Von Tim Kegel
Sinsheim. Zur Verhandlungs-Schlacht entwickelt sich der Prozess gegen drei Anhänger von Borussia Dortmund – und geht nun in die nächste Instanz. Die Männer im Alter von 25, 35 und 40 Jahren sollen TSG-Mäzen Dietmar Hopp bei einem Spiel in der Sinsheimer Arena als "Sohn einer Hure" tituliert haben. Wegen Beleidigung hat das Amtsgericht in Sinsheim jetzt hohe Geldstrafen von bis zu 70 Tagessätzen verhängt. Die Angeklagten haben Rechtsmittel eingelegt, die Staatsanwaltschaft will in Berufung gehen.
Die drei Termine dauerten jeweils bis zu neun Stunden. Von Beginn an hatten die Verteidiger Andreas Hüttl, Stefan Witte und Thomas Bratke auch unkonventionelle Methoden nicht gescheut: Am Vorabend der Verhandlung hatten Hüttl und Witte den TSG-Mäzen nach eigenen Angaben im St. Leoner Golfclub überrascht und mit ihm sprechen können – es hatte während des Verfahrens stets an einer ladungsfähigen Adresse Hopps gemangelt. Allerdings sei es ein Grundrecht jedes Angeklagten, Zeugen zu benennen und zu befragen. Gefolgt sei ein "durchaus wertschätzendes, offenes Gespräch" mit Hopp, sagt Witte. Zum Wiedersehen im Zeugenstand kam es trotzdem nicht.
Für das Verteidiger-Trio bleiben Fragen offen: Etwa wer "das Richtmikrofon", von dem Ermittler sprechen, in der Arena "über dem Block" der Gäste aufgehängt hat und was das Landesamt für Datenschutz davon hält. Formfehler und verstrichene Fristen will man bei der Stellung des Strafbefehls erkennen, genauso wie unvollständige oder "durch Zufall" auftauchende Akten. Zudem glaubt die Verteidigung, Beamte hätten während der Ermittlungen Kompetenzen überschritten und bei der Vorarbeit des Strafbefehls "Regiearbeiten" getätigt.
Schmährufe seien Teil einer rauen Kultur in Fußballstadien, von "Folklore" war die Rede. Die Angeklagten streiten ab, Hopp beleidigen zu wollen. Die Schmährufe seien als ritualisierte Form der Kritik am Modell Hoffenheim zu verstehen, schildern die Anwälte, nicht als vorsätzliche Beleidigung des "Wohltäters in dieser Region". Dies zumal Hopp selbst in Fernsehinterviews geäußert hatte, dass Schmährufe an ihm "abprallen" würden. Gutachten von Sport- und Kulturwissenschaftlern, eingehende Untersuchungen und eine Ladung Hopps oder seines Rechtsanwalts sollten die Sachverhalte klären. Die Beweisanträge – ein knappes Dutzend – wurden abgelehnt: Sie dienten nicht "der Wahrheitsfindung", hieß es.
Die zentrale Frage betrachten Richterin und Oberstaatsanwältin als beantwortet: Die drei Dortmunder hätten Hopp beleidigt und in seiner Ehre verletzt. Anhand von Video- und Tonmaterial seien sie eindeutig identifiziert worden. Hüttl hielt im 25-minütigen Plädoyer dagegen: Das Trio sei aus einer singenden rufenden Menge herausgedeutet worden, "nur weil man sie eben kannte". Eine "angemessene Verteidigung" sei "in Sinsheim unmöglich". Ein nächster Verhandlungstermin steht noch nicht fest.