Wann wird’s mal wieder richtig Winter? Selbst in deutschen Regionen, in denen es selten schneit, fielen am zurückliegenden Wochenende mehr als 50 Zentimeter Schnee. In Nordrhein-Westfalen, wie hier in Hamm, legte die weiße Pracht am Sonntag den Verkehr lahm. Zeitweise waren Strom und Fernwärme ausgefallen. Und für Baden-Württemberg sind nun auch teils starker Schneefall und zweistellige Minustemperaturen vorhergesagt. Foto: Oliver Palm
Von Falk-Stéphane Dezort und Tim Kegel
Bad Rappenau/Sinsheim. "Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?" – mit diesem Lied sorgte Rudi Carrell 1975 für einen Sommerhit. Doch heute – 46 Jahre später – fragt man sich in weiten Teilen Deutschlands in Zeiten des Klimawandels eher "Wann wird’s mal wieder richtig Winter?" Lang anhaltende Schneefälle und zweistellige Minustemperaturen sind vor allem in den tiefer liegenden Regionen der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren rar gesät gewesen. Nun aber legte die weiße Pracht am zurückliegenden Wochenende im Norden und Westen des Landes das Leben lahm. In manchen Regionen, die sonst nur mit Schneeregen vorliebnehmen müssen, fielen binnen weniger Stunden mehr als 50 Zentimeter Neuschnee.
"Als ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe, wie Traktoren Streufahrzeuge aus dem Schnee ziehen müssen, habe ich mir schon gedacht: ,Hoffentlich wird die Situation nicht auch bei uns so.‘ Das wäre dann nicht mehr so toll", sagt Thorsten Merz, Dienstellenleiter der Straßenmeisterei in Bonfeld.
"Im Winter arbeiten wir im Drei-Schicht-System", erklärt Merz. Neben der Früh- und Spätschicht gebe es auch die Freischicht, aus der Personal bei Krankheit oder sonstigen Ausfällen abgerufen wird. Doch für die angekündigte Wetterlage in Baden-Württemberg mit teils starkem Schneefall und ebenfalls Temperaturen im zweistelligen Minusbereich habe man aufgerüstet und alle Mitarbeiter auf Abruf. Darüber hinaus habe man zu den drei diensteigenen Räumfahrzeugen am zurückliegenden Wochenende bereits drei weitere von Fremdfirmen hinzugezogen. "Wir waren schon am Wochenende vorbereitet. Nur der Schnee hat auf sich warten lassen." Zu Jahresbeginn habe man ebenso noch 400 weitere Tonnen Streusalz geordert. "Wir sind bereit."
Als eine von vier Meistereien im Landkreis Heilbronn ist die Einrichtung im Bad Rappenauer Stadtteil für rund 260 Kilometer Kreis-, Land- und Bundesstraßen zwischen Kirchardt im Westen und Herbolzheim im Nordosten sowie Siegelsbach im Norden und Schwaigern im Süden zuständig. Damit auch jeder Kilometer abgefahren wird, hat jedes Fahrzeug seine eigene Route. Vorrangig seien die stark frequentierten Straßen wie die Bundesstraße 39 oder die Kreisstraße 2000 als Zubringerstraße zu Audi. Inzwischen habe man landkreisweit auch Glättemeldeanlagen aufgebaut. Hier könne man via App den Salzgehalt und die Temperatur der Straße an neuralgischen Punkten überprüfen und im Bedarfsfall früher als üblich reagieren. Eine dieser Anlagen steht auch im Zuständigkeitsbereich der Bonfelder Meisterei bei Gundelsheim. Eine Weitere soll in diesem Jahr installiert werden.
Merz, der seit 2006 für den Landkreis Heilbronn tätig ist, ist schon seit einigen Jahren im Geschäft und hat auch die früheren Winter aktiv miterlebt. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm dabei der Winter 2002 als er noch selbst ein Räumfahrzeug fuhr und sie nicht wie heute koordiniert. "Das ging 24 Stunden", blickt Merz zurück. "Damals gab’s noch keine Räumpläne. Da ging es bis an die körperliche Schmerzgrenze."
Das Schlimmste, was bei Schnee und Glätte passieren kann, ist für Merz, dass sie zum Berufsverkehr einsetzen – wie bereits vor gut zwei Wochen. "Da sind wir der Lage schlecht Herr geworden", konstatiert der Dienststellenleiter. "Wenn ein Lkw oder Bus quer steht, kommen wir auch nicht mehr voran."
Gut für den Schnee gewappnet sieht sich auch die "ViA6West", die auf der Autobahn 6 zwischen der Anschlussstelle Wiesloch/Rauenberg und dem Weinsberger Kreuz für den Winterdienst zuständig ist. "Die Fahrzeuge sind mit Schneeschiebern ausgerüstet, Sole und Streusalz auf den Fahrzeugen geladen. Darüber hinaus ist das große Salzlager auf dem Betriebshof mit einigen Tausend Tonnen gut gefüllt", sagt Sprecher Michael Endres auf Nachfrage. "Je nach erforderlicher Straßenverkehrslage wird vom jetzigen Zweischicht- auf den Dreischichtbetrieb umgestellt – die Autobahn wird rund um die Uhr geräumt und gestreut."
Unterstützung erhält der Autobahnbetreiber von Meteorologen, die als Dienstleister unter Vertrag sind. Auf der Grundlage von Satellitenbildern, Wetter- und Niederschlagsradar geben sie für den Kraichgau und auch das Unterland eine präzise Vorhersage ab. "Die stimmt mit 95 prozentiger Sicherheit", sagt Betriebsleiter Tobias Kupfer.
Sinsheim als Flächenstadt mit weit verteilten zwölf Ortsteilen und Kernstadt braucht etwa 50 Mann zur Aufrechterhaltung des Winterdiensts. In den Höhenlagen Adersbach, Ehrstädt und Hasselbach unterstützt ein Lohnunternehmer die zuständige Tiefbauabteilung des Amts für Infrastruktur. Leiter Bernd Heumann sieht’s mit Gelassenheit: "Ein normaler Winter." Streusalz werde mit Sicherheit nicht knapp; der letzte landesweite Versorgungsengpass liegt Jahre zurück. Die Wettervorhersagen legten nahe, "dass es bei uns nicht wie in Norddeutschland kommt". Die zu erwartende Scheemenge sei "vielleicht fürs Auge ungewohnt, aber unbedenklich". Die Erwartungshaltung an den Winterdienst der Gemeinden sei sehr hoch, sagt Heumann und merkt – halb ernst, halb heiter – an: "Wenn’s um 7 Uhr anfängt zu schneien, können wir nicht um 6 Uhr schon geräumt haben."
Noch entspannt war am Montag die Lage im Kraichgau-Raiffeisen-Zentrum (KRZ). Die Nachfrage nach Streusalz, Schneeschaufeln und Schlitten hielt sich zuletzt in Grenzen. Letzteres darf auch nur via "call and collect" verkauft werden. "Der große Run wird noch kommen. Ab Dienstag wird sich die Menge schlagartig ändern", erwartet Christian Lutz, Spartenleiter Raiffeisenzentrum beim KRZ.