Von Christoph Moll
Meckesheim. Dietmar Brust visiert das Ziel an und drückt ab. Treffer! Es piepst zwei Mal. Das ist für seinen Kollegen Matthias Horny das Signal zum Gasgeben. Mit quietschenden Reifen wendet der Streifenwagen, überholt den Ford und stoppt ihn schließlich. Es ist der erste Wagen, den die Polizisten an diesem Abend auf der B45 bei Meckesheim mit zu hoher Geschwindigkeit im Tempo-70-Bereich erwischen. Und es bleibt nicht der einzige. Die RNZ war auf der Jagd nach Rasern mit der Laserpistole dabei.
Es ist gegen 21 Uhr, als Dietmar Brust und sein Kollege Matthias Horny im Neckargemünder Polizeirevier aufbrechen. Dass ihr Ziel die Einmündung der Leopoldstraße in die B 45 in Meckesheim ist, ist kein Zufall: Hier kommt es immer wieder zu schweren Unfällen - erst im Januar hat hier ein Laster ein Auto in mehrere Teile zerlegt. Die Fahrerin hatte einen Schutzengel und wurde wie durch ein Wunder nur leicht verletzt. Im Herbst 2017 hat sich ein ähnlicher Unfall ereignet. "Die B45 ist ein Unfallschwerpunkt", sagt Kommissar Brust. Häufig seien die Beteiligten zu schnell gefahren. Der 52-Jährige ist ein erfahrener Polizist und arbeitet seit dem Jahr 2011 beim Neckargemünder Revier. Seit vier Jahren führt er Messungen mit der Laserpistole durch.
So auch an diesem Abend. Matthias Horny, der vor zwei Jahren nach dem Polizeistudium in Neckargemünd anfing zu arbeiten, bringt den Streifenwagen am Straßenrand in Fahrtrichtung Zuzenhausen in "Stellung". "An dieser Stelle messen wir nur abends und nachts, weil tagsüber der Verkehr zu dicht ist", erklärt Brust. Zum einen sei dann die Messung unmöglich und zum anderen sei die Verfolgung schwierig. Denn die Polizisten konfrontieren die Temposünder sofort mit dem Verstoß. "Die direkte Konfrontation ist viel wirksamer, als wenn drei Wochen später ein Brief kommt", so Brust.
Bevor es aber losgeht, muss noch ein Messprotokoll ausgefüllt werden, in dem Ort, Zeit, Wetter, Fahrbahnbeschaffenheit und Lichtverhältnisse festgehalten werden. Außerdem muss überprüft werden, ob die entsprechenden Temposchilder auch an der Straße stehen. Alles muss rechtssicher sein, sodass die Messergebnisse auch vor Gericht standhalten.
Auf dem Messprotokoll ist Platz für sieben Verkehrssünder. "Wenn es gut läuft, haben wir die Liste in anderthalb Stunden voll", sagt Brust. Heute läuft es aber nicht gut. Zwar braust fast jedes Auto mit mehr als den erlaubten 70 Kilometern pro Stunde an den Beamten vorbei, doch diese interessieren sich nur für alle, die mindestens 21 Stundenkilometer zu schnell sind. Dann beginnt nämlich der Bereich der Ordnungswidrigkeit. Bis zu einem Tempo von 100 werden noch drei Kilometer pro Stunde Toleranz abgezogen, über 100 sind es drei Prozent. "Wir stoppen also alle, die 94 oder mehr auf dem Tacho haben", erklärt Brust. "Manchmal ist gleich das erste gemessene Auto zu schnell, manchmal dauert es aber." Heute dauert es. "Lauter Auto-Schlangenzüchter unterwegs heute", schmunzelt Brust. Das Polizeiauto der Kollegen entgeht nur knapp der Verfolgung, weil es "nur" 82 auf dem Tacho hat.
Dann, um 22.19 Uhr, piepst es zweimal. Die Laserpistole zeigt die 97 Stundenkilometer des eingangs erwähnten Fords an. "Da ist doch 80", versucht sich der Fahrer mittleren Alters danach gegenüber den Beamten zu rechtfertigen. Brust und Horny erklären ihm: "Wenn Sie innerhalb eines Jahres noch einmal mit 21 oder mehr Kilometern pro Stunde zu schnell erwischt werden, ist der Führerschein für ein Jahr weg." Die Polizisten kontrollieren Führer- und Fahrzeugschein und fordern auch den Personalausweis. Kommt ihnen irgendetwas komisch vor, prüfen sie, ob die Person zur Fahndung ausgeschrieben ist und ob das Auto oder die Kennzeichen gestohlen sind. "Das ist Gefühlssache", sagt Brust. In diesem Fall ist es nicht notwendig, sodass der Mann weiterfahren kann. Das Knöllchen mit dem Bußgeld über 70 Euro und einem Punkt in Flensburg kommt per Post.
Der Rekord von 159 Kilometern pro Stunde an dieser Stelle wird in dieser Nacht nicht erreicht. "Der ist damals halb geflogen", erinnert sich Brust. "Da muss man schauen, dass es mit der Messung klappt." Kaum zu glauben: Derselbe Fahrer wurde zwei Monate später an derselben Stelle von den Beamten noch einmal erwischt - dann aber mit "nur" 100 auf dem Tacho. Das Fahrverbot hat sich dadurch trotzdem verlängert. "Viele sind Mehrfachtäter", erklärt Brust. Es komme auch öfters vor, dass die Gestoppten auch betrunken sind oder unter Drogen stehen. "Diesen Beifang nehmen wir dann auch mit", sagt Brust. "Dann rentiert es sich besonders." Und werden mehr Männer oder mehr Frauen erwischt? "Das hält sich die Waage", meint der Polizist. Auch das Alter sei sehr unterschiedlich.
"Je später es ist, desto schneller wird gefahren", sagt Brust. Wie zum Beweis rauscht ein Wagen mit HP-Kennzeichen mit Tempo 100 in Richtung Zuzenhausen am Polizeiauto vorbei. Matthias Horny beschleunigt den 194 PS starken Mercedes-Steifenwagen auf über 130 Sachen. Doch der Heppenheimer gibt ebenfalls Gas und verschwindet um die Kurve. Hat er die Polizisten bemerkt? An der Einmündung der Landesstraße nach Eschelbronn müssen sich die Polizisten entscheiden: abbiegen oder weiter auf der B45? Da gerade ein Auto abgebogen ist, folgen sie diesem. Dann wird klar: Es hat ein HD-Kennzeichen. "Das war eine 50:50-Chance", sagt Brust. "Pech gehabt."
Den nächsten bekommen sie wieder - ebenfalls mit 100 Sachen. "Ich weiß, ich war zu schnell", begrüßt der Mann die Polizisten. "Ich hatte aber noch mehr befürchtet." In Bayern, wo er herkommt, seien die Kontrollen nicht so stark. "Da wurde ich in 20 Jahren nicht einmal geblitzt, hier in zwei Wochen gleich dreimal." Trotzdem verliert er seine gute Laune nicht: Die Kontrolle hätte er sich schlimmer vorgestellt, sagt er. "Aber bei diesen freundlichen Polizisten." Ihnen wünscht er zum Abschied: "Erfriert’s net heit Nacht!"
Diese ist für Dietmar Brust und Matthias Horny noch nicht zu Ende. Sie legen sich im warmen Streifenwagen wieder auf die Lauer.