Das Luftbild zeigt: Die Brückenbaustelle zog sich bis in den Ort hinein. Foto: Archiv
Von Anja Hammer
Eppelheim. Franz Weber war gerade in seinem Garten beschäftigt, als er sich wunderte. "Was sind denn das für Brocken?", fragte er sich. Er schaute sich um und stellte fest: Von seinem Haus bröckelte der Putz ab. Warum das so ungewöhnlich ist?
Der 62-Jährige hat das Vorderhaus auf seinem Grundstück, Baujahr 1984, erst vor drei Jahren kernsaniert. Damit nicht genug: Als er daraufhin sein Grundstück unter die Lupe nahm, stellte er im Haus einen fünf Meter langen Riss quer zwischen Erd- und Obergeschoss fest. In der Garage, die bei der Sanierung ebenfalls gestrichen worden war, klaffte ebenfalls ein langer Riss. Und langsam dämmerte es dem Eppelheimer: die Brückenbaustelle.
Denn Weber wohnt in der Wilhelmstraße. Nur wenige Meter von seinem Grundstück entfernt liegt parallel zur Wilhelmstraße die Auffahrt zur Straßenbahnbrücke. Die wurde bekanntlich neu gebaut. Dazu wurde das alte Bauwerk über die Autobahn im Oktober 2017 abgerissen und die neue, breitere Querung im Dezember 2018 fertiggestellt.
Wenn Weber an all die Erschütterungen in dieser Zeit denkt, überraschen ihn die Schäden auf seinem Grundstück, die er letztes Jahr entdeckte, nicht. Er meldete sie bei der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV). Diese ist Bauherrin der neuen Brücke. Ende November 2018 kam ein Gutachter bei ihm vorbei. Das Ergebnis hat er vor Kurzem schwarz auf weiß erhalten. Und es macht ihn unglaublich wütend.
Nur einer von vielen Schäden: Franz Weber zeigt auf den Riss in seiner Garage, die er erst vor rund drei Jahren hat streichen lassen. Foto: Geschwill
"Ich fühle mich veräppelt", sagt der Ingenieur, der für den Ludwigshafener Chemiekonzern BASF arbeitet. Denn in dem Gutachten heißt es unter anderem zum abgebröckelten Putz: "Infolge unzureichender Haftbrücke zwischen Grundputz und Oberputz hat sich der Oberputz flächig vom Unterputz gelöst." Dies könne durch "Schubspannungen" bei "Temperaturänderungen" geschehen.
"Von den Bauarbeiten auf das Gebäude übertragene Erschütterungen waren demnach gegebenenfalls der Anlass für das Sichtbarwerdens des Schadens, nicht aber die Ursache davon", schreibt das Ingenieurbüro Meier aus Deidesheim. Das Gleiche wird auch für den Querriss am Haus und den Riss in der Garage festgestellt.
"Anlass, aber nicht Ursache", das sei blanker Hohn, ärgert sich Weber, der seit 2016 in der Wilhelmstraße wohnt. "Es ist doch offensichtlich, dass die Brückenarbeiten schuld daran sind." Daher hat er sich nun Rechtsbeistand geholt. Der Rechtsanwalt meint, dass der Fall "geradezu prädestiniert" dazu sei, ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben.
Mit seinem Problem ist Weber übrigens nicht allein: Seine Nachbarinnen Andrea und Sabine Palm können ebenfalls ein Lied von Rissen singen. Einem konnten die beiden regelrecht beim Wachsen zuschauen. "Er ist größer geworden ab dem Zeitpunkt, an dem die Planken für den Tiefbau reingerammt worden sind", erzählt Andrea Palm.
Und auch das Ehepaar erhielt einen Brief vom Gutachter, in dem es hieß, der Riss käme nicht durch die Bauarbeiten. Doch klirrende Gläser in den Schränken, zusammengekrachte Regale im Keller. Das lässt die Palms die Aussage des Gutachtens bezweifeln.
Auf der anderen Seite der Eppelheimer Brückenauffahrt wohnt Elke Sommer. Als die Tiefbauarbeiten vor ihrem Haus in der Hauptstraße begannen, fiel nicht nur ein Bild von der Wand. In ihrem etwa 100 Jahre alten Elternhaus ging zudem ein Wasserrohr kaputt, im Keller stand fünf Zentimeter hoch das Wasser. "Sicherlich muss man bei einem alten Haus mit so etwas rechnen", meint die 44-Jährige.
Aber der Zeitpunkt macht sie stutzig. Doch auch ihren Schaden wies der Gutachter mit Verweis auf die Substanz des Hauses ab. "Ich habe dann klein beigegeben", so die Bankerin. Sie habe keine Kraft und Lust mehr gehabt, gegen die RNV anzugehen - zumal sie schon damals in der Bürgerinitiative gegen den zweigleisigen Brückenausbau aktiv war. Sich gegen die RNV aufzulehnen sei "wie ein Kampf David gegen Goliath", so Sommer.
Moralische Unterstützung erhalten die Brückenanwohner von Stadtrat Bernd Binsch, der einst mit Sommer in der Bürgerinitiative kämpfte: "Was mich sauer macht: Ohne Anwalt geht es offenbar nicht - und das bei einer öffentlichen Baustelle", so Binsch. Er ärgert sich zudem, dass er von der RNV die Auskunft, es sei alles geregelt, bekommen habe, als er bei einer Sitzung des Technischen Ausschusses nachfragte.
"Zu jedem hieß es, die Baustelle wäre nicht schuld, das ist eine Frechheit", platzt es aus Sabine Palm im Lauf des Treffens mit der RNZ heraus. Die Nachbarn wollen sich nun ein Beispiel an Weber nehmen und vielleicht doch einen Anwalt einschalten. "Nach all dem Lärm, den Erschütterungen und dem Dreck will ich wenigstens, dass man uns Gehör schenkt und glaubt", sagt Andrea Palm.