Der Kampf um die Senioren
Betreiber des Heims in Altneudorf kündigte Bewohnern und bot Unterbringung in Leimen an - Neuer Betreiber will, dass Senioren bleiben

Von Christoph Moll
Schönau-Altneudorf/Leimen. Schon seit Monaten herrschte Unruhe im "Haus Steinachtal" im Schönauer Ortsteil Altneudorf. Nun gab der Betreiber Fontiva bekannt, dass er zum 30. April das Pflegeheim nicht mehr führen wird. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen:
Was sagt Fontiva? Die Einrichtung entspreche seit Längerem nicht mehr den "zeitgemäßen und gesetzlichen Anforderungen an ein qualitativ hochwertiges Wohnen", erläutert Firmensprecher Klaus Baumann. Deshalb sei für Fontiva bei der Übernahme klar gewesen, dass mittelfristig ein Umbau erfolgen müsse. "Leider ist die Vermieterin dieser Renovierungsverpflichtung bis heute nicht nachgekommen und hat nicht einmal eine Baugenehmigung erwirkt", so Baumann. "Auch sämtliche von uns der Vermieterin hierzu gesetzte Fristen und Beanstandungen verstrichen ergebnislos." Der Fortbestand des Pachtvertrags sei von den Umbaumaßnahmen und der Erstellung eines zeitgemäßen Wohnstandards abhängig gewesen. Durch die Nichterfüllung der Umbaumaßnahmen gebe es für den Pachtvertrag keine Grundlage mehr.

Fontiva habe "in enger Abstimmung mit der Heimaufsicht" alle betriebsbezogenen Vorgaben der Landesheimbauverordnung erfüllt, die in Pflegeheimen seit dem vergangenen September keine Zweibettzimmer mehr erlaubt. "Das Haus ist jedoch baulich nicht auf Einzelzimmer ausgelegt", so Baumann. "Auch unzureichende Sanitäreinrichtungen, zu große Wohngruppen und eine veraltete Bausubstanz schränkten unseren Betrieb in den vergangenen Jahren stark ein."
Im Moment würden die Doppelzimmer bis auf wenige Ausnahmen, die befristet geduldet sind, als Einzelzimmer genutzt. Die Bewohneranzahl musste stark reduziert werden – aktuell sind es nur noch 50. "Diese unbefriedigende Situation führt nicht nur zu erheblichen Störungen unserer Betriebsabläufe, sondern macht auch eine weitere Anmietung des ,Hauses Steinachtal’ nicht zumutbar und auch nicht möglich", so Baumann. "Wir bedauern diesen Schritt sehr." Die Betriebsabwicklung infolge der Kündigung des Mietverhältnisses sei mit der Heimaufsicht geklärt.
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Was sagt der Eigentümer? "Wir können nur vermuten, dass das gesamte Verhalten der Fontiva dazu diente, einen Vorwand zu einer Kündigung des Pachtvertrages in Schönau zu erhalten, um dann alle Mitarbeiter in die neue Pflegeeinrichtung der Fontiva in Leimen mitzunehmen und die Bewohner dorthin umziehen zu lassen", meint Michael Gordon, Geschäftsführer der "Care Center Invest Schönau GmbH". Das neue Fontiva-Heim in der Großen Kreisstadt werde im April eröffnet. "Das ist kein Zufall", sagt Gordon, dem mit seinen Gesellschaften noch Heime im hessischen Wald-Michelbach und südlich von Bonn gehören.
Hintergrund
Das "Haus Steinachtal" war Anfang des Jahres 2017 in finanzielle Schieflage geraten. Ein Insolvenzverfahren wurde eröffnet, da die Betreibergesellschaft "Senioren-Betreuung Stangl GmbH Haus Steinachtal" zahlungsunfähig und zudem noch überschuldet war. Eine Ursache dafür war
Das "Haus Steinachtal" war Anfang des Jahres 2017 in finanzielle Schieflage geraten. Ein Insolvenzverfahren wurde eröffnet, da die Betreibergesellschaft "Senioren-Betreuung Stangl GmbH Haus Steinachtal" zahlungsunfähig und zudem noch überschuldet war. Eine Ursache dafür war die dünne Personaldecke, weshalb die Heimaufsicht einen Aufnahmestopp für Bewohner verhängt hatte. Insolvenzverwalter Andreas Hendriock aus Mannheim machte über 250 Gläubiger und Verbindlichkeiten von über drei Millionen Euro aus. Doch schon damals war klar: Die Insolvenz bedeutet nicht automatisch das Aus für das seit über 20 Jahren bestehende "Haus Steinachtal" mit damals 48 Mitarbeitern und 56 Bewohnern. Und so kam es auch: Der Betrieb konnte stabilisiert werden. Neue Bewohner wurden aufgenommen, neue Mitarbeiter eingestellt. Es gab mehrere Interessenten, die das Pflegeheim übernehmen wollten. Letztlich setzte sich "Fontiva" durch und gründete für den Betrieb die "Fontiva Pflege und Wohnen GmbH Schönau". Sämtliche Arbeitsplätze konnten erhalten und der Heimbetrieb ohne Einschränkungen fortgeführt werden. Die Unternehmensgruppe mit Sitz in Berlin betreibt zwei Heime in Potsdam sowie Geesthacht bei Hamburg und fasst nun Fuß in Süddeutschland: In Leimen steht das 16-Millionen-Euro-Vorhaben "Haus am Leimbach" mit 96 Einzelzimmern vor der Fertigstellung. cm
Auf Wunsch von Fontiva seien drei Mal die Planungen für den Umbau des "Hauses Steinachtal" umfangreich geändert worden. "Das führte zu Verzögerungen, für die wir als Bauherr allerdings nicht in die Verantwortung zu nehmen sind", so Gordon. "Weiter wurde ein Bunker unter dem Gebäude entdeckt und uns wurde die Erstellung eines Naturschutzgutachtens auferlegt, was zu einer zusätzlichen Verzögerung in der Abgabe des Bauantrages führte." Der ursprüngliche Baubeginn sei nicht zu halten gewesen. "Da wurde taktiert", meint Gordon nun und betont, dass Fontiva nur eine geringe Pacht zahlte und deshalb "mit der Einrichtung Geld verdient" habe. Es habe keinen Grund gegeben, zu kündigen. Zudem habe man inzwischen einen Bauantrag eingereicht. Deshalb sei die Kündigung überraschend gekommen.
Bisher sei man aber davon ausgegangen, dass Fontiva die Standorte Schönau und Leimen parallel betreiben wolle, auch um Synergien zu erzielen. Die Kündigung des Mietverhältnisses durch Fontiva habe man akzeptiert, weil es "erhebliche Mietrückstände" gebe. Gordon kündigte an, das Pfandrecht auf das Inventar auszuüben.
Gibt es bereits einen neuen Betreiber? Ja. Die "inter pares Sozialholding GmbH" betreibt bereits – neben sechs Heimen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Baden-Württemberg – seit dem vergangenen Jahr in der Region das Pflegeheim "Neckargemünder Hof" und übernimmt ab dem 1. Mai das "Haus Steinachtal". Es wurde bereits Ende Januar – nach der Kündigung durch Fontiva – ein langfristiger Pachtvertrag geschlossen. Dieser ermöglicht es laut Eigentümer Gordon, dass der Betrieb nahtlos übernommen werden kann.
"Das Haus hat eine turbulente Geschichte hinter sich", weiß "inter pares"-Geschäftsführer Christian Potthoff. "Unser Hauptanliegen ist Beständigkeit." Die Übernahme sei eine Herausforderung und man müsse damit rechnen, anfangs nicht ganz kostendeckend arbeiten zu können. Nach RNZ-Informationen gibt es aber eine Mindestbelegung, ab der erst die volle Pacht bezahlt werden muss. "Wir hoffen, dass möglichst viele Bewohner und Mitarbeiter bleiben", sagt Potthoff. "Die meisten wollen auch gar nicht umziehen."
Hintergrund
> Das "Haus Steinachtal" im Schönauer Ortsteil Altneudorf gehörte einst einem Hubschrauber-Hersteller und war auch schon Sitz einer Sekte, wie sich Altgemeinderat Karl Schmelzer erinnert. Seit über 20 Jahren ist es ein Pflegeheim. Dieses geriet Anfang des Jahres 2017 in
> Das "Haus Steinachtal" im Schönauer Ortsteil Altneudorf gehörte einst einem Hubschrauber-Hersteller und war auch schon Sitz einer Sekte, wie sich Altgemeinderat Karl Schmelzer erinnert. Seit über 20 Jahren ist es ein Pflegeheim. Dieses geriet Anfang des Jahres 2017 in finanzielle Schieflage. Die Betreibergesellschaft "Senioren-Betreuung Stangl GmbH Haus Steinachtal" war zahlungsunfähig und überschuldet. Ein Insolvenzverfahren wurde eröffnet. Eine Ursache war die dünne Personaldecke, weshalb die Heimaufsicht einen Aufnahmestopp verhängt hatte. Die Insolvenz bedeutete jedoch nicht das Aus für das Heim mit damals 48 Mitarbeitern und 56 Bewohnern. Der Betrieb konnte stabilisiert werden. Neue Bewohner wurden aufgenommen, neue Mitarbeiter eingestellt. Die "Care Invest GmbH" mit Sitz in Düsseldorf wurde neuer Eigentümer und die "Fontiva"-Gruppe mit Sitz in Berlin und Heimen in Potsdam sowie bei Hamburg neuer Betreiber. Sie gründete die "Fontiva Pflege und Wohnen GmbH Schönau". Alle Arbeitsplätze konnten erhalten und der Betrieb fortgeführt werden. Zuletzt herrschte wieder Unsicherheit, weil ein angekündigter Umbau durch den Eigentümer ausblieb. cm
Welche Optionen haben Bewohner und Mitarbeiter nun? Fontiva hat allen Bewohnern einen Umzug in sein neues "Haus am Leimbach" im fast 30 Kilometer entfernten Leimen angeboten. Damit sei man dem "gesetzlichen beziehungsweise vertraglichen Auftrag" nachgekommen, die Bewohner über mögliche Alternativstandorte fristgerecht zu informieren, betont Firmensprecher Baumann: Das Wohl der Bewohner stehe im Mittelpunkt. Fontiva führe außerdem Gespräche mit den Mitarbeitern über eine mögliche Weiterbeschäftigung in Leimen. Dem Unternehmen sei "nicht bekannt, wer konkret ab wann das ,Haus Steinachtal’ demnächst betreiben wird".
Dem widersprechen Christian Potthoff und Michael Gordon: "Fontiva kennt uns, weil wir eine friedliche Übernahme versucht haben", betont Potthoff. Nun stehe man vor dem Problem, dass man als neuer Betreiber nicht an die Bewohner und Mitarbeiter "herankomme". "Wir haben aber Hinweise darauf, dass ein großer Teil der Bewohner und Mitarbeiter bleiben möchte", sagt Potthoff. "Viele sind sehr ortsgebunden." Doch selbst wenn am 1. Mai nur noch die Hälfte der Bewohner da sei, gehe es weiter.
"Solch eine Situation habe ich in meiner 42-jährigen Karriere noch nicht erlebt", meint Potthoff. "Die Mühe lohnt sich aber für die Bewohner und Mitarbeiter, denn es geht am Ende um Menschen." Auch Eigentümer Gordon hofft, "dass den Bewohnern mit Unterstützung der Heimaufsicht ein Umzug aus ihrem bisherigen Zuhause erspart bleibt" und sagt: "Mit Menschen macht man keine Spielchen." Viele Bewohner hätten geweint, als sie von dem möglichen Umzug gehört hätten. Wie viele Bewohner und Mitarbeiter mit nach Leimen gehen wollen, ist nicht bekannt.
Hintergrund
Der Stillstand beim Pflegeheim "Haus Steinachtal" hat auch den neuen Bürgermeister Matthias Frick – erst seit Anfang Januar im Amt – alarmiert. Er war im Wahlkampf und auch nach seiner Wahl im Pflegeheim zu Gast, sprach mit Bewohnern und Angehörigen. "Es geht die Angst um,
Der Stillstand beim Pflegeheim "Haus Steinachtal" hat auch den neuen Bürgermeister Matthias Frick – erst seit Anfang Januar im Amt – alarmiert. Er war im Wahlkampf und auch nach seiner Wahl im Pflegeheim zu Gast, sprach mit Bewohnern und Angehörigen. "Es geht die Angst um, dass die Neueröffnung des Pflegeheims in Leimen Auswirkungen auf den Standort Altneudorf haben könnte", berichtet Frick. In der Großen Kreisstadt will der selbe Betreiber, nämlich die Fontiva-Gruppe (siehe Hintergrund oben), ab Mitte dieses Jahres ein Pflegeheim eröffnen. "Es wird befürchtet, dass das Heim in Altneudorf geschlossen wird und die Bewohner dorthin umziehen sollen", so Frick. Der Bürgermeister hat außerdem beobachtet, dass Fontiva aktuell Personal für viele Standorte suche – nicht aber für Altneudorf.
Frick hat deshalb versucht, Kontakt mit der Geschäftsführung von Fontiva aufzunehmen – bislang ohne Erfolg. "Ich habe auch keine aktuellen Informationen", sagt er. Der Rathauschef macht sich Sorgen, da die Zahl der Bewohner immer weiter zurückgehe. Dies bedeute auch weniger Einnahmen. "Der Ausbau sollte dafür sorgen, dass der Standort für Bewohner und auch für Arbeitnehmer attraktiver wird", meint Frick. "Ich sehe aber nichts von diesem Ausbau." Als Bürgermeister sei ihm wichtig, dass das Seniorenheim weiter gut laufe und erhalten bleibt. "Das Wohlwollen der Stadt Schönau ist vorhanden, damit der Standort erweitert werden kann", so Frick. Im Standort Altneudorf sieht er viele Vorteile: Dieser sei attraktiv, günstig und das Personal sei vorhanden. Als Note würde er keine Eins, aber eine Zwei geben. Für Senioren aus Altneudorf und Schönau sei es wichtig, dass sie im Alter am Ort bleiben und sich heimisch fühlen können.
Dies sei bei einem Umzug nach Leimen nicht mehr so. "Angestellte und Angehörige werden keine halbe Stunde fahren wollen", sagt Frick. Außerdem würden die Preise für die Betreuung dort höher sein. (cm)
Was geschieht mit dem Gebäude? Der Umbau soll nun in Absprache mit dem neuen Betreiber stattfinden. Der Bauantrag wurde bereits eingereicht und wird bei der nächsten Sitzung des "Ausschusses für Technik und Umwelt" am kommenden Donnerstag um 18 Uhr im Bürgersaal des Rathauses in Schönau behandelt. Der Umbau soll im kommenden Spätsommer im laufenden Betrieb erfolgen. Zuerst wird der Anbau um zwei Stockwerke erweitert. Der Betrieb findet dann übergangsweise im Altbau statt. Ab Frühjahr nächsten Jahres sollen der dann renovierte Anbau genutzt und der Altbau saniert werden. Die Arbeiten sollen im Spätsommer 2021 abgeschlossen sein. "Es wird ein super schönes Haus", betont "inter pares"-Chef Potthoff.
Was sagt die Heimaufsichtsbehörde? Diese wurde über die Schließung informiert, wie Behördensprecherin Susanne Uhrig bestätigte. "Es haben bereits Gespräche mit dem jetzigen Betreiber, dem Eigentümer der Immobilie und dem potenziellen neuen Betreiber stattgefunden", so Uhrig. Heimverträge würden nicht in den Zuständigkeitsbereich der Heimaufsicht fallen, sondern seien Privatrecht. Die "heimrechtliche Abnahme" für den Neubau in Leimen solle in der kommenden Woche stattfinden.