Von unserer Redaktion
Sinsheim. Der Ausnahmezustand endete am Sonntag um 15.06 Uhr. Nach 25 Stunden und sechs Minuten herrschten wieder geordnete Verhältnisse in Sinsheim und den Gemeinden entlang der Umleitungsstrecke: Die Autobahn war wieder frei. Genau um 17.34 Uhr hatten am Samstag nach mehrstündiger Vorarbeit fünf schwere Bagger mit dem Abbruch der Autobahnbrücke zwischen Quellbergweg und Lordhöhe begonnen. Zu dieser Zeit schob sich nach der Vollsperrung der A 6 eine Blechlawine durch Teile des Kraichgaus. Das Wochenende im Überblick:
Die Verkehrssituation am Samstag und Sonntag: Nachdem am Samstag Punkt 14 Uhr die Sperrbarken an den Abfahrten Sinsheim und Sinsheim-Süd gestellt waren, dauerte es keine 15 Minuten, bis der Rückstau Dühren, dann Eschelbach erreicht hatte. Teilweise mussten Autofahrer aus Richtung Wiesloch kommend über anderthalb Stunden im Stau stehen, Ähnliches galt aus Heilbronner Richtung. Und noch am Abend gegen 22 Uhr dauerte es aus westlicher Richtung über eine Stunde, von Heilbronn kommend rund 45 Minuten, um das nur rund zwei Kilometer lange Autobahnteilstück zu umfahren. Am Sonntag war kurz vor 15 Uhr Dühren noch komplett "dicht" - was die Zeiten anging, wiederholte sich die Situation vom Samstag.
Hat sich die Umleitungsstrecke bewährt? Die Planer sagen ja. Autofahrer sehen dies möglicherweise anders: Bis zu eineinhalb Stunden brauchte es, um von der A 6 durch die Dührener-, Jahn- und Neulandstraße wieder zur Autobahn zu gelangen - selbst wenn die Polizei ihr Bestes gab. Die Kreisverkehre waren überlastet und sorgten für quälende Minuten bei Temperaturen über 30 Grad.
Hätte man die Umleitung nicht splitten können? Geplant wurde die Umleitung vom Regierungspräsidium, das sich bei künftigen Vorhaben die Frage stellen muss, ob ein Split der Umleitungsstrecke nicht mehr Sinn ergibt: Es wäre möglich, einen Teil des Verkehrs auf der B 292 über Waibstadt und Neckarbischofsheim zur Anschlussstelle Bad Rappenau zu leiten. Ordnungsamtsleiter Werner Schleifer ist skeptisch: Die Erfahrung habe gezeigt, dass großräumige Umleitungen "oftmals schlecht angenommen" würden.
Abriss der Sinsheimer A6-Brücke - Die FotogalerieWar der Brückenabriss überhaupt nötig? Nicht unbedingt. Viel Stahlbeton wurde 1960/61 in der massiven Konstruktion verbaut. "Die hätte auch noch 100 Jahre gehalten", verrieten Arbeiter und Techniker der Baustelle unter vorgehaltener Hand. Allerdings lag die Tragfähigkeiten nach Angaben der Autobahnbetriebsgesellschaft "bei zwölf Tonnen", so ein Sprecher: Heutige landwirtschaftliche Fahrzeuge seien bisweilen deutlich schwerer. Auch sei "die Lebensdauer" allmählich überschritten gewesen: "Spätestens im Jahr 2030" hätte der Abbruch dann erfolgen müssen.
Warum wurden die beiden Brücken nicht zeitgleich abgerissen? Bereits am kommenden Wochenende wird die nächste Brücke im Steinsfurter Burgweg abgerissen. Unter Schaulustigen kam daher die Frage auf, ob ein zeitgleicher Abriss beider Bauwerke nicht nervenschonender und kostengünstiger gewesen wäre. Hintergrund des geplanten Vorgehens seien mangelnde Kapazitäten bei Baufirmen, die für solche komplizierten Abbrucharbeiten spezialisiert sind, hieß es.
Warum keine Sprengung? Ein Sprecher der ViA6West, die das Teilstück gepachtet hat und die Bauarbeiten durchführte, sagte, für eine Sprengung liege die Brücke zu nah am Wohngebiet.
Zeit ist Geld. Jeder Stunde, die die Autobahn gesperrt ist, kostet die Betreibergesellschaft ViA6West etwa 10.000 Euro. Dieser Betrag geht nämlich als Mautgebühr für den Streckenabschnitt bei Sinsheim flöten. Deshalb ging es mit voller Mann- und Maschinen-Power ans Werk: 60 Leute waren im Einsatz, dazu ein Dutzend Lkw und Bagger, darunter ein fernsteuerbarer Brummi.
Die Brücken-Umleitungen betreffen hauptsächlich Erholungssuchende im Großen Wald, die Bewohner der Lordhöhe, Spaziergänger, Radfahrer und Landwirte. Sie müssen sich voraussichtlich bis April mit der Situation abfinden - erst dann werden die Ersatzbrücken eingehoben. Allerdings wurden nur wenige Fahrzeuge entlang der über Feld- und Schotterwege führenden Umleitungsstrecke gesichtet. Von Problemen mit überbreiten Feldfahrzeugen und Mähdreschern ist bislang nichts bekannt. Allerdings beklagten manche Autofahrer die mangelnde Übersicht und die große Staubentwicklung auf den Wegen; auch Gegenverkehr könne zum Problem werden, wie Anwohner der RNZ schilderten.
Die Sinsheimer Innenstadt: Ein differenziertes Bild bot sich am Samstagabend. Zeitweise war die Gegend Bahnhof/Muthstraße/Fußgängerzone nahezu autofrei. In der Hauptstraße war der Verkehr leicht erhöht; aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens durch Autofahrer, die aus östlicher Richtung kommend schon an der Ausfahrt Steinsfurt abfuhren und über Rohrbach nach Sinsheim kamen, staute sich der Verkehr an der Kreuzung Haupt-/Friedrichsstraße.
Kreisende Lkw am späten Samstagabend und bis in die Innenstadt hinein wurden von Anwohnern moniert. Auch Ordnungsamtschef Werner Schleifer sind sie aufgefallen. Die Fernfahrer hätten versucht, den Rasthof-Süd anzufahren, der aber gesperrt war, und verteilten sich daraufhin rund um die Stadt. Dennoch habe sich der Lkw-Verkehr in Grenzen gehalten. Bei der Terminierung der Aktion hatten deren Planer die gesetzlichen Beschränkungen des Lkw-Verkehrs zur Ferienreisezeit sowie das generelle Sonntagsfahrverbot für Lkw mit bedacht.
Die Polizei war mit zwei Dutzend Beamten und zahlreichen Motorrädern präsent. Auf dem Sinsheimer Polizeirevier wurde die besonnene Reaktion der Autofahrer auf die angespannte Lage gelobt: "Kein Hupen, kein aggressives Verhalten", hieß es auf Nachfrage der RNZ. Auch sei es zu keinen Zwischenfällen gekommen, "kein geplatzter Kühler, kein Auffahrunfall". Solche Kleinigkeiten hätten möglicherweise den Kollaps bedeuten können.
Weiterer Abriss 2020: Ein erneutes Extrem-Ereignis steht schon in Aussicht: Im Jahr 2020, möglicherweise auch schon Ende 2019, wird die Autobahn-Unterführungsbrücke zwischen Dühren und Sinsheim abgebrochen. Über das genaue Vorgehen ist allerdings wenig bekannt. Vermutlich müssen dann aber Autobahn und B 292 voll gesperrt werden.
Abriss der A6-Brücke am Sinsheimer Quellbergweg
Kamera/Redaktion: Tim Kegel, Friedemann Orths / Produktion: Reinhard Lask