Von Christoph Moll
Gaiberg. Petra Müller-Vogel ist angekommen. Seit dem vergangenen September steht die parteilose 53-Jährige an der Spitze der Gemeinde Gaiberg. Im RNZ-Interview spricht die frühere Rathausangestellte der Gemeinde Waldbronn aus dem pfälzischen Leimersheim über ihre ersten Wochen im Amt und verrät, wie ihr langer Name oft abgekürzt wird.
Frau Müller-Vogel, Ihre Amtszeit als Bürgermeisterin begann im vergangenen Jahr mit der Kerwe und einem Fassbieranstich ohne Spritzer. Ging es denn genauso perfekt weiter?
Ich fand schon, dass es gut weiter ging, obwohl die Themen nicht ganz einfach waren. Zum Neubaugebiet habe ich an einem Runden Tisch Gespräche mit den Gegnern geführt. Es war mein Versprechen aus dem Wahlkampf, beide Seiten zu hören - und das habe ich getan. Als wichtige Beschlüsse im Gemeinderat anstanden, hatte ich schon etwas Bauchweh und habe mir im Vorfeld einige Gedanken gemacht. Das war aber oft unnötig. Es lief nämlich alles glatt - ich wurde auch zunächst noch etwas geschont. Außerdem hat sich der Umgangston im Gemeinderat verändert - allein weil Männer mit einer Frau anders umgehen als mit einem Mann. Dazu hat auch unsere Klausurtagung beigetragen.
Dazu kommen wir noch. Wie groß war denn die Umstellung von der Rathausmitarbeiterin zur Rathauschefin für Sie?
Ich muss sagen: Es ist mir recht leicht gefallen. Ich bin ein total offener Mensch und habe keine Berührungsängste. Ich kann auf Menschen zugehen. Zum Beispiel Senioren bei runden Geburtstagen besuchen - das liegt mir. Wichtig ist mir, nicht nur zu repräsentieren. Deshalb hatte ich mir auch einen kleinen Ort ausgesucht, in dem ich nah bei den Menschen sein kann. Dieser Wunsch ist auch in Erfüllung gegangen. Wenn ich zum Beispiel vom Bäcker ins Rathaus zurückkomme, habe ich drei neue Aufgaben von den Bürgern bekommen. Das stört mich aber nicht, das wollte ich so. Da geht es um Kleinigkeiten wie zum Beispiel das Abräumen eines Grabes. Oft muss ich selbst noch nachfragen, kann dann aber Ansprechpartner vermitteln. Oft werde ich auch beim Einkaufen in Bammental erkannt und angesprochen. Das freut mich natürlich. Eine Bürgermeisterin ist noch immer etwas Besonderes.
Wie anstrengend waren die ersten Wochen und Monate für Sie? Sicher war Ihr Terminkalender voll.
Die waren schon anstrengend, ich hatte in fünf Monaten nur einen Tag Urlaub. Ich habe viele Veranstaltungen besucht, um mich bekannt zu machen. Außerdem hatte ich Gespräche mit vielen Bürgern sowie Vertretern von Vereinen, Firmen und Banken. Es kamen auch viele E-Mails, die ich alle persönlich beantworten will. Es macht aber unheimlich Spaß. Deshalb kann man auch über seine Grenzen gehen. Wenn ich aber zu sehr über die Stränge schlage, meldet sich mein Körper. Vor ein paar Jahre hatte ich ein Nierenleiden. Die Weihnachtstage und der relativ ruhige Januar kamen gerade recht, um mich zu erholen. Jetzt kann es wieder weiter gehen.
Haben Sie die Entscheidung, Bürgermeisterin zu werden, schon bereut?
Keine Sekunde. Klar ist, dass es nicht immer rund laufen wird, aber das sehe ich entspannt. Das gehört dazu.
Was war ihr schönstes Erlebnis bisher?
Das war eigentlich kein schönes Ereignis. Im Oktober ist ein Altgemeinderat verstorben, den ich nicht mehr kennengelernt habe. Die Grabrede zu halten, ist mir schwergefallen. Das war sehr emotional und hat mich an die Beerdigung meines Vaters erinnert. Da habe ich ein bisschen die Fassung verloren und es sind auch ein paar Tränen geflossen. Das hat mir aber niemand übel genommen. Im Gegenteil: Ich habe Zuspruch erfahren, weil ich Menschlichkeit gezeigt habe. Man muss auch in diesem Amt nicht immer nur stark sein.
Und was war nicht so schön?
Oh (überlegt lange). Da gibt es nicht viel. Das drohende Aus für den Fußballverein belastet mich schon. Da hängt viel für die Jugend dran. Aber ich denke immer positiv - bis zum Schluss.
Was war bisher die größte Überraschung?
Das war tatsächlich die Klausurtagung mit dem Gemeinderat. Wir waren von Freitag- bis Samstagnachmittag im Winzerhof in Rauenberg. Bis auf zwei Gemeinderäte waren alle dabei. Manche haben sich zunächst schwergetan, sich aber dann doch geöffnet. Es hat mir und uns viel gebracht zu hören, wie sich jeder fühlt. Ich habe diesen Prozess extern begleiten lassen. Die Altlasten sind abgearbeitet. Das war ein Neustart. Wir haben eine andere Basis gefunden, die Atmosphäre ist positiver.
Das Klima im Gemeinderat galt als rau.
In der Vergangenheit ging es oft nicht um das Gute für den Ort, sondern um persönliche Auseinandersetzungen. Deshalb wurden Mehrheitsbeschlüsse von der Gegenseite oft nicht akzeptiert. Es gibt aber oft keine richtigen oder falschen Lösungen, sondern unterschiedliche Sichtweisen. Mehrheitsbeschlüsse müssen akzeptiert werden - auch wenn man sich nicht durchsetzt. Dazu gehört, seine Meinung zu vertreten und sich von Argumenten überzeugen zu lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, mich einmal zu enthalten. Das würde bedeuten, dass mir das Thema egal ist. Wir haben jetzt jedes Jahr ein Wochenende eingeplant.
Zu Ihrer Amtseinführung haben Sie von Ihrem ehemaligen Chef eine Glocke geschenkt bekommen - falls es einmal hoch hergeht im Gemeinderat. Kam diese schon zum Einsatz?
Ich hatte sie bei zwei von vier Sitzungen dabei, aber Gott sei Dank nicht gebraucht.
Ihr erstes Ziel war, ein Gemeindeentwicklungskonzept auf den Weg zu bringen.
Das Gemeindeentwicklungsprogramm war Teil des Landessanierungsprogrammes und wurde als Bestandteil für die Zuschüsse gefordert. Deshalb wurde daran auch schon vor meinem Amtsantritt gearbeitet. Der Auftrag ist an eine Firma vergeben, die den Prozess begleiten wird. Zunächst wird der Bestand aufgenommen. Ende März beschäftigen sich der Gemeinderat und der Dorfentwicklungsausschuss mit dem Thema und im Mai soll es die erste Bürgerversammlung geben.
Sie hatten es eingangs gleich angesprochen: Das Baugebiet war im Wahlkampf ein heißes Thema. Wie geht es hier weiter?
Am 27. Februar soll im Gemeinderat die Satzung für den Bebauungsplan beschlossen werden. Es sind weit über 100 Widersprüche eingegangen - von Behörden und viele von Bürgern. Alle sind abgearbeitet. Die Gemeinderäte bekommen nun über 70 Seiten zu lesen. Im Wahlkampf hatte ich gedacht, dass das Baugebiet den Ort in der Mitte spaltet. Doch die Gegner sind in der Minderheit. Die Mehrheit ist dafür und meint, dass wir Bauplätze brauchen. Es gibt auch schon viele Bewerbungen. Die Beschlüsse sind bindend und die Mehrheiten im Gemeinderat vorhanden. Manche haben erwartet, dass ich das Thema neu aufrolle, aber das geht rechtlich nicht. Ich habe nur eine Stimme im Gemeinderat. Ich gehe davon aus, dass der Beschluss nun reine Formsache ist.
Hat sich in Ihrem Dienstzimmer schon etwas verändert?
Ich habe einen Kalender und ein Bild aufgehängt. Wir ziehen ja wohl noch dieses Jahr wegen der anstehenden Sanierung aus dem Rathaus aus. Da lohnt sich keine Renovierung. Die uralten Möbel ziehen wohl nicht wieder mit ein. Ich fühle mich aber wohl und meine Tür steht fast immer offen.
Wie ist der Kontakt zu Ihrem Vorgänger Klaus Gärtner?
Sehr gut. Wir haben immer mal wieder Kontakt und sehen uns. Er wollte sich heraushalten - und das macht er auch. Dass er als Ansprechpartner zur Verfügung steht, finde ich beruhigend.
Hauptamtsleiter Alexander Wenning haben 14 Stimmen zum Wahlsieg gefehlt. Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm?
Wir arbeiten sehr gut und konstruktiv zusammen. Ich erlebe das ganz entspannt und weiß, dass er nie gegen mich arbeiten würde. Ich erfahre große Unterstützung von ihm, was mich freut. Ich wäre sehr glücklich, wenn er bleibt.
Welche Auswirkungen hat der Job auf Ihr Privatleben?
Es ist natürlich ein zeitintensiver Job. Mein Mann begleitet mich aber oft auf Termine und unterstützt mich. In manchen Wochen habe ich jeden Abend einen Termin. Mein Mann hat aber als Abteilungsleiter einer Krankenkasse auch einen verantwortungsvollen Posten und muss abends auch noch am Laptop sitzen.
Was macht eigentlich die Suche nach einem Haus in Gaiberg?
Wir sind inzwischen von unserer Ferienwohnung in Gaiberg in eine Mietwohnung in Gauangelloch gezogen. Aber nur vorübergehend. Denn wir haben ein Grundstück in der Bammentaler Straße gekauft, das uns von einer Erbengemeinschaft angeboten wurde. Den Bauantrag haben wir im Januar eingereicht. Wir halten alle Richtlinien des Bebauungsplans ein, sodass es recht schnell gehen könnte. Der Gemeinderat hat bereits zugestimmt. Anfang März soll es losgehen und wir hoffen, dass wir im November einziehen können. Eigentlich wollten wir nicht bauen, aber wir haben nichts Passendes gefunden. Das wären alles Kernsanierungen gewesen. Unsere Eigentumswohnung in Leimersheim haben wir inzwischen verkauft.
Lange Namen werden ja gerne abgekürzt. Das prominenteste Beispiel ist aktuell die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Ihr Name ist ja auch nicht gerade kurz. Haben sich alle schon daran gewöhnt oder sind Sie nun "PMV"?
Bei Facebook hat mich jemand mal "PMV" genannt. Das stört mich nicht. Meine ehemaligen Kollegen haben mich "Müvo" genannt. Mein Doppelname ist aber relativ einfach und kein Zungenbrecher. Ich hatte mir vor dem Wahlkampf überlegt, meinen Nachnamen zu ändern und nur noch meinen Ehenamen Vogel zu tragen. Aber das wäre ein falsches Signal gewesen. Meinen Namen aus erster Ehe hatte ich wegen meiner Kinder behalten, aber vielleicht lege ich ihn irgendwann noch ab.