Auch das Kulturzentrum von Nagyatad ist von der Pandemie betroffen. Ebenso wie Vereinssport und Tourismus liegt der Betrieb der Kulturbranche derzeit auf Eis. Foto: Stadt Nagyatad
Von Sabrina Lehr
Nagyatad/Nußloch. Rund 930 Kilometer liegen zwischen Nußloch und seiner ungarischen Partnerstadt Nagyatad – was den derzeitigen Alltag in den beiden Gemeinden angeht, ist der Unterschied aber nicht allzu groß. Denn auch die etwa 10.400 Einwohner der südungarischen Stadt erleben aktuell einen Lockdown – der laut dem Nußlocher Stefan Horvath ganz ähnlich verläuft wie sein Pendant im Rhein-Neckar-Kreis.
"Restaurants, Dienstleistungen, Bäder und der Handel sind geschlossen", berichtet der aus Ungarn stammende Horvath, der seit der Schließung der Partnerschaft im Jahr 2000 die Beziehungen mit Nagyatad pflegt. "Nur das produzierende Gewerbe oder das Baugewerbe und Läden für den täglichen Bedarf arbeiten", so Horvath.
Stefan Horvath. Foto: Wolfgang SchneiderFür die Bürger gelte zwischen 20 und 5 Uhr eine Ausgangssperre, außerdem eine Alltagsmasken-Pflicht in Innenräumen. Kindergärten und Schulen seien für den Präsenzbetrieb geschlossen. Die Einhaltung der Maßnahmen werde von der städtischen Polizei kontrolliert, bei Verstößen drohen Geldstrafen. Der Schulunterricht werde digital abgehalten. Der Vereinssport, die Kulturbranche und der Tourismus liegen völlig brach. Vor allem letzterer ist für die Stadt enorm wichtig, die für ihr Heilbad bekannt ist.
Was laut Horvath auch zu den schlimmsten Folgen für den Ort führt, der etwa 30 Kilometer von der kroatischen Grenze entfernt und 60 Kilometer südlich des berühmten Plattensees liegt: "Hotels, Bäder und Restaurants sind in Nagyatad größtenteils in städtischer Hand", erklärt der 61-Jährige. Diese Einnahmen fehlten dem Stadtsäckel nun; der Lohn der Angestellten in diesem Sektor und andere Kosten liefen aber weiter. Trotzdem seien Sozialleistungen ausgeweitet worden. "Das hat ein großes Loch in den Haushalt geschlagen", weiß Horvath aus seinen Gesprächen mit Bürgermeister Ormai. Entsprechend müsse nun Geld im Haushalt umgeschichtet werden. Dadurch liegen Investitionen in die Infrastruktur vorerst auf Eis. Staatliche Hilfen gebe es keine.
In gesundheitlichem Sinne von der Pandemie betroffen sei Nagyatad indes erst seit Herbstbeginn. "In der ersten Welle im Frühjahr gab es keinen einzigen Infizierten in Nagyatad", so Horvath. Mittlerweile habe sich das geändert und es gebe Erkrankte und auch Todesfälle. "Daraufhin wurde das Krankenhaus umorganisiert und 60 Betten für Covid-Kranke eingerichtet", sagt Horvath, der von Bürgermeister Ormai weiß, dass auch zwei Ärzte des Krankenhauses dem Coronavirus erlagen. "In der Gesamtbevölkerung hat das Virus aber nicht so gravierend gewütet."
Für Bedürftige habe die Stadt Spenden gesammelt und Hilfspakete mit Lebensmitteln ausgeteilt. "Außerdem hat die Stadt die Versorgung von alleinstehenden älteren Menschen angestoßen", so Horvath. Mittlerweile gebe es eine Initiative, bei der junge Leute Senioren besuchen, diese in ihrem Alltag unterstützen oder ihnen Gesellschaft leisten.
Vor rund einem Monat hätten außerdem die Schutzimpfungen in Nagyatad begonnen. "Zuerst kamen die Angestellten von Krankenhäusern und Altersheimen, Sprechstundenhilfen und Hausärzte an die Reihe", berichtet Horvath. In den ersten zwei Wochen hätten 1500 Menschen eine Impfdosis erhalten, nun seien die Immunisierungen bei über 82-Jährigen im Gange. Geimpft wird mit den Impfstoffen der Firmen Biontech und Moderna.
Kurios: "Es würde schon seit Längerem das russische Vakzin zur Verfügung stehen", weiß Horvath. "Die Leute sind aber skeptisch gegenüber allem, was aus Russland kommt und es gab keine Nachfrage danach."