Von Armin Guzy und Julian Buchner
Eppingen-Adelshofen. Nach einem Großbrand auf dem "Dammhof" zwischen Adelshofen und Richen sind drei Gebäude zerstört und 16 Menschen obdachlos. Eine Person wurde leicht verletzt. Der Sachschaden soll weit über einer Million Euro liegen. 100 Feuerwehrleute aus Eppingen, Lauffen und Heilbronn kämpften gegen die Flammen, konnten den Schaden aber nur noch begrenzen. Brandermittler der Kripo Heilbronn versuchen nun, die Ursache für das Feuer zu finden, auch mithilfe eines Brandspürhundes. Ermittelt wird in alle Richtungen, teilte die Polizei mit.
Das sind die nüchternen Zahlen und Fakten. Die Schicksale dahinter, aber auch die Hilfsbereitschaft, lassen sich damit kaum abbilden. Da ist der Bewohner mit seiner schwerkranken Frau, der nun vor riesigen Problemen steht. Da ist ein Mitarbeiter des Aussiedlerhofes, dessen Arbeitsstelle betroffen ist; die Frau, die sich nun mit Hund und Katzen in einer Einzimmerwohnung der Stadt arrangieren muss. Da sind Familien und Einzelpersonen, die Hab und Gut verloren haben. Und da ist der adelige Gutsverwalter, der auf dem Hof aufgewachsen ist, als Kind hier gespielt hat – und nun auf zwei gemauerte Schornsteine starrt, die aus dem Gewirr eingestürzter, schwarzer Dachbalken ragen. "Traurig", sagt Horst von Gemmingen am Morgen nach dem Brand. Er schildert, dass der Hof nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder aufgebaut wurde, die Geschichte des Weilers somit noch weiter zurückreicht. Alles denkmalgeschützt – man kann die Brandruinen also nicht einfach abreißen und sie durch etwas komplett Neues ersetzen. Versicherungen und Denkmalamt werden mitreden.
Einer der drei Gebäudekomplexe des "Dammhofs" ist größtenteils zerstört. von Gemmingen schätzt den Schaden siebenstellig. Feuerwehrleute löschen noch einzelne Glutnester, andere betreuen die Obdachlosen im Gerätehaus in Eppingen, bringen unbeschädigtes Inventar in Sicherheit; Kriminaltechniker tüten mögliche Hinweise auf die Brandursache ein. Alles ist nass und matschig, die feuchte Luft hält den Brandgeruch fest.
In der Ecke eines Außengeheges hat sich "Nelson", eine seltene Bengalkatze, zusammengerollt. Wie mag er die dramatischen Ereignisse erlebt haben; die Flammen, die gegen 5.15 Uhr entdeckt wurden? Den Großeinsatz, als die Feuerwehr anrückte und alle 26 Bewohner des Komplexes in Sicherheit brachte? Nutzvieh gibt es hier seit 1999 nicht mehr; der Stall wurde zu Wohnzwecken umgebaut. Daher gibt es auch keine tierischen Opfer zu beklagen.
Oberbürgermeister Klaus Holaschke hat sich ein Bild der Lage gemacht und Ordnungsamtsleiter Günter Brenner sein Team von anderen Aufgaben abgezogen, damit die 16 Menschen, die auf unabsehbare Zeit ihre Bleibe verloren haben, zumindest notdürftig untergebracht werden können. Bis zum Mittag gelingt das in 15 Fällen (eine Person hat sich offenbar selbst etwas gesucht) – durch das Engagement des Ordnungsamt-Teams und auch dank der Hilfe Dritter. Adelshofens Ortsvorsteher Steffen Gomer beispielsweise vermittelt Unterkünfte bei Privatfamilien, Gutsverwalter von Gemmingen bringt zwei Familien in anderen Wohnungen unter. Und die katholische Sozialstation schaffe es tatsächlich, das gravierendste Problem zu lösen und zumindest übergangsweise einen geeigneten Platz für die schwerkranke Frau zu finden.
Was ihr Mann in den Stunden nach dem Brand erlebt, ist haarsträubend: Auf einen Schlag sind alle Pflegeutensilien weg, er sitzt mit seiner Frau, die einen speziellen Rollstuhl und ein spezielles Bett benötigt – der Rollstuhl konnte immerhin gerettet werden – in seinem umgebauten Auto und weiß nicht, wohin. Er soll hier Rudolf heißen, sein eigentlicher Name ist der Redaktion bekannt. Die große Not des Paares ist für alle offensichtlich, und die Rettungsleitstelle bemüht sich um einen Klinikplatz für einen oder zwei Tage. Die Frau ist zwar nicht verletzt, aber seit Jahren in der höchsten Pflegestufe eingruppiert und umfassend auf Hilfe angewiesen.
Was dann schiefläuft, ist noch nicht geklärt. Jedenfalls bekommt Rudolf einen Zettel mit der Adresse der SLK-Kliniken. Die Leitstelle habe dort "notfallmäßig" ein Bett organisiert. Er fährt seine Frau umgehend mit seinem Spezialfahrzeug nach Heilbronn – und wird dort abgewiesen. Wie er sagt mit den Worten: "Wir sind kein Hotel." Ziemlich aufgelöst sei er gewesen, und es sei im schwergefallen, ruhig zu bleiben, schildert er.
Wo der Kommunikationsfehler liegt, ist unklar. Beim Klinikverbund, den die RNZ gestern mit der Aussage Rudolfs konfrontierte, war seine Frau wohl nicht angemeldet, offenbar aber in Sinsheim, wie die Klinik beim DRK in Erfahrung brachte. "Das war wohl ein Missverständnis bei der Adresse", vermutet SLK-Sprecherin Marlies Kepp, vielleicht den dramatischen Umständen geschuldet. Dem Vorwurf der ungeheuerlichen Zurückweisung werde die Klinik gleichwohl nachgehen.
Weil auch bei der Stadt niemand weiß, wie man mit dem Problemfall umgehen soll, sucht sich Ordnungsamtsleiter Brenner Hilfe – und findet sie bei der katholischen Sozialstation, die die Frau bereits seit Längerem betreut. Nur: Der von der Sozialstation organisierte Pflegeplatz hat einen Haken: Man braucht einen Corona-Test. Und inzwischen ist es Freitagmittag, für viele ist schon Feierabend. Der Eppinger Arzt Christoph Dorschner kann zwar mit einem Test helfen, ins Labor fahren muss Rudolf die Probe aber bis 18 Uhr selbst. Es gelingt, und am Abend wird seine Frau in einem Heim aufgenommen – aus Kulanz und so lange separiert, bis das Testergebnis vorliegt.
Einen immateriellen und wohl nicht mehr zu ersetzenden Verlust hat Rudolf bereits am Nachmittag am Telefon benannt: "Wir waren eine wunderbare Hofgemeinschaft."
Update: Freitag, 16. Oktober 2020, 19.28 Uhr