Amtsgericht Sinsheim. Foto: Archiv/Christiane Barth
Von Christiane Barth
Meckesheim/Sinsheim. Es waren gleich mehrere Anklagen, für die sich nun ein 24-jährige Somalier verantworten muss. Als die Staatsanwältin im Amtsgericht Sinsheim die vier Anklageschriften vorlas, die unter anderem gefährliche Körperverletzung und versuchte gefährliche Körperverletzung beinhalten, musste auch der Dolmetscher ein wenig Papier sortieren. Der Prozess war anstrengend, nicht nur wegen der verschiedenen Vergehen, die dem Angeklagten vorgeworfen werden. Zum einen, weil er kaum Deutsch spricht und daher zeitgleich in zwei Sprachen verhandelt wurde. Vor allem aber, weil der Somalier, der derzeit in der JVA Mannheim einsitzt, eine 17-Jährige sexuell belästigt haben soll und diese nun als Zeugin aussagen musste.
Das junge Mädchen aus Meckesheim soll am 28. Februar vergangenen Jahres in der S-Bahn zwischen Meckesheim und Eppingen von dem Somalier unsittlich am Oberschenkel angefasst worden sein. Hierzu soll sich der Angeklagte gezielt zu der jungen Frau auf eine Vierer-Bank gesetzt haben. Augenblicklich sei sie in "Starre verfallen", erinnerte sie sich nun im Gerichtssaal: "Ich habe gar nicht mehr gemerkt, was er dann gemacht hat". Der Mann sei immer nähergekommen, obwohl sie ihn gebeten habe, von ihr abzulassen. Schließlich habe sie den Platz gewechselt und ihre Mutter angerufen. Diese habe dann sofort die Polizei alarmiert.
Die Geschehnisse im Gerichtssaal wiederzugeben, fiel der jungen Frau sichtlich schwer und sie kämpfte mit den Tränen. Sie gab an, nach dem Vorfall psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen zu haben. Doch jedes Mal, wenn sie in eine S-Bahn steige, habe sie mit den unangenehmen Gefühlen zu kämpfen, die diese sexuellen Übergriffe hinterlassen hätten. Zwar räumte sie ein, sich nicht mehr genau an das Gesicht des Mannes erinnern zu können, zumal sie damals unter "Starre" gestanden habe. Der Verteidiger hielt die Aussagen des Mädchens jedoch für "absolut glaubwürdig". Vorliegende Lichtbilder, die damals noch in der S-Bahn gemacht worden seien, bestätigten dies.
Außerdem sagte auch ein ehemaliger Mitbewohner der Asylbewerberunterkunft im Fohlenweideweg Sinsheim aus. Zunächst jedoch wand er sich im Zeugenstand. Er wolle den Angeklagten nicht in Schwierigkeiten bringen und betonte, er habe diesem längst vergeben. Die Richterin klärte den 32-jährigen in Mogadischu Geborenen aber auf, er müsse wahrheitsgemäß aussagen, da er sich sonst nämlich selbst in Schwierigkeiten bringe. Mehrmals soll es also seiner Aussage nach zu Handgreiflichkeiten gekommen sein: Einmal habe der Angeklagte bei einem Streit versucht, ihn mit einem Cuttermesser zu verletzen.
Bei der Auseinandersetzung seien beide aufeinander losgegangen. "Er hat mich angegriffen, ich habe mich gewehrt", sagte der Zeuge. Ein anderes Mal sei es ein Besen gewesen, mit dem der Somalier auf ihn losgegangen sei. Von dieser Attacke habe er eine Videoaufnahme. Ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma habe daraufhin den Besen beschlagnahmt. Auch eine zerschlagene Tasse habe als Waffe gedient. Überdies habe ihm der Somalier Geld gestohlen. Als Zweitältester von elf Geschwistern, die teils in Kenia, teils in Äthiopien lebten, machte dieser jetzt auf der Anklagebank zwar keine Aussagen, gab jedoch an, nie eine Schule besucht zu haben, dies aber in Deutschland nachholen zu wollen. Schreiben könne er nicht, lesen lediglich wenige Worte in seiner Muttersprache.
Er besitzt keine Aufenthaltserlaubnis in der BRD, ist angeklagt, unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Außerdem wird ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Im Januar vergangenen Jahres soll er sich bei einer Kontrolle am Bahnhof Meckesheim gegen einen Polizeibeamten zur Wehr gesetzt haben. Er habe um sich geschlagen, dem Polizisten ans Schienbein getreten und diesem auch eine blutende Wunde am Nagelbett zugefügt. Nur mit erheblicher Kraftanstrengung soll es gelungen sein, den Angeklagten auf dem Boden zu halten, heißt es in der Anklageschrift.
Am Ende kam das Gericht zu dem folgenden Urteil: Der Angeklagte wird zu einem Jahr Freiheitsentzug ohne Bewährung verurteilt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Somalier auferlegt.