Eppingen/Bad Rappenau

Auch beim Bier zählt jeder Liter Öl

Der Rohstoffmangel und die Energiepreise belasten die lokalen Brauereien. Palmbräu investiert dennoch in erheblichem Umfang.

11.04.2022 UPDATE: 12.04.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 35 Sekunden
Trotz der Unsicherheit über die weiteren Auswirkungen des Ukraine-Krieges soll die Abfüllanlage der Palmbräu in Eppingen im kommenden Jahr für zwei Millionen Euro modernisiert werden, und auch in Sachen Energiesparen soll sich einiges tun. Foto: Armin Guzy

Von Armin Guzy und Falk-Stéphane Dezort

Eppingen/Bad Rappenau. Unsicherheit herrscht angesichts des Ukraine-Kriegs auch bei den Brauereien. Und das wird bald auch den Bierpreis für Verbraucher und Gastronomen steigen lassen. Wolfgang Scheidtweiler, Hotelier und Chef unter anderem der Eppinger Palmbräu und des Pforzheimer Brauhauses, will zwar noch einige Tage warten, um der gebeutelten Gastronomie doch etwas Luft zu verschaffen, doch fünf bis sieben Prozent mehr wird er seinen Kunden dann abverlangen – abverlangen müssen, wie er sagt –, um wenigstens einen Teil seiner eigenen Mehrkosten abzufangen.

Scheidtweiler beschreibt die Lage der Brauereien als "äußerst schwierig", sagt aber auch: "In Panik zu geraten, bringt jetzt auch nichts", und blickt zumindest so optimistisch in die Zukunft, dass er gerade den Vertrag für eine rund zwei Millionen Euro teure neue Abfüllanlage für die Palmbräu unterschrieben hat. Im kommenden Jahr soll sie geliefert und aufgebaut werden. "Der Standort Eppingen ist für uns ganz, ganz wichtig", begründet er – nicht nur, aber auch, weil in der Fachwerkstadt das gesamte Weizenbier des Scheidtweilerschen Brauereiverbunds gebraut wird.

Noch schneller investiert wird in Fotovoltaikanlagen, die schon in zwei Monaten auf alle Dächer der Brauereistandorte gesetzt werden sollen – das ist, neben der Optimierung von Aus- und Zulieferfahrten, nahezu die einzige Reaktionsmöglichkeit, die den energiehungrigen Brauereien angesichts der steigenden Preise bleibt. "Der Lastwagen muss voll sein", sagt Scheidtweiler, "jeder Liter Diesel zählt."

Der Druck auf die Brauer kommt von allen Seiten: "Selbst unser Etiketten-Lieferant will einen Frachtaufschlag", beschreibt der Brauerei-Chef die Misere – und das ist der kleinste Kostenfaktor. "Es gibt nichts, was im Moment stabil bleibt": Malz sei "auf dem Markt derzeit kaum zu kriegen", die Lieferfahrzeuge brauchen Diesel, die Mehrwegflaschen werden energieintensiv bei 80 Grad gereinigt und sterilisiert, und auch der Brauprozess selbst verschlingt Mengen an Öl (in Eppingen) oder Gas (in den meisten anderen Brauereien des Verbunds). 100 Liter Öl am Tag für die schon etliche Jahre alten Eppinger Kessel seien üblich, sagt Scheidtweiler, der seine Betriebe nun noch schneller als bisher energetisch sanieren will.

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Möglich sei diese Investition – insbesondere nach den Umsatzeinbußen während der Corona-Krise – durch "eine über Jahrzehnte erarbeitete Substanz", sagt Scheidtweiler. Bei seinen Hotel-Neubauten wie in Heilbronn oder auf dem Königstuhl in Heidelberg hat er von vorneherein auf beste Wärmedämmung, auf Solar- und Geothermie-Technik gesetzt. Brauen, die Maische erwärmen und den Sud kochen – das alles sei daher Energie-intensiver, als eines seiner Hotels zu betreiben.

Dass Großbrauereien den Mangel an ukrainischem Getreide durch ihre Marktmacht besser kompensieren können, sieht Scheidtweiler nicht: Auch mittlere und kleinere Betrieb seien nicht stärker von der Knappheit des Grundprodukts betroffen. Erst vor wenigen Tagen hat Scheidtweiler mit einem ukrainischen Landwirt gesprochen, dessen Familie er in einem Firmenapartment in Pforzheim untergebracht hat. Der Familienvater wolle zurück, berichtet Scheidtweiler, weil dessen Winterweizen bereits wächst, das Sommergetreide aber noch ausgesät werden muss. Das Problem sehe der Ukrainer dabei weniger im eigentlichen Anbau, der zumindest aktuell noch möglich ist, sondern darin, dass inzwischen etwa 30 Prozent seiner Felder vermint sind, gibt Scheidtweiler das Gespräch mit dem Landwirt wieder. Ob, wann und inwieweit der Ukrainer also ernten oder gar die Saat für die Sommergerste ausbringen kann, ist ungewiss.

Auch Scheidtweiler hofft auf ein baldiges Kriegsende, aber auch darauf, dass die gerade im Kraichgau ausgebrachte Sommergerste, das bekannte "Goldkorn", sich gut entwickelt und somit hilft, die Rohstoffknappheit zu verringern. Aber auch aus der Champagne bezieht er nennenswerte Mengen, die einiges abfedern können. Schließlich wartet ja auch noch die Eppinger Gartenschau, auf die sich Scheidtweiler nicht nur wegen der erhofften Absatzsteigerung – wie 2019 bei der Buga in Heilbronn – freut: "Das wird toll", ist er sicher.

Thomas Wachno bleibt optimistisch: „Ich glaube nicht, dass mir der Malz-Hahn zugedreht wird.“ Foto: Falk-Stéphane Dezort

Die Lage seiner Brauereien nach zwei Jahren Corona beschreibt Scheidtweiler, der sich selbst als "grenzenloser Optimist" bezeichnet, als "nicht schlecht". "Wir sind eigentlich mit allem noch gut durchgekommen", und "die Marke im Kraichgau", also Palmbräu, sei in der Pandemie sogar stärker geworden, vor allem als Flaschenbier. "Wir leisten uns den Luxus, noch in jeder Brauerei tatsächlich zu brauen, weil wir überzeugt sind, dass Bier eine Heimat braucht."

Auch auf kleine Brauereien wie "Häffner Bräu" in Bad Rappenau hat der Ukraine-Krieg große Auswirkungen. So musste Bauerei-Chef Thomas Wachno in den vergangenen Monaten die Preise bereits mehrfach erhöhen. Erst ist der Malzpreis im vergangenen Dezember um 35 Prozent gestiegen, dann folgte der Krieg. "Eigentlich müssten wir schon wieder anpassen, aber ich will es auch nicht überreizen", bedauert er. "Das, was ich nicht erhöhe, geht mir durch die Lappen. Wir haben Corona noch nicht verkraftet, und schon kommt der nächste Schlag." Problematisch sei auch, dass Großhändler versuchten, die Preise zu drücken. "Die hätten gerne dauerhaft Festpreise. Aber das funktioniert momentan nicht." Sorgenvoll schaut Wachno auf den Absatz. "Dass mit Preiserhöhungen nicht mehr Bier verkauft wird, ist auch klar."

Immerhin: Mit Blick auf die Rohstoff-Versorgung ist Wachno optimistisch. "Ich glaube nicht, dass mir der Malz-Hahn zugedreht wird." Darüber hinaus ist das Lager momentan gut gefüllt. "Wir haben auch nicht die riesigen Mengen." Aber man müsse nun weiter vorausplanen und diverse Wartezeiten mit einrechnen. Schwieriger sei es mit dem Heizöl. "Da sehe ich die große Belastung." Ebenfalls problematisch ist es, dass das Hotel, an dem die Brauerei angeschlossen ist, aktuell keinen Stromvertrag bekommt, sondern sich immer von Monat zu Monat hangeln muss.

"Es ist normal, dass wir Energie sparen, wo wir können. Da sind wir schon immer hinterher", antwortet Wachno auf die Frage, wie man den Ablauf bei "Häffner Bräu" optimieren könne. "Wir versuchen, das Beste rauszuholen und öfter den Stapler stehen zu lassen. Die meiste Energie können wir sparen, wenn wir so viel Bier wie möglich an einem Tag abfüllen." Daher macht der Brauer in den kommenden Tagen seine Lager voll und hofft "auf einen guten Sommer mit vielen Festen".

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