Die „Alte Schule“ beherbergt neben fünf Vereinen auch das Heimatmuseum,
um das sich Marco Keller und die Vereinsmitglieder kümmern. Für den
Verein ist fraglich, ob man alle Exponate, wie die Schusterwerkstatt, in
einem anderen Gebäude unterbringen könnte. Fotos: Weber/Orths
Von T. Weber und F. Orths
Helmstadt-Bargen. Senioren- oder Vereinsheim? Die Pläne der Gemeinde, die "Alte Schule" in eine Pflegeeinrichtung umzufunktionieren und auf dem Gelände in der Pfarrstraße zusätzlich ein Seniorenheim bauen zu lassen, kommen bei den Vereinen, die sich das Haus momentan teilen, nicht gut an. Dies wurde nicht nur bei der Fragerunde im Gemeinderat, die Bürgermeister Wolfgang Jürriens vorgezogen hatte, deutlich.
Zunächst informierte der Bürgermeister, dass man möglicherweise einen Investor für den Umbau der ehemaligen Grundschule gefunden habe. Nach der Frage des Heimatvereinsvorsitzenden Marco Keller, wann das Gebäude verkauft wird und wann die Vereine, die im Gebäude ihr Domizil haben, ausziehen müssen, ging Wolfgang Jürriens in die Offensive: Bereits im Jahr 2012 lagen Pläne zu einem Umbau auf dem Tisch. Nach langem Hin und Her wurde jedoch kein Investor gefunden, der die Maßnahme finanzieren wollte. Damals sei durch die frühzeitige Information viel Staub aufgewirbelt worden und schlussendlich passierte nichts. Diesmal wolle man mehr Informationen auf den Tisch legen können, bevor Gespräche mit den Vereinen geführt werden, sagten der Bürgermeister und Hauptamtsleiter Joachim Weschbach unisono. Er sehe einen Mehrwert für alle drei Ortsteile, wenn in der Gemeinde eine Pflege- und Senioreneinrichtung entstünde, erläuterte Jürriens und untermalte seine Aussage mit Zahlen zum demografischen Wandel sowie der steigenden Pflegebedürftigkeit der Bevölkerung im Alter.
Die „Alte Schule“ beherbergt neben fünf Vereinen auch das Heimatmuseum, um das sich Marco Keller und die Vereinsmitglieder kümmern. Für den Verein ist fraglich, ob man alle Exponate, wie die Schusterwerkstatt, in einem anderen Gebäude unterbringen könnte. Fotos: Weber/OrthsDer Fahrplan des Projekts sehe zunächst eine Bedarfsanalyse und erst 2021 eine erste Besprechungsrunde mit den Beteiligten vor. Dies wäre dann voraussichtlich im ersten Quartal möglich, wenn man mehr wisse. Ist das dann noch nicht der Fall, könnte sich der Zeitpunkt dafür aber auch noch verschieben. Wenn alles passt, rechnet der Bürgermeister erst 2022 mit einem Baubeginn und in der Folge 2023 mit der Fertigstellung. Aktuell seien aber noch zu viele Fragen offen und die Situation sei zu unklar, um Gespräche mit den Vereinen zu führen.
Vonseiten der Vereinsvertreter bedauerte der Vorsitzende des ebenfalls betroffenen Chores "Quer Beat", Daniel Driedger, dass man nur über "Umwege" erfahren habe, dass das Thema wieder aktuell ist. Man hätte sich sehr gefreut, wenn die Verwaltung trotz aller noch offenen Fragen früher informiert hätte. "Wir fühlen uns als Vereine vor den Kopf gestoßen", war zu hören. In einem Rückblick hielt der Bürgermeister entgegen, dass aus seiner Sicht der Vorwurf weder für 2012 noch aktuell so richtig sei. Wegen der zu dürftigen Datenlage habe man bisher noch nicht ausreichend informieren können. "Mehr ehrlich können wir nicht sein", fand Jürriens, da ohne Vertragsentwurf und Aussagen des Denkmalamtes alles noch zu "unkonkret" sei.
In nicht öffentlicher Sitzung wurden im Gemeinderat allerdings bereits mögliche Ausweichquartiere für die Vereine andiskutiert, ergänzte der Bürgermeister. Dennoch wäre man von Vereinsseite froh gewesen wenn man "frühzeitig Betroffene zu Beteiligten" gemacht hätte, wurde von den Vereinsvertretern entgegen gehalten. So sei das Gefühl entstanden, dass den Vereinen als "Mieter" die Kündigung wegen Eigenbedarfs ins Haus stehe, "bei allem objektiven Verständnis für die Prozesse in der Gemeindeverwaltung". "Wir wollen konstruktiv mitmachen", unterstrich man von Vereinsseite versöhnlich für das weitere Vorgehen. "So manche ,WhatsApp‘-Nachricht ist dabei aber nicht hilfreich", ließ auch das Gemeindeoberhaupt seinen Unmut spüren. Seine Botschaft zum Schluss der Sitzung war ebenso deutlich: "Wir lassen unsere Vereine nicht im Stich!"
Die denkmalgeschützte "Alte Schule" wird den Vereinen von der Gemeinde bislang kostenlos zur Verfügung gestellt; auch die Stromkosten von rund 21.000 Euro im Jahr und die Heizkosten trägt die Gemeinde, wie der Vorsitzende Keller erläutert. Er betont aber, dass man das ja durch sechs Vereine teilen müsse. Reparaturen oder auch neue Fenster im Eingangsbereich habe der Heimatverein selbst gezahlt, zwischen 20.000 und 25.000 Euro habe der Verein seit seinem Einzug ins Gebäude gesteckt. Man erledige zudem die Hausmeisterarbeiten. "Es ist ein Geben und Nehmen", beschreibt Keller die Beziehung zur Gemeinde.
Auch eine Anwohnerin, die anonym bleiben möchte, kritisiert die Pläne: Sie und ihre Nachbarn in der Pfarrstraße machen sich vor allem Sorgen um die Ruhe in der engen Straße. Die sei dahin, wenn dort wegen des Altenheims mehr Verkehr ist. Und ein hohes Gebäude passe nicht ins Ortsbild, findet die Frau.
Keller betont im Gespräch mit der RNZ auch den kulturellen Aspekt des Gebäudes und den "seines" Heimatmuseums. In dem von der Gemeinde angedachten Zeitrahmen sei an einen Umzug nicht zu denken. Und auch das "Zusammenspiel" mit den anderen Vereinen, beispielsweise bei der Kerwe, könne nicht mehr funktionieren, sollten die Vereine im Ort verteilt werden – selbst wenn für alle eine passende Alternative gefunden würde. "Dieses Gemeinschaftliche wird’s so nicht mehr geben", glaubt Keller. Zudem fühlt er sich nicht ausreichend wertgeschätzt: "Fast jede Gemeinde ist froh, wenn sie ein Museum hat – nur hier anscheinend nicht." Zudem könne man das Museum "nicht einfach in zufällige Räume reinklatschen", sagt Keller und betont, dass das Gebäude auch für viele Bürger emotional behaftet sei – schließlich ging auch er hier früher noch zur Schule. "Ich verstehe auch die Gemeinde", sagt Keller, und gegen ein Seniorenheim hat er auch nichts – nur eben nicht an dieser Stelle im Ort. Und er macht klar: "Weggeworfen wird nichts."