Von Christiane Barth
Helmstadt-Bargen. Beheimatet ist der Riesenmammutbaum an den Westhängen der Sierra Nevada in Kalifornien, doch auch mitten im Helmstadter Wohngebiet gedeiht er prächtig. Leider etwas zu prächtig.
80 Mark hat Walter Edler vor 45 Jahren für das Pflänzchen bezahlt. Gehegt und gepflegt hat er den "Sequoia Gigantea", der bis zu 95 Meter hoch in den Himmel wachsen kann. Jetzt muss Walter Edler weitaus tiefer in die Tasche greifen, um den Riesenmammut wieder zu fällen. Doch das Geld ist es nicht: "Es tut mir in der Seele weh", bedauert Walter Edler, dass der mittlerweile 22 Meter hohe Mammut, für ihn "der schönste Baum Helmstadts", weichen muss.
Der mächtige Stamm soll nun eine "Metamorphose" durchmachen: Ein stattlicher Adler soll aus ihm werden - eine Skulptur, die aus dem Holz des "Weggefährten" geschnitzt wird. Denn der Gehweg bäumt sich auf, die Wurzeln schaffen sich Raum, die Abwasserleitung liegt auch daneben: Seit vielen Jahren ebnet Walter Edler die Wegfläche neu ein, nachdem er die Wurzeln gestutzt hatte. Der Riesenmammut macht seinem Namen alle Ehre, wächst weiter in Höhe und Breite, benötigt daher ein weit ausladendes Wurzelwerk. Weiter kürzen wäre fahrlässig, meint Edler. Nicht auszudenken, wenn 22 Meter Baum - ein Stamm von eineinhalb Metern Durchmesser - bei einem Sturm entwurzelt würden und auf die Nachbarhäuser stürzten.
"Der Baum war ein Zeitbegleiter": Walter Edler - sehr mit der Natur verbunden - hat lange mit sich gehadert. Es war letztlich nicht die Unmenge an Arbeit, die ihm der Baum bereitet, wenn etwa die Straße in ihrer gesamten Länge von Nadeln und Ästen befreit werden muss. Es ist das Thema Sicherheit, das keine andere Wahl lässt. "Er müsste auf einem freien Feld stehen, dann wäre sein Raumbedarf kein Problem", so Edler. Als er ihn vor rund 45 Jahren beim Hausbau an den Straßenrand pflanzte, ahnte Edler nicht, welche Ausmaße der Baum annehmen würde.
Um den robusten Freund nicht ganz zu verlieren, hat sich der heute 74-Jährige die Sache mit der Skulptur ausgedacht: Ein Stumpf bleibt stehen, aus diesem Holzrohmaterial will "Kettensägenkünstler" Holger Bär aus Schefflenz - ein Halbindianer, der Totempfähle und Skulpturen fertigt - einen Adler bergen. Warum ein Adler? Das hat zwei Gründe: "Als Vogelkundler kann ich keinen Bär hinstellen", schmunzelt Hobby-Ornithologe Walter Edler. Zum anderen: "Der Geist des Baumes soll weiterexistieren. Im Adler". Ein schönes Symbol, findet Edler. Es gibt weitere, ganz praktikable Argumente: Das Holz des Mammutbaums ist wenig gefragt, in den Sägewerken besteht kein Bedarf. Für Skulpturen dagegen scheint es sehr geeignet zu sein. Mehrere Drei-Meterstücke will der Kettensägenkünstler für weitere Werke verwenden. Der Riesenmammut ist also nicht vergebens in Helmstadt derart groß und mächtig geworden.
Trotzdem bleibt ein wenig Wehmut, haben doch auch Kleiber, Meisen und Eichhörnchen eine feste Bleibe unter dem dichten Nadeldach gefunden. Das Fällen des Baumes soll eine Fachfirma übernehmen, hat Walter Edler entschieden. "Alles andere wäre zu gefährlich."