Das "Shark-City"-Projekt sorgte am Mittwochabend in der Turnhalle der Carl-Orff-Schule für lange Diskussionen zwischen Gegnern und Befürwortern des Vorhabens. Foto: Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Neues zu "Shark City" - und die alte Glaubensfrage: Dürfen Wildtiere in Aquarien gehalten werden, wenn sie dadurch zum "Botschafter für ihren Artenschutz" werden? Oder zeigt sich dadurch nur, "wie krank das ganze System ist"? Beides klang am Abend deutlich an. Unter den etwa 70 Besuchern der "Preview" des in der Neulandstraße geplanten Haifischaquariums waren Gegner und Skeptiker klar in der Mehrheit.
Der Abend dauerte geschlagene vier Stunden und verlor sich im unvereinbaren Für und Wider - "virtuelle Aquarien" und Aufklärungskampagnen seien doch der eigentliche Haischutz. Die Gründer der "Seven Seas"-Betriebsgesellschaft packten umso komprimierter einiges an neuem Wissen in ihre knapp 70 Minuten Projektvorstellung. Etwa wurden erstmals so gut wie alle der geplanten 35 Haiarten genannt, inklusive der Beckengrößen, in denen sie leben sollen. Es würden insgesamt etwa 100 Haie eingesetzt; "85 Prozent stammen aus Nachzuchten anderer Zoos" sagt Alexander Dressel, zoologischer Leiter des Projekts. Ein Teil des Besatzes seien Tiere, die anderen Becken größenmäßig entwachsen würden, ein weiterer Teil Beifänge, etwa aus der Fischerei "mit größeren Netzen". Auch Quallen und Kraken sowie die verschiedenen Lebensräume der Haie sollen gezeigt werden, "mit echten Korallen, Rückzugsmöglichkeiten und einem Schiffswrack".
Technisch handele es sich bei der größten Anlage ihrer Art in Europa mit insgesamt über 15 Millionen Litern Inhalt um einen "komplett geschlossenen Kreislauf", so Dressel auch in Richtung der Kritiker, die bei einer Havarie eine Umweltkatastrophe befürchten. Als Technikdetails wurden unter anderem mit Süßwasser gespülte Trommelfilter, Eiweißabschäumer, Ozon-Keimschutz und eine zweistündige Umwälzung der kompletten Wassermenge genannt. Propellerpumpen und reichlich Platz - die größte Scheibe misst sechs auf 18 Meter - sorgten für ausreichende Anströmung der Tiere. Für ausreichend Rückhaltebecken sei gesorgt, bautechnisch bedingt könnten die verwendeten Scheiben außerdem "nicht schlagartig platzen, wie die Medien das schildern", so Dressel. Etwaige Undichtigkeiten und Risse seien von innen reparierbar.
Das Projekt von der Geldseite her für Sinsheim schmackhaft machten "Shark City"-Kopf Thomas Walter, später auch Lorenz Glück von Layher-Immobilien als Grundstückseigentümer. Die 20-Millionen-Euro-Investition rechne laut Machbarkeitsstudie mit zwischen einer halben Million und 680.000 Besuchern jährlich. Von 14 Millionen Einwohnern in einem Umkreis von 90 Minuten spricht Lorenz Glück. Wenn die Einrichtung Gewinn einfährt, seien so zwischen 450.000 Euro und 680.000 Euro Gewerbesteuern drin. Arbeitsplätze entstünden zwischen 50 und 60 in allen Bereichen, darunter Shop und Gastro, so Thomas Walter.
Zurzeit wirkt das Projekt ins Stocken geraten. Davon hörte man am Abend nichts; allerdings sorgte der Fingerzeig für Verwunderung, dass die ersten Gespräche mit der Stadt schon zwischen Juli und September 2014 stattgefunden hätten. Also deutlich vor denen zur Badewelt-Erweiterung. Das Thema Sondergebietsausweisung, das der Erteilung einer Baugenehmigung offenbar im Weg steht, wurde vermieden. Seit Oktober 2015 werde jedoch, sagt Thomas Walter, mit dem Kreisveterinäramt "über Notfallpläne, teilweise auch über den Tierbesatz geredet."
Über den alarmierenden Zustand der Haie sprach Projekt-Schirmherr Dr. Erich Ritter. Der Haiverhaltensforscher, der auch Kritikern als Koryphäe gilt, zeigte realen Horror, Strände mit Haikadavern dicht an dicht, von Plastikmüll komplett überdeckte Mangroven. Die großen Profiteure des Haifischfangs, den exponentiellen Niedergang ganzer Populationen - von vielen Tausend auf ein kümmerliches Dutzend binnen weniger Jahre. Ritter, der Rettungsschwimmern, Marinetauchern und Horden von Kindern Haifische näherbringt, sagt: "In einer idealen Welt braucht es kein Aquarium." Der glühende Verfechter von Hai-Mensch-Begegnungen will - und sei’s auf kommerziellem Umweg - in Sinsheim Bewusstseinsbildung betreiben "und bessere Haltungsbedingungen erforschen". Die Haie wären dann so etwas wie Botschafter: "Was sind hundert Haie in den größten Becken Europas gegen Hunderttausend getötete im Ozean?" Ritters etwas abgekämpftes Fazit des Abends: "Wir haben gemeinsam, dass wir Haie lieben."