Angelbachtal

Dieser geplante Kreisverkehr ist mehr als umstritten

Die Planungen für einen Kreisverkehr sorgen für Diskussionen - Altes Gasthaus "Löwen" müsste abgerissen werden

26.05.2020 UPDATE: 27.05.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden
Der „Löwen“ könnte abgerissen werden, um Platz für einen kleineren Kreisverkehr zu machen. Einen Zeitplan gibt es dafür noch nicht, der Gemeinderat müsste erst noch entscheiden. Foto: Ralf März

Von Ralf März und Christian Beck

Angelbachtal. Die Entscheidung zur Überplanung der Kreuzung im Michelfelder Ortskern – hier treffen sich L551, K4177 und die Luisenstraße – fiel im Gemeinderat schon im Jahr 2017, einstimmig. Zuvor hatten die Bürgervertreter bereits für den Kauf des angrenzenden Gasthauses "Löwen" gestimmt. Das seit mehr als zehn Jahren geschlossene Traditionsgasthaus sollte Platz machen für einen besseren Verkehrsfluss: Die Entwürfe für einen Kreisverkehr lagen damals auf dem Tisch. Jetzt nimmt das Thema Fahrt auf, zuletzt machte sich die Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder aus Karlsruhe ein Bild von der Kreuzung. Am Stammtisch kann momentan kaum über das Thema diskutiert werden, in den sozialen Medien schon. Die RNZ fragte nach den Hintergründen der Entscheidung sowie nach kritischen Stimmen.

> Die Vorgeschichte: Das Gasthaus samt Nebengebäude befand sich, bis es die Gemeinde im Jahr 2016 kaufte, im Privatbesitz. Nachdem die Wirtsfamilie Kohse 2009 ins Tennisgasthaus umgezogen war, konnte lange Zeit kein neuer Pächter gefunden werden. Zahlreiche Interessenten hätten das Gebäude seinerzeit besichtigt, erinnert sich Bürgermeister Frank Werner an Gespräche, der einstige Besitzer ist inzwischen verstorben.

Ein Interessent hatte sogar begonnen, die Küche zu entkernen, konnte allerdings wegen des hohen Investitionsbedarfs sein Vorhaben nicht umsetzen. Zurück blieb eine "Investitionsruine". Im Rahmen der Ortssanierung erhielt die Gemeinde später das Vorkaufsrecht, ein Wertgutachten zur Kaufpreisermittlung wurde erstellt und mit Zustimmung des Gemeinderates das Gebäude erworben.

> Kritisch steht Dr. Axel Derks diesen Plänen gegenüber. Im Jahr 2017 hat er als Gemeinderat für die Überplanung der Kreuzung gestimmt. "Das war ein Fehler", räumt er nun auf RNZ-Nachfrage ein. Er schlägt vor, den "Löwen" zu erhalten. Nach der Entkernung könnte darin bezahlbarer Wohnraum entstehen, im Erdgeschoss eine Wirtschaft, von denen es im Ort zu wenige gebe. Ein Abriss hinterlässt seiner Meinung nach eine Lücke. An der Kreuzung ereignen sich seines Wissens nur wenige Unfälle. Der Kreisverkehr sei keine Aufwertung für Michelfeld, sondern eine Verschleuderung von Steuergeldern.

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> Die Bausubstanz ist alt und in einem schlechten Zustand: niedrige Decken, kaum eine Tür ohne Schwelle, knarzende Holzböden. Eine enge Treppe führt zum Nebenzimmer ins Obergeschoss, hinzu kommen alte Fenster, ein durchhängendes Dach und keine ausreichenden Sanitäranlagen. Stehen bleiben würden im Falle einer Sanierung wohl nur die Außenwände. Die Sanierungskosten wären hoch, zudem müsste sich ein Wirt finden. Dies dürfte nicht einfach werden, denn in manch anderer Speisegaststätte im Ort gingen in den letzten Jahren auch die Lichter aus. Zudem müssten für die Erlangung einer neuen Gaststättenkonzession Parkplätze nachgewiesen werden. Ideen für eine andere Nutzung des Gebäudes gibt es momentan nicht, berichtet Werner.

> Und der "Hirsch"? Kaum verglichen werden kann der "Löwen" mit dem alten Eichtersheimer Gasthaus "Hirsch", in dem vor rund 30 Jahren das letzte Bier über die Theke ging. Dort fand sich ein Investor, der dort im Moment ein Wohnungsprojekt realisiert. Doch das rund 2100 Quadratmeter große Gelände in Eichtersheim ist im Vergleich zum "Löwen"-Gelände mit seinen 316 Quadratmetern riesig, 13 Wohneinheiten und 25 Stellplätze sollen dort entstehen. Vom "Hirsch" bleibt letztendlich nur die denkmalgeschützte Fassade zur Hauptstraße hin. Denkmalschutz gibt es beim "Löwen" nicht. Das Gebäude wird vom Landesamt für Denkmalpflege aber als "prägend für das Straßen- und Ortsbild" und damit als "erhaltenswert" eingestuft, wie Dr. Melanie Mertens vom Landesamt für Denkmalpflege mitteilt.

> Als Unfallschwerpunkt wird die Kreuzung in der Michelfelder Ortsmitte nicht nur von zahlreichen Anliegern gesehen. Rund 11.000 Fahrzeuge passieren im Schnitt täglich den Knotenpunkt. Im Jahr 2016 erfolgte eine Unfallhäufungsmeldung des Polizeipräsidiums Mannheim an die Baulastträger der Straße mit dem Hintergrund, die Sicherheit der Kreuzung zu verbessern. Ein von der Gemeinde im Jahr 2018 in Auftrag gegebenes Gutachten des Karlsruher Fachbüros Koehler & Leutwein bestätigte, dass "der Knotenpunkt in der vorfahrtsgeregelten Variante nicht ausreichend leistungsfähig ist, sodass die aktuellen und zukünftigen Verkehrsbelastungen am Knotenpunkt nur mit langen Wartezeiten abgewickelt werden können." Weiter steht dort, dass ein Mini-Kreisverkehr zu bevorzugen ist. In der jüngeren Vergangenheit haben sich dort wenige Unfälle ereignet. Werner verweist darauf, dass seit gut zwei Jahren die Waldangellocher Ortsdurchfahrt saniert wird und auch in Michelfeld lange gebaut wurde, somit weniger Verkehr die Kreuzung passiert. Doch dieser Verkehr wird zurückkommen, ist sich der Bürgermeister sicher.

> Ein Mini-Kreisverkehr könnte die Lösung sein. Vorgeschlagen wurde dieser unter anderem bei einer großen Verkehrsschau. Mit einem Durchmesser von 19 Metern könnte er in etwa so groß werden, wie der Kreisel in der Nähe des Rathauses in Sinsheim, an der Kreuzung zur Stiftstraße. Auf Grund des kleineren Durchmessers müsse die Kreiselmitte überfahrbar gestaltet werden, um längeren Fahrzeugen das Abbiegen zu ermöglichen.

> Alternativen für die Beseitigung des Verkehrsproblems gibt es nicht, sagt Werner. Platz für Einfädel- oder Abbiegespuren fehle in der Ortsmitte durch die dortige Bebauung. Eine Ampelanlage dürfte zu größeren Rückstaus führen, sei für diese Stelle ungeeignet und nicht nur im Bau, sondern auch in der Unterhaltung teuer. "Der Kreisverkehr nimmt aber kein Verkehrsaufkommen", fügt er hinzu. Hier würde nur eine Ortsumgehung helfen, die "über Berg und Tal" weit um Angelbachtal herumführen müsste: Sie sei in absehbarer Zeit nicht realisierbar.

> Ein Durchfahrtsverbot für Lastwagen in der Ortsdurchfahrt wäre zwar wünschenswert, werde vom Land jedoch abgelehnt, erklärt der Bürgermeister. Ein solches besteht seit einigen Jahren auf der B 292 zur Reduzierung des Maut-Ausweichverkehrs. Weiter erlaubt ist aber der regionale Lieferverkehr bei einem Radius von 75 Kilometern, "der die größte Belastung bringt", sagt Werner.

> Einen Zeitplan für den "Löwen"-Abriss und den Bau des Kreisels gibt es noch nicht. Derzeit kläre man die Finanzierung mit Kreis und Land, war aus dem Rathaus zu erfahren. Dann müsse die Detailplanung erfolgen und dabei auch die Leitungen im Untergrund berücksichtigt werden. Die Wasserleitung stamme beispielsweise aus dem Jahr 1907, während unserer Recherchen in der letzten Woche ereignete sich nur 100 Meter weiter ein Rohrbruch.

> Die Kosten: Der Kreisel dürfte etwa 300.000 Euro kosten, die voraussichtlich Land und Kreis tragen würden, für die Gesamtmaßnahme rechnet Werner mit über einer Million Euro. Zahlreiche Beschlüsse muss hierzu auch noch der Gemeinderat treffen.

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