Auftakt der diesjährigen Weinlese beim Leimener Weingut Thomas Seeger mit (v.l.) dem Außenbetriebsleiter Matthias Dörr, dem Auszubildende Devon Landwermayer und der Vinothekschefin Petra Böhm. Foto: Popanda
Von Werner Popanda
Leimen. Man kann über Wespen sagen, was man will. Aber sie scheinen einen guten Geschmack zu haben. Zumindest was den Genuss des Saftes von Weinbeeren anbelangt. "Die Wespen suchen sich immer Beeren aus, die schon besonders gut reif sind", sagte hierzu jedenfalls der Winzer Thomas Seeger beim Auftakt zu seiner diesjährigen Weinlese. Sie gilt dem Frühburgunder. Diese Rebsorte erlangt in der Regel ihre Reife etwa zwei Wochen als der Spätburgunder.
Schon Ende August wird in den Wingerten auf den Hängen östlich von Leimen mit der Weinlese begonnen? Ist das nicht ungewöhnlich früh? Diese Frage könnte man sich durchaus stellen. Denn vor gut zwei Dekaden hat die Weinlese erst in der dritten Septemberwoche begonnen. Laut Thomas Seeger ist der Gedankengang durchaus korrekt. Doch seit etwa acht Jahren sei das nicht mehr der Fall. Bei seinem Rückblick vergisst er auch nicht zu erwähnen, dass im heißen und trockenen Jahr 2003 bereits Ende August gelesen worden sei. Allerdings habe es sich seinerzeit nicht um den Lesebeginn gehandelt, sondern sogar um die Hauptlese.
Ganz so heiß und trocken sei es in diesem Jahr freilich nicht gewesen. Vielmehr war das Wetter nach Seegers Worten in den letzten Wochen nahezu perfekt. Darunter versteht der Winzer zum einen die fast durchgehende Wärme. Und zum anderen die beiden größeren Regengüsse mit um die 25 sowie um die 35 gefallenen Litern Wasser pro Quadratmeter. Damit sei er alles in allem "nicht unzufrieden". Ebenso nicht unzufrieden ist er mit dem Oechslewert des just geernteten Frühburgunders. Dieser liegt bei gut 85 Grad und damit bei einem "guten Wert für einen leichten Sommerwein wie einen Rosé".
Überhaupt hat man den Winzer in letzter Zeit in schönster Regelmäßigkeit mit einem Refraktometer durch seine Wingerte wandeln sehen. Also mit jenem "Lichtbrechungsinstrument", mit dem Oechsle als Maßeinheit für das Mostgewicht des Traubenmostes gemessen werden können. Um damit einen möglichst repräsentativen Wert zu ermitteln, werden zunächst 20 bis 30 Beeren "quer durch den ganzen Weinberg" gesammelt. Diese landen dann in einer Tasse, werden darin zerquetscht und anschließend der Refraktometermessung unterzogen.
Von Belang ist dies nicht zuletzt deshalb, weil Thomas Seeger anhand dieser Werte festlegt, in welcher Reihenfolge die diversen Rebsorten gelesen werden. Also wann der Auxerrois dran ist, wann der Weißburgunder, wann der Blaufränkisch, wann der Riesling und so weiter und so fort.
Bei diesen Touren achtet er aber auch darauf, ob und in welchem Ausmaß sich Dachse an die weiter unten hängenden Beeren gemacht haben. Ebenso hat er ein Auge darauf, ob und in welchem Ausmaß Wespen unterwegs sind. Die Insekten verfügen nämlich über spezielle Beißwerkzeuge, die es ihnen leicht machten, die Beeren so zu öffnen, dass sie den Beerensaft saugen könnten.
Als "Fressfeinde" definiert Thomas Seeger die Wespen aber dennoch nicht. Denn schließlich seien diese nicht "irgendwelche bösen Insekten, die den Winzern etwas Schlimmes antun wollen". Vielmehr seien die Wespen vor den Menschen da gewesen und es sei ja auch der Mensch, der die Umwelt verändert habe. So gesehen handele er frei nach den Devisen "Leben und leben lassen" und "Man muss auch teilen können". Entsprechend verzichtet Seeger in seinen Wingerten auf jede Art von Antiwespenmittel.
Hingegen könnte man fast eine Wette abschließen, dass der Winzer gegen das, was er derzeit noch am meisten befürchtet, gerne ein Mittel einsetzen würde – was er allerdings nicht kann, denn gegen einen eine oder gar zwei Wochen andauernden Landregen wäre nun mal kein Kraut gewachsen. Doch eben solcher Dauerregen berge die Gefahr, dass die Beeren faulen. Dann bliebe ihm und seinem Leseteam nur eines übrig: nämlich die mit einem immensen Aufwand verbundene individuelle Aussortierung der geschädigten Trauben.