Stolpersteine wie diese hier in Bretten sollen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. In der Fachwerkstadt werden in diesem Jahr 14 an fünf ehemaligen Wohnstätten jüdischer Bürger verlegt. Foto: Angela Portner
Von Angela Portner
Eppingen. Verhöhnt, beleidigt, geschlagen, vertrieben und ermordet: Auch in der Fachwerkstadt mussten jüdische Bürger das in der Zeit des Nationalsozialismus erleiden. Einige konnten die Stadt gerade noch verlassen, bevor sie deportiert wurden. Meist jedoch verschob sich dadurch ihr Tod nur zeitlich und örtlich – nach Gurs, nach Majdanek, Sobibor, Auschwitz oder Buchenwald. In diesem Jahr werden zur Erinnerung an sie von Gunter Demnig Stolpersteine verlegt. Die Aktion wurde vor längerer Zeit vom Verein "Jüdisches Leben Kraichgau" angeregt. Stadtarchivarin Petra Binder leitet die Arbeitsgemeinschaft.
Vor ihren letzten frei gewählten Wohnstätten werden mit Messingplatten belegte Steine in den Boden eingelassen. Sie sollen erinnern und mahnen. Geplant sind 14 Steine. Auf ihnen stehen Namen wie die von Sophie, Martha, Betty und Ernst Frank oder Berta und Simon Siegel. Berta war Tochter des Bäckers Jacob Fürth, er Buchhalter in der jüdischen Gemeinde und im Ort ein "sehr angesehener" Mann. Beide wohnten zur Miete bei "Fräulein Emma Schühle".
Binder hat bei ihren Recherchen im Stadtarchiv eine bis dato noch unbekannte Akte gefunden. Sie belegt, dass das Ehepaar zwangsweise ins Armenhaus umgesiedelt wurde, als 1939 das Gesetz zur "Zusammenfassung der Juden" in Kraft trat. "Ghettoisierung ohne Ghetto", nennt es die Stadtarchivarin.
Die Reise in den Tod traten die Siegels gemeinsam mit dem Ehepaar Julius und Liesel Sternweiler an. Letztere wurden von Gurs ins Internierungslager Recebedou verschleppt, in dem beide nur wenige Tage nach ihrer Ankunft starben. Für Siegels werden Stolpersteine im Linsenviertel, in der Fleischgasse die für die Sternweiler gesetzt.
In der Bahnhofsstraße werden sie hingegen an die Familie Dreifus erinnern. Vater Leopold war Viehhändler. Als er am 30. Mai 1939 starb, sorgte sein Freund Heinrich Vogel gegen alle Widerstände dafür, dass er auf dem jüdischen Friedhof begraben wurde. Der damals verweigerte Grabstein wurde erst im September 2019 gesetzt. Seine Frau Elsa zog nach seinem Tod mit den Kindern Paula und Alfred auf Druck der Nationalsozialisten nach Rastatt. Dort wurden sie 1940 gemeinsam mit anderen badischen Juden nach Gurs deportiert. Sie starb später in Auschwitz, Sohn Alfred wenige Tage nach der Befreiung in Bergen Belsen.
Auf den Stolpersteinen werden ihre Namen, Geburts- und Todesdaten sowie die Orte stehen, an denen sie umgebracht wurden. Doch das, was sie in der Zeit des Nationalsozialismus erlebt haben, ist nicht in Worte zu fassen. Gedemütigt, entrechtet, enteignet, geschlagen, verschleppt, getötet oder zur Zwangsarbeit gezwungen. Davor waren sie angesehene Nachbarn: fleißig, ehrlich und hilfsbereit. Ihre Kinder wollten spielen und lernen, wie andere auch. Ihnen wurde nicht nur die Kindheit, sondern auch die Zukunft geraubt.
Einer von ihnen war Hans Bravman, der mit seinen Eltern 1940 deportiert und später in Auschwitz ermordet wurde. Sein Schicksal geht besonders den Schülern der Selma-Rosenfeld-Realschule nahe. Deshalb haben sie die Patenschaft für seinen Stolperstein übernommen. "Elf Steine sind bereits in festen Händen", erzählt Vereinsvorsitzende Elisabeth Hilbert. Mit ihr und Projektleiterin Binder sind im Arbeitskreis jeweils zwei Lehrerinnen der Realschule, Mitglieder der Heimatfreunde und ein weiteres Mitglied vom Verein "Jüdisches Leben Kraichgau" tätig. Die Schirmherrschaft hat Oberbürgermeister Klaus Holaschke übernommen.
Die Stadtkasse indes soll die Erinnerungsinitiative nicht belasten. "Wir wollen alles mit Spenden finanzieren", erklärt Hilbert. Dabei kann man die Patenschaft über einen Stein übernehmen. Kosten von 120 Euro fallen dafür an. Durch das und die vielen Einzelspenden habe man bereits jetzt den größten Teil inklusive der Reisekosten des Künstlers zusammen. Zur Verlegung möchten auch Gideon Süsskind mit Familie und Zeev Elkoshi aus Israel anreisen. Beide sind mit den Opfern verwandt.
Spendenkonten:
Verein "Jüdisches Leben Kraichgau"
Kreissparkasse Heilbronn
IBAN: DE31 6205 0000 0000 1278 04
Verein "Jüdisches Leben Kraichgau"
Volksbank Kraichgau Wiesloch-Sinsheim eG
IBAN: DE05 6729 2200 0014 5263 07