Was wird aus Helmut Kohls Stammlokal?
Die Neckargemünder entscheiden am Sonntag beim Bürgerentscheid über die umstrittene Neubebauung im Ortsteil Rainbach.

Von Christoph Moll
Neckargemünd. Wie geht es mit den umstrittenen Bauplänen im Neckargemünder Ortsteil Rainbach weiter? Darüber entscheiden an diesem Sonntag, 26. September, dem Tag der Bundestagswahl, die Einwohner von Neckargemünd. Die RNZ hat die wichtigsten Informationen zum Bürgerentscheid und die Positionen von Investor, Bürgerinitiative und Stadt sowie der Fraktionen im Gemeinderat zusammengefasst.
Die Ausgangslage
Das Restaurant "Zur Rainbach" im gleichnamigen Neckargemünder Ortsteil steht seit über acht Jahren leer. Es hatte überregionale Bekanntheit durch zahlreiche prominente Gäste erlangt – darunter Altkanzler Helmut Kohl, der auch hochrangige Staatsgäste in sein Stammlokal einlud. Seit dem vergangenen Jahr ist die zur Onigkeit-Gruppe gehörende "Red Real Estate Development GmbH" neuer Eigentümer des Areals und plant eine Neubebauung mit Mehrfamilienhäusern und einem Restaurant. Anfangs war auch ein Hotel vorgesehen, das aber nach ersten Protesten gegen die Dimension des Vorhabens wieder gestrichen wurde. Fast alle Bestandsgebäude sollen abgerissen werden. Im vergangenen Februar stimmte der Gemeinderat mit einer knappen Mehrheit von 14 zu 12 Stimmen einem Aufstellungsbeschluss für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für das Areal zu. Kurz darauf formierte sich eine Bürgerinitiative, der die Dimension des Vorhabens sowie die an einen Schiffsrumpf erinnernde Form der Mehrfamilienhäuser am Neckar – die sogenannten "Schiffchen" – ein Dorn im Auge sind. Sie sammelte innerhalb weniger Wochen rund 1900 Unterschriften, um ein Bürgerbegehren zu erwirken. Der Gemeinderat beschloss daraufhin, den Aufstellungsbeschluss nicht selbst aufzuheben, sondern einen Bürgerentscheid über diese Frage durchzuführen.
Hintergrund
> Beim Bürgerentscheid über die Neubebauung im Neckargemünder Ortsteil Rainbach sind 10.687 Einwohner aus der ganzen Stadt stimmberechtigt. Sie müssen die gestellte Frage "Soll der Beschluss des Gemeinderates der Stadt Neckargemünd vom 23. Februar 2021,
> Beim Bürgerentscheid über die Neubebauung im Neckargemünder Ortsteil Rainbach sind 10.687 Einwohner aus der ganzen Stadt stimmberechtigt. Sie müssen die gestellte Frage "Soll der Beschluss des Gemeinderates der Stadt Neckargemünd vom 23. Februar 2021, Aufstellungsbeschluss Rainbach 2.0, aufgehoben werden?" entweder mit Ja oder Nein beantworten. Bei der gleichzeitig stattfindenden Bundestagswahl sind in Neckargemünd nur rund 10.000 Bürger wahlberechtigt. Der Unterschied kommt daher, dass beim Bürgerentscheid bereits Einwohner ab 16 Jahren und EU-Bürger abstimmen dürfen, während das Mindestalter bei der Bundestagswahl bei 18 Jahren liegt. cm
Der Bürgerentscheid
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Soll der Beschluss des Gemeinderates der Stadt Neckargemünd vom 23. Februar 2021, Aufstellungsbeschluss Rainbach 2.0, aufgehoben werden? Vor dieser Frage stehen am Sonntag die Neckargemünder. Der Bürgerentscheid ist erfolgreich, wenn die Mehrheit diese Frage mit Ja beantwortet und diese Mehrheit mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten beinhaltet. Wird dieses Quorum erreicht, wäre der Gemeinderatsbeschluss aufgehoben und es würde eine Sperrfrist von drei Jahren ausgelöst. Der Investor hat bereits angekündigt, in diesem Fall eine Bebauung nach Paragraf 34 Baugesetzbuch anzustreben und müsste sich dann an der Umgebungsbebauung orientieren. Die Stadt hat dann ein Mitspracherecht, die finale Entscheidung liegt aber beim Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises in Heidelberg. Dieses hatte erklärt, dass es bei der Frage der Zulässigkeit des Vorhabens weniger um die Form der geplanten Gebäude geht, sondern vielmehr um deren Volumen. Die Stadt könnte im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheids auch innerhalb der Sperrfrist von drei Jahren einen eigenen Bebauungsplan aufstellen, wie Landratsamtssprecherin Susanne Uhrig auf RNZ-Anfrage erklärt. Voraussetzung ist aber eine "wesentlich geänderte Planung". Bürgermeister Frank Volk hatte bereits erklärt, dass die Stadt dies wegen der hohen Kosten und des großen Aufwandes nicht anstrebt. Wird das Quorum nicht erreicht, muss der Gemeinderat über das weitere Vorgehen entscheiden. Er kann den Aufstellungsbeschluss dann bestätigen oder abändern.
Der Investor
Wer wolle, dass über das Bauvorhaben in Neckargemünd entschieden wird, mit Beteiligung des Gemeinderates und der Bürger, müsse mit Nein stimmen, meint Frank Maaß, der Anwalt des Investors. Wer hingegen wolle, dass im Landratsamt Heidelberg ohne Bürgerbeteiligung entschieden werde, solle mit Ja stimmen. Maaß wirbt dafür, sich nicht von den Diskussionen über Planungsdetails verwirren zu lassen. "Der Aufstellungsbeschluss legt nur den räumlichen Bereich der Planung fest", betont er. "Im Bebauungsplanverfahren entscheidet am Ende der Gemeinderat über die Planung." Alle diskutierten Fragen müssten im Bebauungsplanverfahren geprüft und geregelt werden. Bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid gebe es kein Bebauungsplanverfahren mehr. "Dann entscheidet das Landratsamt Heidelberg allein nach rechtlichen Vorgaben", betont der Rechtsanwalt. "Dann findet Stadtplanung nicht mehr statt. Dann ist Bürgerbeteiligung nicht mehr vorgesehen."
Die Bürgerinitiative
"Wir werben für ein Ja, um den Weg für eine an die Umgebung angepasste Bebauung frei zu machen", erklären Edith und Tobias Mayer sowie Dirk Staudenmaier als Vertrauenspersonen für die Bürgerinitiative "Achtung! Rainbach und Neckartal". "Auch eine Bebauung nach Paragraf 34 Baugesetzbuch ist eine Chance, alles ist besser als die Planung mit den umstrittenen ,Schiffchen’, wohl eher Ozeanriesen inmitten der Rainbach." Nur der vorhabenbezogene Bebauungsplan ermögliche dem Investor diese Bebauung. Nach Paragraf 34 würden große Teile des Areals im Außenbereich liegen, wo keine Luxuswohnungen zulässig seien. Selbstverständlich würden auch die Träger öffentlicher Belange angehört. An dieser sensiblen Stelle unterhalb der denkmalgeschützten Feste Dilsberg seien der Landschafts- und Hochwasserschutz von größter Bedeutung. Baugenehmigungen für einen Bau mit vielen Befreiungen seien aufwendig. Dies sei dem Investor und den Befürwortern im Gemeinderat bekannt. "Die Aussage, dass bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid die Stadt und die Bürger kein Mitspracherecht mehr hätten, stößt bei uns auf Befremden", so die Vertreter der Bürgerinitiative weiter. "Ein Bauantrag in der Gemarkung Dilsberg durchläuft Ortschaftsrat Dilsberg und Technischen Ausschuss und wird wie immer vom Landratsamt als unterer Bauaufsichtsbehörde beschieden." Deshalb wirbt die Initiative für ein Ja beim Bürgerentscheid.
Die Stadt
"Die Stadt Neckargemünd hält sich an das Neutralitätsgebot und gibt daher keine Empfehlung ab", hieß es auf RNZ-Anfrage aus dem Rathaus. "Wir sehen es als unsere Aufgabe, auf die grundsätzlichen Auswirkungen für das weitere Verfahren hinzuweisen." Und diese sehen laut Stadt wie folgt aus: Soll die Entscheidung über die Art, Form und Größe in Händen des Gemeinderates bleiben und eine weitere Bürgerbeteiligung erfolgen, dann sei mit Nein zu stimmen. Oder überlässt man die Entscheidung hierüber dem Landratsamt, dann sei mit Ja zu stimmen. "Wir sind gleichzeitig überzeugt, dass der Gemeinderat keinen Satzungsbeschluss treffen wird, der die Interessen der Bürger nicht berücksichtigt", so die Stadt. "Ist die Entscheidung jedoch in Händen des Landratsamtes, so kann dieses das fehlende Einvernehmen der Stadt ersetzen."
Rainbach: Das sagen Fraktionen
Wie stehen die Fraktionen im Gemeinderat zum Bürgerentscheid? Das hat die RNZ gefragt. Die Einzelstadträte Marco La Licata (Linke) und Giuseppe Fritsch (fraktionslos) äußerten sich nicht.
Grüne
> Abstimmungsempfehlung: Nein
> Begründung: "Sollte der Bürgerentscheid Erfolg haben, endet das Verfahren sofort", gibt Felix Konrad für die Grünen-Fraktion zu bedenken. Dem Bauherrn stünde es frei, den Bestand abzureißen. Ein Denkmalschutz bestehe nicht. Er müsste die Pläne anpassen, aber nicht an die Bedürfnisse der Stadt. "Wir werben für eine Anpassung der Gestaltung im weiteren Planungsverfahren", so Konrad. Die Prüfung aller Fachbehörden – zum Beispiel zu den Themen Hochwasser-, Natur- und Denkmalschutz – sind Teil dieses Verfahrens. Ebenso die Offenlage der Planung. Der Gemeinderat beschließe den finalen Bebauungsplan, nachdem alle Seiten nochmals gehört wurden. Oder er verwehre die Zustimmung. "Dank der Bürgerinitiative haben wir in weiteren Verhandlungen eine starke Position", so Konrad. "Obwohl der Stadt das Grundstück nicht gehört, haben wir die Chance zur Mitgestaltung. Diese Chance sollten wir nutzen!"
Freie Wähler
> Abstimmungsempfehlung: Ja
> Begründung: "Wir sehen die Planung äußerst kritisch und haben daher auch den Aufstellungsbeschluss abgelehnt", erklärt Fraktionschef Jürgen Rehberger. Grundsätzlich begrüße man eine Entwicklung mit Gastronomie und Wohnen auf diesem Areal, aber nicht in der vorgelegten Dimension. "Wir möchten in der Rainbach eine mögliche Entwicklung weder verhindern noch blockieren", betont Rehberger. "Wir hegen aber Bedenken, da es sich bei den geplanten Gebäuden um einen erheblichen Eingriff in die bisherige Struktur des Ortsteiles handelt." Man wünsche sich eine verträgliche, kleinteilige Entwicklung ohne "Schiffchen" und den Erhalt des Gebäudes der ehemaligen Gaststätte. "Wir möchten das Heft des Handelns wieder zurück bekommen und nach der gesetzlichen Sperrfrist einen regulären Bebauungsplan für das Areal auf den Weg bringen, um eine akzeptable Lösung zu erhalten, die zur Befriedung des Ortsteiles und der Gesamtstadt beiträgt."
CDU
> Abstimmungsempfehlung: Nein
> Begründung: Noch stehe man am Anfang des beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens, meint Fraktionsvorsitzende Anne von Reumont. "Uns gefällt die Idee, in der Rainbach Wohnen, Hotel und endlich wieder Gastronomie anzusiedeln." Die planerischen Entwürfe des Investors hingegen seien auf geteilte Meinung gestoßen. Die Größe, aber auch die architektonischen Schiffsnachbildungen würden nicht jeden Geschmack treffen. "Aufgrund des gewählten Verfahrens können Gemeinderat, Anwohner und Bürgerinitiative bisher berechtigte Vorschläge einbringen", so von Reumont. "Würde im Bürgerentscheid jetzt überwiegend mit Ja gestimmt, wird der begonnene Dialog abgewürgt." Weder Gemeinderat, noch Bürger würden Gelegenheit haben, weiter Einfluss nehmen zu können. Würde der Beschluss aufgehoben, so werde der Investor seinen Antrag auf Grundlage von Paragraf 34 Baugesetzbuch einreichen und das Landratsamt wird dem aller Voraussicht nach so zustimmen. Man wolle aber den Dialog.
SPD
> Abstimmungsempfehlung: Ja
> Begründung: "Der Gemeinderat hat nach der Vorlage einer ersten Planung des Bauherrn beschlossen, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan erstellen zu lassen", erinnert Walter Berroth vom Dilsberger SPD-Ortsverein. "Er hat noch keiner Planung zugestimmt, aber mit dem Beschluss dem Bauherrn signalisiert, dass er in etwa in dem geplanten Umfang bauen kann." Damit habe er einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich der Bauherr berufen könne. "Will heißen: Der Gemeinderat kann im Rahmen der Genehmigung nicht mehr verlangen, dass das Bauvorhaben wesentlich reduziert wird", meint Berroth. "Nur mit einem Ja zur Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses ist dieser Vertrauenstatbestand beseitigt." Die SPD gibt außerdem zu bedenken, dass auch in einem Verfahren nach Paragraf 34 Baugesetzbuch die Gemeinde und andere Behörden beteiligt werden.