Am Ufer fühlt sich der Biber wohl, vorausgesetzt das Nahrungsangebot reicht. Foto: Heyder
Von Nicolas Lewe
Neckarsteinach. "Ich hatte erst meine Tochter im Verdacht", schmunzelt Rosy Winbauer. Hatte sie die beiden geliebten Apfelbäumchen auf dem hauseigenen Grundstück abgesägt? Dieser Verdacht habe sich zum Glück schnell zerschlagen, meint die 70-Jährige, deren Anwesen in Neckarsteinach im Bereich Lanzenbach direkt an den Neckar angrenzt. Denn die eindeutigen Spuren am "Tatort" hätten schnell zu einem anderen Täter geführt: Ein Biber hat die Apfelbäumchen auf seinem Gewissen. Den endgültigen Beweis brachte eine Wildkamera, welche die Neckarsteinacherin in der Folge installierte und in die der hungrige Nager dann auf seiner nächtlichen Beutetour auch prompt tappte.
Obwohl sie sich zunächst ärgerte, kann Rosy Winbauer dem ungebetenen Gast doch nicht wirklich böse sein. "Ich betrachte den Biber nicht als Problem", betont sie im Gespräch mit der RNZ. Denn eigentlich sei es ja schön, dass sich die Tiere entlang des Neckars wieder angesiedelt haben. Aber dafür die mit viel Liebe gepflegten Bäume opfern? Das gehe dann aus Sicht der 70-Jährigen doch etwas zu weit. Stattdessen habe sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter und dem Schwiegersohn, die mit ihr unter einem Dach wohnen, Gedanken gemacht, was man gegen die Nageattacken des Bibers unternehmen könne. Die Lösung bestand darin, alle Stämme mit Draht zu umwickeln, wodurch der Biber nicht mehr ans Holz gelangen kann.
Wie der Nager seine bissfeste Beute auswählt, bleibe dabei ein Rätsel. "Wir haben in unserem Garten auch drei Kirschbäume", erzählt Rosy Winbauer. Doch diese habe der Biber verschmäht: "Da ist er nicht rangegangen", wundert sich die Neckarsteinacherin. Wohingegen unter anderem auch ein Forsythien-Strauch das Interesse von Bokert – so der Fabelname des Bibers – erregt habe. "Außerdem hat er sich an einer Tanne versucht", berichtet die Neckarsteinacherin. Bei dieser sei ihm aber offensichtlich relativ schnell der Appetit vergangen. "Vielleicht wegen der Gerbsäure", mutmaßt die 70-Jährige.
In die Fotofalle getappt: Das Bild der Wildkamera zeigt den Biber bei seiner „Beutetour“. Foto: privatDass der Biber sich überhaupt an Obstbäumen im Garten zu schaffen macht, begründet Ulrich Weinhold, Biberbeauftragter für den Regierungsbezirk Karlsruhe, auch ein Stück weit mit der winterlichen Jahreszeit. In dieser falle das Nahrungsangebot für den Vegetarier am Fluss geringer aus und der Biber gehe mangels Alternativen an die Rinde von Bäumen. Ein Blick ins Lexikon zeigt: Ein Biber frisst in den Wintermonaten pro Tag etwa 900 Gramm Rinde, während im Sommer die Nahrung aus 1,5 bis 2 Kilogramm Gräsern und Kräutern besteht.
"Der ganze Neckarlauf ist durchgehend mit Bibern besiedelt", erzählt Weinhold. Dem Experten zufolge ist das Vorkommen von Bibern in den Gemeinden am Fluss "in der Regel unkritisch". Der Biber baue am Neckar keine Dämme, sondern falle normalerweise nur dadurch auf, dass er die Ufervegetation annage. Als ihn der "Hilferuf" aus dem hessischen Neckarsteinach, für das er als Beauftragter des Bezirks Karlsruhe streng genommen gar nicht mehr zuständig sei, erreichte, habe sein Ratschlag darin bestanden, Maschendraht zwei- bis dreimal um den Stamm zu wickeln. Alternativ könne man auch den Garten umzäunen. Dem Diplom-Biologen und Leiter des Instituts für Faunistik mit Sitz in Heiligkreuzsteinach ist es zudem wichtig zu betonen, dass die menschliche Besiedelung für den Biber größere Gefahren birgt als umgekehrt: "An den Bundesstraßen werden leider immer wieder Biber überfahren."
Die Erfahrung, dass die Nager auf der Suche nach Nahrung findig sind, machte auch Rosy Winbauer. Beim Spaziergang in Richtung Hirschhorn entdeckte sie kürzlich einen Baumstamm. Die Nagespuren ließen nur einen Schluss zu: Hier war "ihr" Biber am Werk gewesen.