Auf dem Hof von Reiner Keller (Mitte) wird seit Montag der erste „Kraichgau-Spargel“ der Saison gestochen. Jedoch sind aufgrund der Corona-Krise deutlich weniger Helfer im Einsatz als üblich. Doch die, die da sind, wie der aus dem Irak geflohene und in Ittlingen lebende Muhannad Iburi (links) sowie der Pole Mirek Placzek stechen, was das Zeug hält. Foto: Falk-Stéphane Dezort
Von Falk-Stéphane Dezort und Christiane Barth
Ittlingen/Helmstadt-Bargen. Die Spargelsaison ist eröffnet. Auf dem Hof von Reiner und Birgit Keller werden seit Montag bereits die ersten Stangen des sogenannten königlichen Gemüses gestochen. "So früh waren wir noch nie", freut sich Reiner Keller. Die frühzeitige Ernte wird von einem erneut milden Winter begünstigt. So sei der Boden nie richtig ausgekühlt und die Pflanzen hätten keinen Frostreiz erhalten, erklärt Reiner Keller. An der Qualität des Spargels würde dies allerdings nichts ändern. Er rechnet lediglich damit, dass der Ertrag etwas geringer ausfällt als üblich, da die Wüchsigkeit beim Gemüse ohne den Frostreiz geringer ist als mit.
Der Saisonstart kam für den Landwirt unverhofft: "Eigentlich wollten wir am Montag die Mini-Folientunnel anlegen", erzählt er. Dann habe man aber gesehen, dass man bereits mit der Ernte loslegen könne. Lange überlegen könne man ohnehin nicht, wenn der Spargel erst einmal aus dem Boden herausschaut, muss er schnellstmöglich geerntet werden. Und die Ernte bringt in Zeiten der Corona-Krise zahlreiche Fragezeichen mit sich und sorgt bei den Spargel-Bauern auch für Bauchschmerzen. "Die Spargel-Ernte geht nicht im Home-Office", sagte Reiner Keller.
Für gewöhnlich tummeln sich rund 15 Erntehelfer aus Ost-Europa auf den Feldern der Kellers – dieses Jahr sind es bisher nur fünf. "Für den Anfang ist das ok", sagt Reiner Keller. Aber nächste Woche, wenn die Anzahl der reifen Spargelstangen immer weiter in die Höhe schnellt, könnte es kritisch werden. "Wenn es ganz dumm läuft, können wir ein halbes oder auch ganzes Feld erst gar nicht ernten, weil uns die Helfer fehlen", bedauert er. Dieses Leid treffe aber nicht nur ihn, sondern nahezu alle Betriebe mit Sonderkulturen wie Wein, Spargel oder Erdbeeren. "Das Virus ist existenzgefährdend", sagt Reiner Keller. Er hofft, dass die Krise nicht über Jahre geht. "Das würden wir als Betrieb nicht überleben."
Einer von den anwesenden Saisonarbeitern ist Mirek Placzek aus Polen. Er kommt schon seit vielen Jahren nach Ittlingen, um sich Geld dazuzuverdienen – eine Forderung nach mehr Gehalt aufgrund der angespannten Situation und Notwendigkeit der Helfer hätten aber weder er noch seine Kollegen gestellt, betont Reiner Keller. Per Telefon versucht Placzek noch den ein oder anderen Helfer aus seiner Heimat in den Kraichgau zu lotsen. Doch manche hätten aufgrund der Corona-Pandemie ihre Bedenken. Zudem hätten Bus-Unternehmen, mit denen die Polen nach Ittlingen gefahren kamen, momentan ihren Betrieb eingestellt, berichtet Reiner Keller. Polnische Fahrer müssten, wenn sie aus Deutschland wieder ins Nachbarland einreisen wollen, 14 Tage in Quarantäne. Wiederum wurde einem anderen Helfer, der sonst jedes Jahr in Ittlingen mit anpackt, der Urlaub gestrichen.
"Es gibt viele Unbekannten, aber der Spargelanbau ist immer spannend", sagt Reiner Keller mit einer gewissen Portion Optimismus. Ein bisschen weniger spannend hätte es hingegen gerne seine Frau Birgit, die ab Samstag für den Verkauf des angebauten Spargels zuständig ist. Da die Kellers Lebensmittel aus eigenem Anbau verkaufen, gehen sie nicht davon aus, dass sie von eventuellen Ladenschließungen betroffen sein werden. Ob die Kunden ausbleiben und damit der Absatz schwindet oder Felder tatsächlich nicht mehr gestochen werden können, bleibt abzuwarten. "Es ist für uns ein zweischneidiges Schwert. Wir leben davon und müssen Alltag spielen", sagte Reiner Keller.
Zwar hat im Helmstadter Wasserschloss die Spargelernte noch nicht begonnen, fehlende Saisonarbeitskräfte könnten jedoch auch hier die Ernte erschweren. "Es ist zu erwarten, dass wir Abstriche machen müssen", mutmaßt der Unternehmer Heiko Junker vom Spargelgut Wasserschloss. Den ersten Spargel erwartet er in etwa zehn Tagen, jongliert nun mit der Zeit, verzichtet in diesem Jahr auf "Verfrühungen" wie Bodenbearbeitung und Folientunnel und hofft, dass sich die Lage entspannt.
Die Arbeitsverträge für die Saisonarbeitskräfte seien bereits im Januar rausgegangen. Da viele seiner Hilfskräfte jedoch aus der Ukraine kommen, könnte dies durchaus ein Loch in den Mitarbeiterpool reißen. Denn die EU-Außengrenzen sind zu, eine Einreise über Rumänien nicht möglich. Nun hofft Junker, durch eine Verzögerung der Ernte Zeit zu gewinnen und will gegebenenfalls den Arbeitsbeginn "nach hinten korrigieren".
Ob er sich vorstellen könne, alternativ mit Hilfskräften aus dem eigenen Land zu arbeiten? "Es dürfte schwierig sein, in so kurzer Zeit so viele Leute einzulernen", meint der Geschäftsführer. Der Umgang mit der Erntemaschine, mit der der Bleichspargel gestochen wird, sei "nicht ganz so einfach". Junker fürchtet ein erhöhtes Unfallrisiko: "Mir wäre es lieber, wenn meine Leute kommen könnten, die das schon jahrelang machen."
Auch für die Erdbeerernte, ein weiteres großes Geschäftsfeld des Spargelguts Wasserschloss, gilt die gleiche Problematik. Junker rechnet damit, dass zwischen 15. bis 20. April die ersten Früchte reif sein dürften.