Die Wildschwein-Bestände in den Wäldern sind hoch. Sprecher der Landratsämter sowie Tierärzte hoffen, dass zur momentanen Corona-Krise nicht auch noch die Afrikanische Schweinepest hinzukommt. Foto: dpa
Von Tim Kegel und Armin Guzy
Kraichgau. Vor der Corona-Krise war das Thema zeitweise in aller Munde: Landwirte begannen, ihre Ställe abzuschotten. Kommunen richteten Annahmestellen für verdächtige Kadaver ein; an Autobahnraststätten wurden Aufklärungskampagnen gestartet – aus Angst, Wildschweine könnten verseuchte Essensreste aufnehmen. Vor wenigen Tagen hörte man in Ostdeutschland, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP) – 65 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt – erstmals von Wild- auf Hausschweine übertragen wurde. Polen ließ daraufhin 25.000 Schweine töten.
Im Rhein-Neckar-Kreis konzentriert sich die Schweinehaltung auf den Kraichgau. Schweinehalter sind zentral in einer Datei erfasst, auf die das Veterinäramt zugreifen kann. Denn: Tritt die Seuche, die für Menschen ungefährlich ist, in einem Landstrich auf, läuft ein drastischer Schutzmechanismus an. Schutzzonen werden eingerichtet, schlimmstenfalls müssten Tausende Hausschweine getötet, die Vermarktung von Schweinefleisch ausgesetzt oder drastisch reglementiert werden.
Bereits im Januar 2018 wurde über die Ausbreitung der Seuche an dieser Stelle berichtet, als der Landkreis Anlieferungsstellen für Kadaver einrichtete und eine Großübung für den Krisenfall abhielt. Allerdings hieß es auch damals schon, die Seuche, gegen die es keinen Impfstoff gibt, stünde kurz vor einer Einschleppung nach Deutschland.
Der unsichere Zeitpunkt ist erklärbar: Experten sagen, dass sich Wildschweine über Nahrungsmittelreste an Autobahn-Rastplätzen leicht infizieren könnten und dieses Risiko täglich bestehe. "Auf die Risikobewertung der Experten verlassen" will sich auch Sinsheims Ordnungsamtsleiter Werner Schleifer, der das Thema seit vergangenem Dezember "verstärkt" auf der Agenda habe. Zwar hätten seit der Corona-Krise keine Gespräche zur ASP am runden Tisch mehr stattgefunden, man wisse aber, "sehr genau", welche Mechanismen im Infektionsfall greifen würden und sei "gut vorbereitet".
Fest steht: "Brutal schnell handeln", müsse man, wenn ein infizierter Wildschweinkadaver gefunden würde, sagt Manfred Körner, Sprecher des Heilbronner Landratsamtes. Als Musterbeispiel führt er das entschlossene Handeln in Belgien an. Dort waren 2018 nach dem Fund eines positiv getesteten Kadavers unverzüglich Maßnahmen ergriffen worden, in die verschiedene Entscheidungsebenen eingebunden waren. Um den Fundort wurden zwei Sperrzonen errichtet, Wildschweine wurden massiv bejagt, Hausschweine wurden getötet. Dadurch konnte die Ausbreitung der Krankheit effektiv verhindert werden. Belgien gilt längst wieder als Schweinepest-frei.
Auch hierzulande gehe es im Ernstfall darum, "schnellstmöglich die erste Sau" zu finden und die Ausbreitung einzudämmen. Erst im Februar war in einer Geflügelzucht in Brezfeld bei Heilbronn die Vogelgrippe nachgewiesen worden. Auch hier hatte sich rasches Handeln ausgezahlt: Der Tierbestand wurde getötet, und die Sperrzone konnte rasch aufgehoben werden. Das Veterinäramt im Kreis Heilbronn ist also nicht unerfahren im Umgang mit solchen Szenarien.
Zudem wurden in den zurückliegenden Monaten im ganzen Landkreis Heilbronn – und auch im Rhein-Neckar-Kreis – Verwahrstellen aufgebaut, eine davon an der Kreismülldeponie in Sinsheim. Bei Großübungen wurde der Umgang mit der bei Schweinen meist tödlich verlaufenden Erkrankung abgehalten – die richtige Bergung und Desinfektion standen dabei im Mittelpunkt. Neben städtischen Behörden und der Feuerwehr waren auch überregionale Einrichtungen beteiligt, etwa die "Task Force Tierseuchen" des Landes. "Wir sind in der Region gut vorbereitet", sagt Körner.
Im Rhein-Neckar-Kreis wurden ein Krisenstab mit Telefonnummern eingerichtet, Schilder für Sperrgebiete gedruckt und Bergungstrupps mit Schutzanzügen, Behältern und Fahrzeugen formiert. Es gibt mobile Waschanlagen, um Fahrzeuge zu reinigen – Waschwasser muss aufgefangen und desinfiziert werden. Jäger und deren Hunde wurden mit Planspielen geschult. Doch wie erkennt man ein an ASP verendetes Wildschwein? "Pest bedeutet immer Blutungen", sagt Ulrich Eberhardt, Amtstierarzt im Rhein-Neckar-Kreis. Bei Auffälligkeiten könnten Jäger auf "Entnahmekits" der Behörde zurückgreifen, Oder den Veterinär einschalten.
Einen befallenen Kadaver schnell zu finden und dann entschlossen zu handeln, wäre in Corona-Zeiten aber nicht so einfach wie unter Normalbedingungen. Alleine die weiträumige Absperrung und die Überwachung eines dann nötigen Betretungsverbots würde eine große Zahl an Einsatzkräften erfordern, die gerade aber anderswo gebraucht werden. Außerdem ist unklar, ob derzeit mehr oder eher weniger Menschen die Wälder betreten.
Je kleiner die Zahl der Waldbesucher ist, desto geringer ist auch die Chance, zufällig schnell auf einen infizierten Kadaver zu stoßen. Und je länger dieser unentdeckt bleibt, desto schwerer lässt sich die Ausbreitung der Schweinepest dann unter Kontrolle halten. "Jeder Fund sollte sofort angezeigt werden", appelliert Körner an die Bürger, wohl wissend, dass die Afrikanische Schweinepest gerade keine große Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung spielt.