Jede Nacht sitzt Sigrid S. mit vielen Unterlagen an ihrem Computer. Foto: A. Dorn
Von Agnieszka Dorn
Nußloch. Kurz nach Mitternacht, erster Versuch: "Derzeit stehen keine Termine zur Verfügung." Und auch in der nächsten halben Stunde ploppt am Computer immer wieder die gleiche Meldung auf. "Es ist mühsam, einen Impftermin zu bekommen", sagt Sigrid. S aus Nußloch. Und telefonisch komme man auch nicht weiter. Seit Januar sitzt Sigrid S. ausnahmslos jede Nacht ab 23.45 Uhr am Computer und versucht Termine für ältere Menschen, Erzieherinnen und für diejenigen zu bekommen, die bereits an der Reihe für die Corona-Impfung sind. Denn immer um Mitternacht werden neue Termine freigeschaltet. Initiiert wurde der kostenlose Service vom Nußlocher Sozialverein Lichtblick.
Es ist nicht vorstellbar: Erst vor Kurzem sei ein älterer Mensch trotz Impftermin im Heidelberger Impfzentrum abgewiesen worden, berichtet Sigrid S. Die Begründung: Er sei mit 79 Jahren noch nicht an der Reihe. Der Mann musste ohne Impfung den Heimweg antreten, begleitet hatte ihn Sigrid. S. an diesem Tag. Den Termin hatte der Mann trotz der Altersangabe im System bekommen. "Das ist kein Einzelfall", sagt die Ehrenamtliche. Wirklich allen sei doch daran gelegen, die Pandemie so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bekommen und so schnell wie möglich so viele Menschen zu impfen – und dann diese bürokratischen Hürden.
In den vergangenen Wochen hat Sigrid S. 120 Impfberechtigten Termine vermittelt – eine mühsame und langwierige Arbeit. Während alle anderen um diese Uhrzeit im Reich der Träume sind, läuft bei Sigrid S. die Internetleitung heiß. Am Schreibtisch brennt eine kleine helle Lampe. Ausgedruckte Bestätigungen von Impfterminen liegen auf der einen Seite. Eine lange Liste mit Personen, die impfberechtigt sind und auf einen Termin warten, auf der anderen Seite. Eigentlich müsse man jeden Tag 24 Stunden am Computer sitzen, um mit viel Glück und Geduld auf freie Impftermine zu stoßen, meint Sigrid S. Die Impfanmeldung sei besonders für ältere Menschen kompliziert, sagt sie. Man müsse mit dem Computer gut umgehen können und brauche ein Handy, denn der Vermittlungscode für die Terminbuchung kommt per Mobilfunk. Erst mit diesem Code ist es dann möglich, einen Impftermin zu bekommen – vorausgesetzt, es sind welche verfügbar.
Zur Auswahl stehen Impfzentren in der Region, die nicht ganz so weit von Nußloch entfernt sind. Darunter in Heidelberg das Pfaffengrunder Gesellschaftshaus und das Impfzentrum im Patrick-Henry-Village, die Kreisimpfzentren in Weinheim und Sinsheim und die Maimarkthalle in Mannheim. Mit dem Code probiert Sigrid S. all diese Impfzentren durch und bekommt meist die gleiche Meldung: "Derzeit stehen leider keine Termine zur Verfügung."
Es ist irgendwann kurz nach halb eins in der Nacht, als doch ein freier Termin zur Verfügung steht. In dieser Nacht hat Sigrid S. viel Glück. Sie bekommt weitere sechs Termine für Erzieherinnen eines Nußlocher Kindergartens. Kürzer wird ihre Warteliste dennoch nicht, denn schon in den nächsten Tagen landen weitere Impfberechtigte darauf ...