wie selten in diesem Jahr. In den Gesprächen mischten sich Verunsicherung, Zweckoptimismus, aber auch Hoffnung. Fotos: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. "Da sitzt sie wieder, die ganze Corona" – Begrüßung beim beliebten "Roma"-Stammtisch, einer Institution in der Sinsheimer Innenstadt. Die Runde vor dem Eiscafé war am Wochenende so gut besucht wie selten. Bereits am Tag eins nach der Absage sämtlicher Veranstaltungen und der Schließung aller städtischer Einrichtungen wirkten viele Sinsheimer schon sehnsüchtig nach Sozialkontakten.
Die kleinen Treffen sind der Kit, der alles zusammenhält, sind sie überzeugt vor dem "Roma". Manche Dinge, Selbstverständlichkeiten, bekommen eine neue Bedeutung. Kreativität blitzt auf: Wieder mehr Spazieren gehen. Vielleicht "eine Sternwanderung"; sich ein paar Biere in den Rucksack packen und durch das Wiesental schlendern. "Es blüht alles so schön." Den Roller für die Saison klarmachen. Auch recht. Das geplante Kultur-Programm ins Virtuelle verlagern, ein Amateurradio aufmachen, "wenn’s nur nicht so viele Gema-Gebühren kosten würde". Musiker Karl Schramm, einer aus der Runde, übt sich in Optimismus, überlegt sich gerade ein Facebook-Angebot. "Vielleicht hat’s ja auch was Gutes, wenn die Welt ein bisschen runterfährt" ist ein Satz, den am Samstag einige sagen.
Frühzeitig geschlossen hatte der gemeinnützige Laden „Allerhand“.Doch die Gespräche der "ganzen Corona" kreisen fast ausschließlich um ein Thema – oder kommen immer wieder darauf zurück: das Virus und was es vielleicht alles mit sich bringt. Ein erstes Geschäft hat bereits geschlossen: der gemeinnützige "Allerhand"-Laden am Kirchplatz. Am Montagnachmittag wird die Bundesregierung die Schließung der Läden bis auf die Supermärkte vorschlagen, Spielplätze und Gottesdienste aller Religionen verbieten und weitere drastische Maßnahmen anordnen. Alle diese Fragen stehen bei der Runde im "Roma" im Raum – gleichzeitig nah da und weit weg und so überwältigend, dass sie nur halblaut gestellt werden: Fast so, als wolle man keine schlafenden Hunde wecken. Werden diese kleinen Treffen bald noch möglich sein? Was mag kommen, und für wie lange? Noch sitzt die Runde dicht beisammen – die zwei Meter Sicherheitsabstand, die die Wissenschaftler empfehlen, laufen erst am Abend über die Massenmedien. Aber: Viele, die sich hier treffen, sind "Best-Ager", jenseits der 50 und der 60 Jahre. Kaum einer mag namentlich im Lokalteil stehen, aber einige berichten von Anrufen und Videobotschaften ihrer Kinder und Enkel.
Auch am Sonntag im Gasthaus Linde kommt morgens immer eine Runde in ähnlicher Konstellation zusammen. Wohl dem, der zur Zeit eine Außenwirtschaft hat, wie Wirtin Gudrun Wurzer. "Es gibt uns noch", sagte sie am Sonntag, verabschiedete sich jedoch am Montag in einen unsicheren Ruhetag.
Da sah es zuletzt noch so aus, als könnten Speise-Gaststätten zumindest von 6 Uhr bis 18 Uhr öffnen, sofern sie einen Sicherheitsabstand ihrer Tische von 1,5 Metern, besser zwei Metern, einhalten können. Das handhabten verschiedene Städte, Länder oder Landkreise bislang unterschiedlich, Köln und Berlin haben die Gaststätten dicht gemacht.
In der "Linde" wollte man zuletzt hauptsächlich auf die Terrasse an der Elsenz im Freien setzen, man könnte die Abstandsregelung wohl einhalten. Im Außenbereich des "Roma" von Elena Chimenti war das Gestühl am Sonntagmorgen bereits großflächig aufgestellt.