Von Ralf März
Angelbachtal. Seit vergangenem Herbst ist die Eichtersheimer Hauptstraße (Bundesstraße B292) wegen der Generalsanierung für den Verkehr voll gesperrt. Die Arbeiten könnten über den Jahreswechsel hinaus andauern: Von acht Wochen Verzug sprach Gemeinde-Bauverwaltungsleiter Daniel Oestrich am bei der Gemeinderatssitzung. Ein Überblick:
> Der überregionale Schwerverkehr wird seit Baubeginn auf andere Straßen umgeleitet, beispielsweise auf die B 39, was bis auf Ausnahmen zu funktionieren scheint. Für Autos, Linienbusse und den örtlichen Lieferverkehr wurden Umleitungsstrecken eingerichtet, die durch die Wohngebiete führen. Dagegen formiert sich nun Widerstand einiger Anwohner. Aber auch vonseiten der evangelischen Kirchengemeinde, die im Wohngebiet einen Kindergarten betreibt, wurden dem Gemeinderat und dem Bürgermeister Ideen vorgelegt, um vor allem Raser auszubremsen.
> Deutliche Kritik gibt es im sechsseitigen Schreiben der "Interessengemeinschaft wirksame Verkehrsberuhigung", das der RNZ vorliegt, und das inzwischen durch eine E-Mail an Gemeinderäte und Verwaltung nachgeschärft wurde. Nach etlichen Beschwerden habe sich die Verkehrssituation in Ring-, Heimbach- und Frankenstraße nicht verbessert, ist darin zu lesen. Zuständigkeiten verschiedener Behörden würden hin und her geschoben, niemand fühle sich verantwortlich, ist ein weiterer Kritikpunkt. Im Fokus steht Bürgermeister Frank Werner, aber auch die evangelische Kirchengemeinde wird angegriffen, die offenbar nicht mit der Interessengemeinschaft zusammenarbeiten wollte. Nach den unserer Zeitung vorliegenden Informationen hatte der Kirchengemeinderat einstimmig entschieden, das Begehren der IG nicht mitzutragen und ein eigenes Schreiben an die Gemeinde zu verfassen. Auch das Sammeln von Unterschriften im Kindergarten wurde untersagt.
> Unterschrieben haben auf den Listen der IG zahlreiche Anwohner der Franken- und Heimbachstraße, Eltern von Kindergartenkindern, aber auch Auswärtige, die sich offensichtlich für eine Verkehrsberuhigung im Angelbachtaler Wohngebiet starkmachen. Auffällig ist, dass es kaum Unterschriften aus der Heinrich-Fürstenberger-Straße gibt, durch die der Umleitungsverkehr in südlicher Richtung führt.
> Zur Funktionsfähigkeitder Umleitungsstrecken, über die wir vor einigen Wochen berichtet hatten, gibt es unterschiedliche Auffassungen: Kaum Behinderungen scheint es beim Verkehrsfluss durch die Tempo-30-Zonen zu geben, längere Rückstaus bilden sich kaum. Dies rühre auch daher, dass zahlreiche Fahrzeuge großräumiger auf die Wusseldornstraße ausweichen, bestätigt Bürgermeister Werner mit Blick auf die elektronisch gezählten Fahrzeuge. Auch Werner Schleifer, Leiter der zuständigen Verkehrsbehörde, des Ordnungsamtes Sinsheim, bestätigte auf Anfrage, dass es keine bekannten Behinderungen für den Verkehrsfluss gebe.
> Ganz anders sieht das hingegen die IG: Sie berichtet von Rasern, aggressivem Verhalten der Verkehrsteilnehmer, Lärm, Ausweichen auf den Bürgersteig und drei totgefahrenen Katzen. Eltern mit Kindern oder gehbehinderte Menschen hätten oft große Mühe, gefahrlos auf den Gehweg gegenüber zu gelangen, heißt es weiter. Als Problem wird gesehen, dass viele Verkehrsteilnehmer nicht der beschilderten Umleitung durch die Heinrich-Fürstenberger-Straße folgen, sondern durch die Heimbachstraße fahren.
> Die Vorschlägeder IG sind vielfältig und reichen von "diese Straße muss für den Durchgangsverkehr gesperrt werden", über "halbseitige grüne Inseln", Bodenschwellen und Einbahnstraßenregelungen, bis hin zu verkehrsberuhigten Bereichen.
> Die Ideender Kirchengemeinde beziehen sich ausschließlich auf den Bereich des Kindergartens und beschränken sich auf Blumenkübel im dortigen Bereich, um den Verkehr zu verlangsamen, sowie auf Hinweisschilder mit der Aufschrift "Kindergarten" und entsprechender Zeitangabe. Der Kirchengemeinderat weist darauf hin"dass unser Anliegen ein langfristiges ist, und sich nicht nur auf den aktuell erhöhten Verkehr während der Sperrung der Hauptstraße bezieht."
> Der Gemeinderatsprach am Montag unter dem Punkt "Anfragen und Mitteilungen" kurz über das Thema. Deutlich machte Bürgermeister Werner dabei, dass er die kurzfristig eingegangenen Vorschläge aufarbeiten und dann zunächst mit der zuständigen Verkehrsbehörde und der Polizei abstimmen müsse. "Wir nehmen das Anliegen der Bürger ernst," erklärte er, wies aber auch darauf hin, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gebe: Was dem einen nutze, schade eventuell einem anderen. Eine Diskussion, über die Einrichtung einer Einbahnstraße wolle er im Rat jetzt nicht führen, erklärte Werner zum Redebeitrag von Christoph Haag, der zuvor auch gelobt hatte, dass sich die Kirchengemeinde einbringe. Heimo Linse gab mit Blick auf die angeregten "grünen Inseln" oder Blumenkübel zu bedenken, dass es fraglich sei, ob es etwas bringe "alles anzuhalten und dann wieder in Bewegung zu setzen". Lukas Del Monego schlug Bodenschwellen statt Blumenkübel vor, Karl Kern wollte wissen, bis wann mit Rückmeldungen der Behörden zu rechnen ist.
Die Abstimmung mit der Verkehrsbehörde solle kurzfristig erfolgen, erklärte der Bürgermeister. Dieser möchte auch die Anwohner der Straßen einbeziehen. Ein Gespräch mit allen betroffenen Bürger sei aufgrund der Corona-Vorgaben derzeit aber nicht möglich, sagte Werner. In einem ersten Schritt wurden daher die Anwohner der Heimbachstraße schriftlich eingeladen. Das Gespräch soll am kommenden Donnerstag stattfinden.
> Beim Anwohnergespräch dabei sein wird auch Ordnungsamtsleiter Schleifer, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Er berichtete von verschiedenen Geschwindigkeitskontrollen im Gebiet, eine Statistik wolle er kommende Woche vorlegen. Zuständig für die Geschwindigkeitsüberwachung in Angelbachtal und auch in Zuzenhausen ist im Rahmen der Verwaltungsgemeinschaft seine Behörde, bestätigte er. Die Gemeinde Angelbachtal kann selbst keine bußgeldbewehrte Geschwindigkeitsüberwachung durchführen, werde aber in die Planung der Kontrollen einbezogen. Damit widersprach Schleifer auch einer Aussage, die die "IG wirksame Verkehrsberuhigung" hinsichtlich des Angelbachtaler Ordnungsamts gemacht hatte.
> Bisher ungeklärt ist, ob im Eichtersheimer Wohngebiet tatsächlich Schilder "ohne Verwaltungsakt" entfernt wurden, wie die IG vermutet. Aus den 1970er-Jahren stammen soll eine Beschilderung "Durchfahrt verboten/Anwohner frei" im gesamten Wohngebiet. Eventuell könnte die Beschilderung mit Einführung der Tempo-30-Zonen vor Jahrzehnten entfernt worden sein, mutmaßt Bürgermeister Werner. Auch für Schleifer wäre das eine mögliche Erklärung. Grundsätzlich sei für das Entfernen solcher Schilder ein Verwaltungsakt notwendig, sagt er. Jedoch müsse nicht jede verkehrsrechtliche Anordnung über mehrere Jahrzehnte archiviert werden.