Das sowjetische Überschallflugzeug Tupolev TU-144 "landete" 2001 in Sinsheim auf dem Dach des Technik-Museums. Im Mai des selben Jahres wurde es den Museumsbesuchern zugänglich gemacht. Foto: Technik-Museum
Sinsheim. (sil) Die Welt war mitten im Kalten Krieg. Ost gegen West, Planwirtschaft gegen Marktwirtschaft, RGW gegen EWG, ein unendlicher Rüstungswettstreit hielt die Menschen in Atem: Wer ist schneller, wer ist stärker - wer hat die Nase vorn? Was den letzteren Punkt betrifft, so konnte die damalige Sowjetunion den Sieg für sich verbuchen: Am 31. Dezember 1968 gelang es dem kommunistischen Osten noch vor dem Westen einen Überschall-Passagierjet abheben und sicher landen zu lassen, die legendäre Tupolev TU-144. Die nicht minder legendäre Concorde zog dann vier Monate später nach.
50 Jahre nach dem Tupolev-Erstflug thront ein Exemplar aus den Produktionshallen des Konstruktionsbüros OKB Tupolev auf dem Dach des Technik Museum Sinsheim: die TU-144 mit der Kennung CCCP-77112. Nur eine Nasenspitze dahinter schwebt das französisch/britische Pendant - die Concorde F-BVFB. Der Weg dahin war lang, ein ganzes Jahrzehnt um genau zu sein. So lange hatten sich die Sowjets damals Zeit gelassen mit der Antwort auf die Anfrage des Museums aus Sinsheim. "Mein Traum war es, für das Museum eine Concorde zu bekommen. Dies war jedoch fast unerreichbar. Also hat der Museumsverein überall wo es Concorde-ähnliche Flugzeuge gab versucht, uns ins Gespräch zu bringen. So auch bei Tupolev", erinnert sich Museumspräsident Hermann Layher.
Museumspräsident Hermann Layher. Foto: Technik-Museum
"Nachdem wir die Antonov AN-22 im Jahre 1999 aus Kiew geholt und alle unsere Zusagen eingehalten hatten, kam der Technik-Chef von Tupolev bei der Expo 2000 in Hannover zu uns und fragte, ob wir noch Interesse an einer Tupolev hätten", berichtet Layher. "Man kann sich gar nicht vorstellen, wie riesig die Freude war - wir kriegen eine der insgesamt 16 produzierten Maschinen", treibt die Erinnerung dem 63-Jährigen noch heute Glanz in die Augen.
Danach ging alles etwas zügiger voran. In einem Aufsehen erregenden Transport, der über 4000 Kilometer von Moskau nach Sinsheim führte, und europaweit ein riesiges Echo fand, wurde die Tupolev auf dem Wasser- und Landweg zum Museumsgelände gekarrt. Den Höhepunkt bildete das letzte Wegstück: Da bei einer Länge von 67 Metern und einer Spannweite von 29 Metern eine Fahrt durch das Stadtgebiet von Sinsheim nicht in Frage kam, wurde das zerlegte Flugzeug direkt von der gesperrten Autobahn auf das Museumsgelände gehoben. Anschließend galt es, den Riesenvogel wieder zu montieren und die gewaltigen Stahlpfeiler zu bauen, um dann das 100 Tonnen schwere Flugzeug in Startposition über dem Dach der Halle 2 zu setzen. Mit einem Kran-Tandem wurde das Rekordflugzeug positioniert und rechtzeitig zum 20. Museumsjubiläum im Mai 2001 dem Publikum zugänglich gemacht.
Einige Sitzreihen, das spartanische Interieur sowie das Cockpit haben die Restauratoren und Museumsmitarbeiter weitestgehend im Originalzustand belassen können. Was die Technik betraf, so stand diese unter sowjetischer Geheimhaltung - dies erklärt, warum keine Triebwerke mitgeliefert wurden. Mit der Aufstellung der Concorde zwei Jahre später gelang dem Museum dann ein weiterer Coup: Beide Überschall-Passagierflugzeuge sind hintereinander aufgestellt.
Der Museumspräsident erklärt noch heute voller Stolz: "Die Tupolev und die Concorde gemeinsam an einer Stelle gibt es auf der ganzen Welt nur bei uns in Sinsheim. Beide Flugzeuge dann auch noch begehen zu können, ist ein absolutes Highlight für die Museumsbesucher. Es ist auch die einzig begehbare Tupolev TU-144 in ganz Europa."