Schausteller-Branche ist von Corona-Krise besonders stark betroffen
Die Weihnachtsmärkte waren die letzte Einnahmequelle. Die Absagen des Fohlenmarktes und der Heimattage sorgen nun für Existenzangst.

Sinsheim. (abc) Die Corona-Krise hat viele Branchen hart getroffen, wobei einigen sämtliche Einnahmequellen weggebrochen sind. Das gilt insbesondere für die Schausteller der Region, die weit mehr als die jüngst erfolgte Absage des Fohlenmarktes zu verkraften haben. "Es ist kein Geldfluss da, aber wir müssen trotzdem Kredite bedienen. Das gefährdet unsere Existenz", klagt das Eschelbacher Branchen-Urgestein Karl Trost.
Mit seinem Süßwarenstand gehört er seit Jahrzehnten zum Inventar des Fohlenmarktes und hat der Traditionsveranstaltung auch 2019 die Treue gehalten, als sie aufgrund der Sanierung des Festplatzes am Freibad lediglich in reduzierter Form rund um den Burgplatz stattfinden konnte. Auch die diesjährige Auflage am Rande des Baden-Württemberg-Tages war dort geplant, wird aber aufgrund der Corona-Krise und der Komplett-Absage der Landesheimattage in Sinsheim nicht stattfinden.
"Das ist für unseren Berufsstand tödlich", prophezeit Fohlenmarkt-Beschicker Willi Lowinger. Er und seine Kollegen hätten aufgrund abgesagter Volksfeste in der Region momentan zwar null Einkommen, müssten sich aber trotzdem solidarisch mit der Bevölkerung erklären. Die Sicherheit aller Mitbürger gehe vor: "Nicht dass wir zu schnell zur Normalität zurückkehren und dann vielleicht im Herbst wieder einen Rückfall bekommen", denkt der 73-jährige Wieslocher, der neben den Fohlenmarkt-Umsätzen unter anderem auch jene des Mosbacher Frühlingsfestes abschreiben muss. "Das kann man in den Monaten danach nicht mehr aufholen", betont Lowinger und rechnet mit massiven Einbußen, ja vielleicht sogar Insolvenzen innerhalb der Branche. Außerdem befürchtet er, dass die Menschen auch nach Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen nicht mehr ohne weiteres Volksfeste besuchen werden. "Virologen stufen Freiluftveranstaltungen als nicht ganz so gefährlich ein. Vielleicht ist das unser Vorteil", sieht Lowinger aber auch den einen oder anderen Hoffnungsschimmer.
Dies brauche Zeit. "Es geht nicht gleich wieder von null auf 100", schätzt der Fohlenmarkt-Beschicker, der der Corona-Krise auch Positives abgewinnen kann. "Ich habe noch nie eine so angenehme Zeit gehabt wie jetzt. Die Ruhe ist aber trügerisch, da es zwar nichts zu tun, aber auch nichts zu verdienen gibt", warnt Lowinger die Branchenkollegen vor Müßiggang. Zwar könnten auch Schausteller staatliche Finanzhilfen beantragen, doch seien diese letztendlich nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. "In drei Monaten muss ich meinen Mitarbeiter wahrscheinlich auf Kurzarbeit stellen. Der hat eine Familie zu ernähren und kommt mit dem reduzierten Lohn nicht aus."
Seitens des Schaustellerverbandes Heidelberg sind ähnliche Stimmen zu vernehmen: "Momentan ist das für uns eine Katastrophe. Da wohl frühestens im September wieder Großveranstaltungen stattfinden können, müssen wir eine extrem lange Durststrecke überwinden. Manche Kollegen haben auf den Weihnachtsmärkten das letzte Geld verdient", klagt der Vorsitzende Horst Kräher. Trotzdem bleibe er Optimist und hoffe dass kleinere Jahrmärkte nicht unter die Beschränkungen fallen. Ausdrücklich lobt Kräher derweil die aktuellen Finanzspritzen von Bund und Land. Zinslose Überbrückungskredite könnten die Probleme jedoch nicht lösen, da sich etliche Schausteller vor Saisonbeginn bereits verschuldet hätten. Und längst nicht jeder habe wie er ergänzende Einnahmen auf dem Wochenmarkt oder ein eigenes Grundstück, um dort Waren und Dienstleistungen anbieten zu können.
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Hinzu komme nicht ausreichende Unterstützung von Regierungsseite: "Sie stellten der Öffentlichkeit und uns in Aussicht, dass Partys und Volksfeste das Letzte seien, was wieder stattfinden werde, weil hier das Ansteckungsrisiko zu hoch und derartige Veranstaltungen am verzichtbarsten seien", kritisierte Schausteller-Präsident Albert Ritter.



